James Sallis - Driver / Drive

  • Autor (Quelle Internet ... so machts die Tagesschau auch :wink: ): James Sallis wurde 1944 in Arkansas in den Vereinigten Staaten von Amerika geboren. Neben seinen Kriminalromanen - von denen dank "Driver" und Deutschem Krimipreis auch gegenwärtig wieder einige erscheinen (bekannt ist außerdem noch die Serie um den schwarzen Privatdetektiv Lew Griffin) - ist er auch Verfasser von Gedichten und Sachbüchern, Herausgeber von Buchanthologien über Jazz, Musiker und Übersetzer aus dem Französischen, Spanischen und Russischen ins Englische von Autoren wie unter anderem Raymond Queneau, Blaise Cendrars, Yves Bonnefoy, Pablo Neruda, Michail Lermontow, Boris Pasternak, Alexander Puschkin und Marek Hlasko.


    Inhaltsbeschreibung laut Klappentext: Driver ist kein Verbrecher. Jedenfalls nicht im engeren Sinne. Er ist nur der beste Stuntfahrer, den man in Hollywood kriegen kann. Und manchmal fährt er bei Raubüberfällen den Fluchtwagen, obwohl ihn das gar nicht so richtig interessiert. Genauso wenig wie die Hollywoodfilme. Eigentlich will er nur fahren. Aber dann läuft einer dieser Überfälle schief, und Driver findet sich in einem schäbigen Motel in Arizona wieder, mit mehreren Leichen im Zimmer und einer Tasche voller Geldscheine. Eigentlich sollte auch er tot sein, denn der Raubüberfall war eine abgekartete Sache ...


    Die Vorlage des herausragend guten Films. James Sallis pflegt weiterhin seine sehr elliptische Erzählweise, die es verhindert, den Personen allzu nahe zu kommen. Der Roman gleicht einer Versuchsanordnung zum Thema Schicksal: So ist das Leben, der Mensch kann halt nicht anders. Kein Wort zu viel. Keine Beschreibungen von langweiligen, aber notwendigen Handlungen, die die einzelnen Szenen verbinden, keine notwendigen Zwischenschritte, keine Dinge, die man schon dutzendfach gesehen hat, kein "nachdem er leise seufzend über sein bisheriges Leben nachgedacht hatte, öffnete er die seit seinem Unfall verzogene Verandatür, die wirklich einmal - Jenny hatte es ihm oft gesagt - einen Tropfen Öl vertragen würde können, um den nächsten Schritt zu tun". Was langweilig ist, wird nicht erzählt.


    Dieser Roman ist ein auf das mythische Einzelgänger-Grundgerüst heruntergehungerter Asphalt- und Gangsterthriller ohne Thrill. Er ist sicherlich nicht "der perfekte Kriminalroman", zu dem ihn das aus Werbezwecken verbreitete New-York-Times-Zitat erheben will, aber große Kunst allemal!

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "God's Country" (126/223)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 55 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Martinson "Schwärmer und Schnaken" (15.04.)

  • Die Originalausgabe erschien 2005 unter dem Titel "Drive" (interessante Fokusverschiebung in der deutschen Übersetzung). Dies ist eine Neuauflage von 2012 mit wie ich finde sehr schönem Cover-Artwork:

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "God's Country" (126/223)


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  • Wow, was für ein tolles Buch ! Bisher kannte ich nur den genialen Film, aber diese knapp 160 Seiten sind ebenfalls grandios!

