Howard Browne - Der Geschmack von Asche (Tödliche Schatten)/ The Taste of Ashes

  • Dies ist der erste von mir gelesene Roman Howard Brownes, einem in Deutschland nicht sonderlich bekannten US-amerikanischen Kriminalschriftsteller, Groschenheftredakteur und Drehbuchautoren. Gekauft hatte ich mir diesen Roman, da auf dem Rückumschlag stand, er wäre von amerikanischen Kritikern unter die zehn besten Privatdetektivromane aller Zeiten gewählt worden und ich mal schauen wollte, was die amerikanischen Kritiker so mögen. Aus dem Regal gezogen habe ich den Roman, als ich Lust auf eine klassische Schnüfflergeschichte in bester Ich-Erzählung-Manier, mit Whiskey in der Schreibtischschublade und anderen heute überholten Klischees hatte.


    Und ich muss sagen, dass dieser Roman aus dem Jahr 1957, als all solche Hard-Boiled-Klischees eigentlich auch schon alte Hüte waren, erstens gar nicht so viele davon zu bedienen sucht und zweitens einen sehr frischen Tonfall anschlägt. Darum gehts übrigens: Mindestens zwei Morde werden als Selbstmorde dargestellt - so die Vermutung - und eine gepflegte Kleinstadt samt ihren Honorationen stellt sich nahezu in Gänze gegen die Ermittlungen Paul Pines, Detektiv mit selbstironischer Haltung (hier in seinem vierten und letzten Fall - danach hat sich Howard Browne mehr um Fernsehkrimis wie u.a. 77 Sunset Strip, Rockford, Columbo und Simon&Simon gekümmert.)


    Sehr unterhaltsam zu lesen: wie Paul Pine unerbittlich nicht locker lässt, immer noch eine Frage stellt, während sein Gegenüber schon mit den Knöcheln knackt. Wie er wie an einem Gummiband befestigt immer wieder zurückkommt nach da, wo es wehtut (ja, er kriegt auch ordentlich was drüber). Wie der Detektiv aus Chicago die ach so ehrwürdigen, manchmal reichen und eigentlich immer höflichen Vorstädter zur Weißglut reizt, als er nicht verschwinden will aus ihrem Vorgarten.


    Sehr angenehm zu lesen: dass Paul Pine nicht als stereotyper Weiberheld gezeigt wird, der jedem Rock erliegt, auch wenn das Ärger gibt (als ihn eine Dame im Bett überraschen möchte, schmeißt er sie prompt raus - wenn auch nicht schnell genug, die Probleme klopfen schon an die Tür, tja!) und auch nicht als völliger Schluckspecht, der durchs Saufen einfach vergessen möchte, wie schlecht die Welt ist und dem der Autor auf diese Weise billig eine Wilder-Hund-und-Außenseiter-Attitüde an den Kragen heften möchte.


    Sehr spannend zu lesen: wie sich Paul Pine aus den Anschuldigungen und Fallstricken befreit, die gegen ihn angeführt werden (inklusive einer Anklage wegen Unsittlichkeit und Gefängnis), damit er seine Ermittlungen (im Auftrag einer trauernden Witwe) fallen lässt. Bei solchen Stories ist es zwar, um etwas Licht in die Verworrenheit des Falles zu bringen, als Leser nie verkehrt davon auszugehen (jedenfalls wenn man am Mitraten Spaß hat), dass dann wahrscheinlich doch alle - auch die, von denen man es natürlich am wenigsten erwarten würde, Dreck am Stecken haben oder ein falsches Spiel spielen (Merke: "Never Trust A Double-Crossing Dame"), dennoch war ich von der Auflösung dieser Geschichte überrascht bzw. keineswegs enttäuscht.


    Paul Pine gefällt mir gut: ein Detektiv als Stehaufmännchen, der zwar eigentlich nur sein Geld und keinen übermäßigen Ärger will, dann aber doch nicht ruhen kann, bis er alles aufgeklärt hat und jedem Schweinehund, jedem Gernegroß und jeder doppelzüngigen Frau die Meinung sagen konnte. Ein moralischer Held also! "Der Geschmack von Asche" ist eine sehr flüssig geschriebene Einer-gegen-alle-Geschichte mit leichtem Pulp-Touch - spannend, manchmal leicht irre, macht ziemlich viel Spaß und die Fiesen kriegen ihr Fett weg. Was will man mehr?!


    (Eigenzitat von amazon.de)

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "Die Bäume" (214/365)


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    O:-) Letzter Kauf: Esch "Supercool" (24.03.)