Tim Willocks - Rachegöttin / Blood-Stained Kings

  • Das Testament eines brutal-gefährlichen Polizisten und sardonischen Strippenziehers setzt zwei sehr unterschiedliche Menschen (zum einen die nur in der deutschen Übersetzung titelgebende "Rachegöttin", zum anderen einen depressiven Psychiater) auf die Spur zweier Koffer gefüllt mit lebenslang gesammeltem Belastungsmaterial über Korruption und Verderbnis in höchsten Politik-, Strafverfolgungs- und Wirtschaftskreisen. Dies geschieht in der Absicht, die amoralische Elite durch eine integre, journalistische Veröffentlichung in den Grundfesten zu erschüttern.


    Der Roman "Rachegöttin" von Tim Willocks (im Original schöner: "Blood-Stained Kings") ist ein sehr noirer Thriller, irgendwo zwischen Orson Welles'scher Verdorbenheit in "Im Zeichen des Bösen" und Humphrey Bogarts Kampfesunlust in "Gangster in Key Largo"; wenn man denn Film-Noir-Vergleiche bemühen möchte... Auf außergewöhnliche Weise werden in diesem Roman mehrere Personen durch ein unglaubliches Ränkespiel voller Bosheit und Gewalt geführt - bis das Buch mit einiger Feuerkraft in einem leider recht konventionellen, wenn auch apokalyptischen Showdown endet. Ab einem bestimmten Maß an asozialer Bösartigkeit (das in diesem Roman überschritten wird) scheint die vollständige Auslöschung der Bösewichte gerechtfertigt, bevor sie sich dank ihres altehrwürdigen Einflusses und ihrer auf Kosten aller angehäuften Geldmittel der Strafverfolgung nur wieder entzögen. Eine teuflisch spannende, körperlich mitnehmende Kampfansage gegen das gut situierte Böse.


    "Die Guten" sind aufgeschlossene, renitente Widerständler, die sich von Obrigkeiten nicht alles gefallen lassen, "die Bösen" dagegen abgrundtief schlechte, engstirnige Machtmenschen und Rassisten. Der Figurenzeichnung kommt es sehr zupass, dass Tim Willocks ein psychologisch geschulter Autor ist, da alle Charaktere stark traumatisierende Erfahrungen machen mussten (und weiterhin machen müssen). Es wird viel gelitten auf diesem schwülen, gewalttätigen Roadtrip, doch dass sich die leidenden Protagonisten im Angesicht des Terrors einander nähern, vermag Willocks ebenso anrührend einfach zu beschreiben, wie er es vermag, ihrem Schicksal Steine in den Weg zu legen und dabei die Spannung sich mal langsam steigern, mal plötzlich sich entladen zu lassen.


    Doch die vielleicht größte Errungenschaft des Romans ist die Figur des Deutschen Schäferhundes Gul, die an der Seite der Hauptfigur Cicero Grimes als kaum gezügelte Urgewalt wütet und wie ein vollwertiges Ensemblemitglied behandelt wird - und dem Aufeinanderprallen der zweibeinigen Gegenspieler endgültig die notwendige animalische Grundierung verpasste, um jeden Glauben an die Güte und Großartigkeit der menschlichen Zivilisation zu zerstreuen, gäbe es da nicht eine Flamme der Hoffnung, die in den Herzen weniger brennt, deren Sinn nicht nur auf das Vorankommen der eigenen Person gerichtet ist. Am Ende wird aus dem Hass als letzter oft notwendiger Quelle an Lebensenergie zum Glück auch wieder ein Funken Liebe geschlagen.


    (Eigenzitat von amazon.de)

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "God's Country" (126/223)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 55 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Martinson "Schwärmer und Schnaken" (15.04.)

  • Diese englische Taschenbuchausgabe von 1998, Originaltitel "Bood-Stained Kings", ist immer noch lieferbar:

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "God's Country" (126/223)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

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