Louise Erdrich - Das Haus des Windes / The Round House

  • Kurzmeinung

    frettchen81
    Geschichte ist nicht schlecht, aber der Erzählstil gefällt mir nicht. Zu getragen.
  • Es ist der Sommer, in dem Joe, soeben 13 Jahre alt geworden, erwachsen wird. Seine Mutter wird Opfer eines brutalen Überfalls, doch aufgrund gesetzgeberischer Unstimmigkeiten fühlt sich keine Ermittlungsbehörde wirklich zuständig. Joe und seine drei Freunde machen sich gemeinsam auf die Suche...
    Das Verbrechen an Joes Mutter ereignet sich im Jahre 1988 in einem Reservat in den USA. Obwohl es sich bei dem Vorfall um die zentrale Geschichte des Buches handelt, ist es doch nur ein Part unter vielen. Joe und seine Freunde lernen die Liebe kennen, es geht um die alten Mythen der Indianer, um Familie, Liebe, Gerechtigkeit, Rassismus undundund.
    Erdrich ist nicht nur eine Könnerin darin, in beiläufigen Bemerkungen ganze Dramen aufzuzeigen wie beispielsweise die damals noch immer massive Diskriminierung der Indianer oder der Bombenanschlag auf die US-Botschaft in Beirut. Ebenso grandios ist ihre Fähigkeit, daneben überaus witzige Dialoge oder Szenen wie die acht nackten Indianer, die aus der Schwitzhütte flüchten zu beschreiben, ohne dass es aufgesetzt oder gekünstelt wirkt. Auch die Figuren des Romans bringt sie einem nahe: Man leidet, fürchtet oder freut sich mit ihnen und kann deren überaus skeptische Haltung gegenüber den Menschen ausserhalb des Reservates mehr als nachvollziehen. Ja, da fragt man sich, wie Joes Vater trotz alledem so voller Vernunft bleiben kann.
    Weshalb dann nicht die volle Punktzahl? Weil ich kurz zuvor von Joe R. Lansdale 'Ein feiner dunkler Riss' gelesen habe, das ein sehr sehr ähnliches Thema behandelt: Ein ebenfalls 13jähriger macht sich im Sommer des Jahres 1958 gemeinsam mit Freunden auf, ein vor vielen Jahren begangenes Verbrechen aufzuklären. Und auch hier ist es ein Sommer des Erwachsenwerdens. Doch Lansdales Geschichte war (etwas) packender, was daran liegen mag, dass durch die vielen unterschiedlichen Teile Erdrichs Geschichte nicht so aus einem Guss wirkte. Etwas weniger wäre hier vielleicht mehr gewesen.
    Nichtsdestotrotz: Voll und ganz empfehlenswert (und Lansdale natürlich erst recht ;-)).

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • Joe lebt in einer privilegierten indianischen Familie, beideEltern haben Jobs bei der Stammesbehörde, er wächst in einer liebevollen undbehüteten Umgebung auf. Er bewundert seinen Vater, einen Stammesrichter, den erfür einflussreich und gerecht hält. Er steht inmitten der Pubertät und zusammenmit seinen Freunden, träumt er von Mädchen und vor allem vom Busen seiner TanteSonja. Alles ist im Umbruch und seine Welt stürzt zusammen, als seine Mutter angegriffenund schwer verletzt wird. Es war nicht nur eine Vergewaltigung, der Täterversuchte sie zu verbrennen und mit letzter Kraft gelang der Mutter die Flucht.Sie zieht sich daraufhin traumatisiert und sprachlos in sich zurück.
    Joe muss erkennen, dass Stammesangelegenheiten die Behördennicht interessieren und da der Täter ein Weißer war, ist weder das FBI, nochdie Polizei übermäßig engagiert. Nun beginnt Joe, zusammen mit seinen Freundenselbst nach Spuren zu suchen.
    Louise Erdrich ist durch ihre indianischen Vorfahren selbstder Welt der amerikanischen Ureinwohner sehr nahe. Sie schildert das Leben imReservat, mit all seinen Einschränkungen und Ungerechtigkeiten, aber auch derVerbundenheit der Stammesmitglieder, ihren Erzählungen und Liedern und altenÜberlieferungen. Mit der Figur des uralten Mooshum gibt sie diesem Teil einelebhafte und anrührende, manchmal auch schreiend komische Stimme. Wie überhauptein immer wieder Witz und Situationskomik aus der Sicht von Joe und seinenFreunden, die eindringliche Geschichte begleiten. Tragik und Witz liegen imLeben manchmal sehr nahe beieinander. Joe, inmitten der Pubertät, träumt nichtnur lebhaft von seiner Tante Sonja, er trifft sich mit seinen Freunden zumheimlichen Rauchen und auch der bigotte, frömmlerische katholische Priesterwird Zielscheibe ihrer Streiche. So kann sich Cappy nach einer angeblichenBekehrung und Beichte nur mit Not und Schnelligkeit aus dem Beichtstuhl retten.
    Alle Figuren des Romans haben sofort zu mir gesprochen, siesind lebendig und echt, das macht für mich die Faszination dieses großartigenBuches aus. Liebevoll schildert die Autorin selbst Nebenfiguren und ihrSchicksal. Oft sind es grade diese kleinen Begebenheiten, die besonderseindrücklich im Gedächtnis bleiben.
    Louise Erdrichs Sprache ist schnörkellos und unmittelbar,man kann sich dem Sog nicht entziehen, den die Geschichte entwickelt.
    Das Haus des Windes ist eindrücklicher Roman, der mich überdie unmittelbare Lektüre hinaus, weiter beschäftigt und der auch moralischeFragen aufwirft zu Recht und Gerechtigkeit.

