Ray Bradbury - Vom Staub kehrst Du zurück / From the Dust Returned

  • Ein auf frühen Entwürfen der 1940er-Jahre und bereits entwickelten Kurzgeschichten aufgebauter Roman in Erzählungen, wie Ray Bradbury ja einige schrieb, verfasst im Jahre 2001. Manche der Stories in "Vom Staub kehrst Du zurück" ähneln eher kleinen hingehuschten Skizzen, vieles wird gewissermaßen nicht künstlich aufgebläht, Charaktere tauchen auf und verschwinden in einem Pandämonium aus entfernten Verwandten, Spukgestalten und übersinnlichen Erscheinungen oft nahezu unbekannter Natur: Dazu zählen zum Beispiel auch die "flüsternden" Scharniere einer Pforte in der Stadtmauer zu Theben, in deren Quietschen die Gläubigen hellsinnig die Stimmen ihrer Götter zu hören wähnten. Man sieht, es tauchen nicht nur gängige Geisterformen auf, was sehr erfrischend ist!


    Außerdem gibt es einige sehr anrührende, melancholische Momente und mindestens zwei ganz wunderbare Episoden. Dennoch kommt es mir insgesamt so vor, als hätte ich ein Thesenbuch gelesen, das in deutlicher Form den Abgesang auf ein Zeitalter der Geschichtenerzähler, der weißen Flecken auf den Landkarten, der Ungewissheit, des wohligen Geisterglaubens, des Zweifels und des Dämmerlichts singen will. Wenngleich das ein löbliches und wichtiges Unterfangen in einer global vernetzten, abgeklärten Welt darstellt, mag der Funke zu mir nicht ganz überspringen. Vielleicht war mir der Aufhänger des kleinen "normalen" Jungen innerhalb einer Familie aus Schattenwesen zu fern. Ferner jedenfalls als die doch allgemeingültigere Grundierung, die etwa Bradburys Buch "Löwenzahnwein" kennzeichnet: der Abschied von der Jugend gepaart mit dem Abschied von der vergnügten Sommerzeit am Ende der heißen Tage, angesiedelt in einem ländlichen Amerika der Großeltern, das ebenfalls ein schon rein nostalgischer Ort zu sein scheint. Wie gesagt: In "Löwenzahnwein" herrscht direkt nachempfindbare Melancholie an allen Ecken, während sie in "Vom Staub kehrst Du zurück" eher thesenhaft zutage tritt.


    Insgesamt hier also mehr Atmosphäre als Inhalt und zum großen Wurf fehlt's ein bisschen an Substanz, obwohl einige Szenen und die melancholische, so lyrisch wie grimmige Grundstimmung lange im Gedächtnis bleiben. Für Bradbury-Aficionados dennoch natürlich ein Pflichtprogramm. Aber auch Freunde gepflegten Geschichtenerzählens sollten eine Zeit lang ihre Freude daran haben.


    P.S. Obwohl ich die Comiczeichnerin Lillian Mousli eigentlich sehr mag, passt das von ihr gestaltete Covermotiv leider überhaupt nicht zu dem Stil der Geschichte. Erst wünschte ich mir das passende "Homecoming"-Motiv von Charles Addams, dann freute ich mich, dass das Buch überhaupt auf Deutsch erschienen ist. Das ist ehrlich gesagt überhaupt ein Wunder - in der die alten Helden oft vergessenden deutschen Verlagslandschaft ...

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "God's Country" (41/223)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 55 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Martinson "Schwärmer und Schnaken" (15.04.)

  • Der Originaltitel lautet: "From the Dust Returned". Der preiswerte 2002er-Reprint der Hardcover-Veröffentlichung von 2001 sieht so aus:

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "God's Country" (41/223)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

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