Leonardo Padura - Ketzer / Herejes

  • BEVOR JEMAND AUF DIE IDEE KOMMT ZU FRAGEN: Nein, es liest sich nicht wirklich wie ein Krimi. Zwei Teile sind historisch und einer kriminalistisch. Die Einordnung hier ist ein Kompromiß.


    Klappentext:


    Havanna
    Amsterdam
    London


    Sensation auf dem Kusntmarkt: Ein bislang unbeaknntes "Christus-Porträt" von Rembrandt taucht bei einer Auktion in London auf. Wer ist der Eigentümer? Wurde es aus Kuba zur Auktion eingeliefert? Mario Conde macht sich auf die Suche nach den Geheimnissen des Christusbildes und der Familie Kaminsky. Der Fall führt ihn durch die Jahrhunderte. Die Spur zieht sich um die halbe Welt.


    Eigene Beurteilung(Eigenzitat aus amazon.de:


    Wie ein religiöser Text ist dieser Roman aufgeteilt in "Das Buch Daniel" (ausgehend von 2008 wird eine Geschichte erzählt, die ihren Ausgang im Jahr 1939 nimmt), "Das Buch Elias" (im 17. Jahrhundert in Amsterdam, als ein junger jüdsicher Mann gegen das Verbot des Rabbinerrates Maler werden möchte - mit Rembrandt als Lehrer) und schließlich "Das Buch Judith" (2008: Das Verschwinden einer jungen Emo, dem El Conde nachspürt und dabei ganz neue Dinge lernt) und schließlich "Das Buch Genesis" (in dem alle Fäden zusammengeführt werden).


    In allen Erzählungen spielen „Ketzer“ eine wichtige Rolle, wobei der Begriff hier seine ganz eigene Belegung findet. Damit einhergehend stellt sich immer wieder die Frage, was es eigentlich bedeutet frei zu sein und wie leicht es ist, die Zerbrechlichkeit von Freiheit zu realisieren, wenn man in einem Land aufwächst, dass einem allerlei Freiheiten zu geben scheint. Auch zeigt sich in diesem Buch immer wieder, wie Regierungen, religiöse Autoritäten und andere oftmals versuchen, zum Schutz dieser Freiheit einige andere einzugrenzen. Das Gleichgewicht von Freiheit und Sicherheit, das sich seit dem Fall der Zwillingstürme des World Trade Centers die Gesetzgebungen vieler Länder zugunsten der Sicherheit verschoben – und dies oft eher stillschweigend – ist auch hier unterschwelliges Thema der Betrachtungen.


    Das Buch endet schließlich nach den Danksagungen mit einer kleinen persönlichen Darstellung der Entstehungsgeschichte dieses Romans durch Leonardo Padura selbst. Und an dieser Stelle findet es auch wieder zu seiner Sprache zurück. Denn El Conde ist eher eine Reflektionsfigur in diesem Roman, durch dessen Augen und Ohren wir die verschiedenen anderen Geschichten wahrnehmen, die dann auch jeweils in einer anderen Erzählstimme dargestellt werden – außer im Buch Judith, in dem El Conde die größte Rolle spielt. Dabei ist es sicherlich Geschmackssache, wie einem die einzelnen Erzählstimmen gefallen, aber speziell nach den langen Erzählteilen Elias‘ im „Buch David“ und der fast ausschließlichen Darstellung aus der Zeit heraus des „Buchs Elias“ kommt Padura im „Buch Judith“ nicht wirklich zu seiner eigenen Erzählstimme für El Conde zurück, was das Lesen ein wenig erschwert.


    Insgesamt hat Padura für dieses Buch – genau wie für „Der Mann, der die Hunde liebte“ – umfänglich recherchiert und dabei in zum Teil sehr unterschiedliche Richtungen. Dadurch wirkt das Buch insgesamt uneinheitlich und gelegentlich beschlich mich beim Lesen das Gefühl, man hätte das hier gesammelte Wissen besser auf zwei voneinander eher unabhängige Geschichten verteilt. Dabei sind die Hintergründe alle nicht uninteressant und es ist auf jeden Fall schön El Conde und seine Freunde wiederzutreffen. Aber es bleibt doch das Gefühl einer Lektüre, die hinter ihren Möglichkeiten zurückgeblieben ist.

  • Ich fand das Buch sehr tiefgründig. Mich bewegt es immer noch, obwohl ich es schon im Juli gelesen habe.
    Zum Inhalt brauche ich nichts weiter hinzuzufügen, es ist alles gesagt.


    Ich fand es faszinierend, mitzuerleben, wie Padura jeder beschriebenen Epoche seine Ketzer herauszeichnete.
    Da ist im ersten Teil "Das Buch Daniel" ein Flüchtling. Er floh aus dem sich seinerzeit erstarkendem Nazideutschland nach Havanna. Aufgrund seiner Erlebnisse wand er sich vom jüdischen Glauben ab, wollte ein waschechter Kubaner werden.
    Im "Buch Elias" möchte ein Jude malen lernen. Das verbietet ihm sein Glaube und doch schafft er es, bei Rembrandt in die Lehre zu gehen.
    Im "Buch Judith" lehnt sich eine junge Emo gegen die Gesellschaft auf, in der sie lebt ...


    Ein Roman (kein Krimi), der zum Denken anregt - auch im Hinblick auf unsere derzeitige Flüchtlingsdebatte ...


    :winken: Andreas