  • North Dakota Indianerreservat 1988. Der 13-jährige Joe wartet mit seinem Vater, einem Stammesrichter, auf die Rückkehr der Mutter Geraldine, die bald von der Arbeit nach Hause kommen soll. Doch Geraldine verspätet sich, sie wird brutal misshandelt und vergewaltigt. Als Joe und sein Vater sie finden, ist sie schwer traumatisiert, spricht nicht mehr und zieht sich in sich zurück. Die Familie versucht, mit der Grausamkeit fertig zu werden, doch nichts ist mehr wie vorher und das macht besonders auch Joe zu schaffen. Er beschließt, selbst herauszufinden, wer seiner Mutter diese Gewalt angetan hat, scharrt seine Freunde aus dem Reservat um sich und macht sich auf die Suche. Doch wird das Auffinden des Täters endlich wieder Normalität in ihrer aller Leben bringen?


    Louise Erdrich hat mit ihrem Roman „Das Haus des Windes“ einen sehr atmosphärisch dichten und fesselnden Roman vorgelegt, der den Leser besonders durch die exzellente Erzählweise der Autorin in Atem hält und ihn nicht loslässt, auch wenn das Buch schon längst gelesen ist. Der Schreibstil ist flüssig und erzählt sehr eindringlich die Handlung aus der Sichtweise des jungen Joe. Dabei lässt die Autorin dem Leser genügend Raum, um die mal humorvollen, mal bedrückenden Zwischentöne zwischen den Zeilen wahrzunehmen. Da sie selbst indianische Wurzeln hat, hat Erdrich das Miteinander in einem Indianerreservat mit all seiner Kultur und seinem Glauben an Mythen und Legenden sowie einer eigenen Rechtsordnung sehr gut mit ihrer Handlung verweben können. Sie zeigt auch den Konflikt zwischen den Ureinwohnern und den Neuamerikanern und den immer noch herrschenden Rassismus auf, mit dem die Indianer zu kämpfen haben.


    Die Charaktere wurden von der Autorin sehr sensibel und feinfühlig besetzt und wirken authentisch und sehr lebendig. Dem Leser bleibt gar nichts anderes übrig, als mit ihnen zu leiden, zu bangen und zu hoffen und all seine Sympathie für die Suche nach Gerechtigkeit in die Waagschale zuwerfen. Geraldine ist eine stolze Frau, die mit der Tat nicht zurecht kommt, sich aber auch niemandem anvertrauen will. Sie glaubt, wenn sie es totschweigt, dann geht es schon weg und alles wird wieder normal. Doch sie macht sich nur etwas vor. Ihr Ehemann setzt alles daran, durch seine Funktion als Richter die Aufklärung des Falles zu forcieren und so seine Familie zu retten. Joe kommt gerade ins Teenager-Alter, hat die normalen Interessen wie alle Jungen in dem Alter. Er versucht sich im Rauchen und Trinken, will erwachsen sein, nabelt sich langsam von seinen Eltern ab und verbringt viel Zeit mit seinen Freunden. Joe hat Wünsche und Träume, doch die Tat an seiner Mutter bringt seine ganze Welt durcheinander. Von jetzt auf gleich ist alles anders, alles zerbrochen, was er vorher kannte, und das macht ihm nicht nur Angst, sondern auch wütend und hilflos. Er will sich damit nicht abfinden und mit Hilfe seiner Freunde dieTat rächen.


    „Das Haus des Windes“ ist ein wunderbarer mitreißender Roman über die Zerstörung einer Familie, das Erwachsenwerden, die Freundschaft und die Frage von Schuld. Ein absolutes Lesehighlight für alle, die intensive und berührende Geschichten lieben und die sich auch hinterher noch lange daran erinnern möchten. Sehr gut gemacht - Chapeau!


    Verdiente :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: !!