    James Sallis pflegt weiterhin seine sehr elliptische Erzählweise

    Jetzt weiss ich auch, was eine elliptische Erzählweise ist: alles unnötige wird einfach weggelassen. Da wird nichts erklärt, nichts strukturiert, keine inneren psychologischen Monologe, die Geschichte springt zeitlich hin- und her, die Handlung und erst recht die Dialoge sind nicht nur gestrafft, sondern auf das wesentlichste reduziert. Der Klappentext sagt ja schon "Da ist kein Satz zu viel, kein Attribut, kein Verb. (F.A.Z.)" Das ist als Werbegag ja schnell draufgeschrieben, aber hier passt es 100%
    Bereits auf der ersten Seite steckt unser namenloser Held zwischen zwei Leichen und einer Tasche voller Geld. Man ist somit nach einem Satz mittendrin im Geschehen; nach und nach erfährt der Leser etwas über Drivers Vorleben, und was beim letzten Einsatz schief gelaufen ist. Aber das meiste bleibt ungesagt und der Leser muss sich viele Dinge selbst zusammenreimen. Das ist vielleicht ungewohnt, und es gibt sicher eine Menge Leser, die genaue Erklärungen wünschen Wie, Wo, Wann, Was, aber für mich machte genau diese bruchstückhafte, verworrene Erzählweise den Reiz aus. Denn die Geschichte selbst wäre ja sonst zu banal: ein namenloser Held gerät auf die schiefe Bahn, ähnlich einem einsamen Cowboy in der Neuzeit, wird bei einem Überfall hintergangen und muss sich gegen die Mafia oder sonstige Verbrecherbanden zur Wehr setzen. Klingt wie der Plot aus einem Billigfilm, aber eben - auf die Erzählweise kommt es an, und daher kann ich nicht nur das Buch, sondern auch den Film (mit Ryan Gosling als Driver) dringend weiterempfehlen.
    Den zweiten Band habe ich mir direkt bestellt, und nach weiteren Romanen des Autors werde ich sicher Ausschau halten.

  • @Jean van der Vlugt, ich war so frei und habe eben mal in Dein Regal geschaut, welche Bücher Du von Sallis noch so gelesen hast - damit ich weiss, was ich mir evtl als Nächstes vornehmen sollte. Dabei fiel mir auf, dass Du zwar ne Menge Bücher von ihm besitzt, aber direkt nach "Driver" das Buch "Deine Augen hat der Tod" gelesen, mit 3 Sternen bewertet, und anschliessend scheinbar die Finger von dem Autor gelassen hast. Klingt also nicht gerade nach einer Empfehlung, mit dem Buch weiter zu machen. Kennst Du noch mehr Romane von James Sallis, oder einen anderen Autor mit ähnlicher Erzählweise ?

  • @Nungesser: Ich habe sie allerdings in der anderen Reihenfolge gelesen, zuerst den Roman mit dem schwarzen Privatdetektiv Lew Griffin, der inzwischen erneut unter einem anderem Titel herausgekommen ist. Einige Lew-Griffin-Romane erschienen Anfang der 2000er-Jahre in der sehr, sehr guten Dumont-Noir-Reihe, aus der ich eigentlich alles empfehlen kann. Doch damals war ich für diese sehr spröde Erzählweise wohl (noch?!) nicht bereit. Man muss halt höllisch aufpassen! :wink:


    "Driver" habe ich nach dem Film erst gelesen. Danach bewunderte ich den Film noch ein Stückchen mehr, wie das Drehbuch dem Stoff "Emotionen" beigegeben hat, ohne die ursprüngliche Kaltschnäuzigkeit zu verraten. Im Grunde finde ich die Verfilmung ziemlich gleichwertig, wenn nicht sogar einen Tick besser als die Vorlage, was ja eher selten ist.


    Was eine ähnliche Erzählweise angeht, denke ich gerade an die Krimis von Jerome Charyn, in denen der Cop Sidel nach und nach die Karriereleiter aufsteigt. Erst Bürgermeister von New York, schließlich sogar Vizepräsident der USA. Allerdings sind diese Romane, von denen ich weiß Gott noch nicht alle gelesen habe, nicht sooo spröde (wenn auch absolut eigenwillig - ein wenig in Richtung der HBO-Serie "The Wire"). Ansonsten fällt mir nur Dashiell Hammett ein, aber den kennst Du ja selber! :wink:

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "God's Country" (126/223)


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