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Rassismus in Amerika – da denkt man an Schwarze (oder wie muss man sie zur Zeit politisch korrekt nennen?), an die Unruhen der 1970er Jahre, an die gegenwärtige Ungleichbehandlung vor Gerichten oder die immer noch herrschende Trennung in unterschiedliche Wohnviertel.
    Die Indianer fallen nicht sofort ein, und dabei waren sie die ersten, die mit der weißen Herrschaft kämpften und sich erst nach und nach im Laufe der Jahrhunderte Rechte ertrotzten. Dennoch: Ein großer Teil ihrer Kultur, Bräuche und Religion wurde zu Folklore herabgestuft, und Land zu erwerben ist nur in Reservaten möglich.


    Ohne diesen Hintergrund wäre das Buch einfach ein Familienroman, wie ihn vor allem AmerikanerInnen so großartig schreiben. Hier wird eine besonders glückliche Familie durch das Verbrechen an der Mutter zerstört, vor allem, weil der Täter wegen Gesetzen über die Zuständigkeit von Behörden nicht dingfest gemacht werden kann, obwohl man ihn kennt.


    In diesem Buch habe ich gefunden, was ich an Büchern besonders mag (und warum ich überhaupt lese): Ich wurde von der Handlung gefesselt - nicht immer Sinne einer Krimispannung, sondern vom Zusammenspiel der Figuren und ihren Entwicklungen-, ich habe mich bestens unterhalten – manchmal laut gelacht, was mir nicht oft passiert – und ich habe einiges gelernt über Indianer, Reservate, Gesetze und Bräuche.


    Natürlich geht es ohne Meckern nicht:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Marie was Du im Spoiler schreibst, wurde aber doch bereits auf S. 25 angekündigt - insofern hat die Autorin ihre Geschichte nur konsequent durchgeschrieben und aus ihrer Andeutung mit diesem Ende einen Fakt der Geschichte geschaffen. Vielleicht war das auch nötig, denn

    Aber ich hab grad noch einen ganz anderen Gedankengang, der mir durch den Kopf geht und mir grad Probleme bei der Bewertung der Gesamtgeschichte bereitet:

  • Squirrel , das Buch ist mir zwar im Groben und Ganzen im Kopf, aber Einzelheiten gingen in den über zwei Jahren verloren.


    Was die Justiz angeht: Wir wissen von Amerika (leider nicht nur von dort), dass es mehrere Sorten Gerechtigkeit zu geben scheint und dass Ermittlungen, Beurteilungen und Strafen für Gesetzwidrigkeiten anders ausfallen je nach Hautfarbe, Geldbeutel oder gesellschaftlichem Ansehen. Insofern ist die Handlung verständlich.


    Das andere ist die Einstellung zur

    Ich habe schon ein paar Bücher amerikanischer Autoren gelesen, die diesen Komplex positiv darstellen. Es ist, denke ich, die

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Was die Justiz angeht: Wir wissen von Amerika (leider nicht nur von dort), dass es mehrere Sorten Gerechtigkeit zu geben scheint und dass Ermittlungen, Beurteilungen und Strafen für Gesetzwidrigkeiten anders ausfallen je nach Hautfarbe, Geldbeutel oder gesellschaftlichem Ansehen. Insofern ist die Handlung verständlich.

    Da bin ich ganz deiner Meinung, leider ist die Realität genau so wie Erdrich sie schildert. Und auch mit deiner Mentalitäts-Einschätzung im letzten Spoiler geh ich konform, nur finde ich diesen irgendwie zu positiv dargestellt trotz aller Gedanken und Niederlagen, die sie Joe zuschreibt


    Damit tu ich mir grad ein wenig schwer, obwohl ich das Buch insgesamt hervorragend finde, toll geschrieben, herrlich realistische, teils skurrile Charaktere, alle für mich glaubhaft in ihrer Darstellung und in ihrem Verhalten. Und ich als Mensch würde mir vermutlich an ihrer Stelle auch genau so ein Ende wünschen ... und trotzdem weiß ich für mich nicht, wie ich die recht positive Darstellung dessen für mich werten soll :scratch:

  • Ich nochmal :winken:


    Ich hab ja jetzt lange darüber nachgedacht und ich hatte es tatsächlich geschafft, dass wir das Buch in meinem Lesekreis lesen. Freitag haben wir uns getroffen und ich war überrascht über die Reaktionen: wir sind 6 Leser, aber nur zwei finden das Buch richtig gut. Wir zwei haben das Buch genau gleich empfunden, eben wie auch Marie und sind begeistert. Die anderen finden es viel zu brutal und auch unglaubhaft. Sie stört

    und finden, dass der Plot auch überall auf der Welt so geschrieben sein konnte. Da waren wir anderen beiden komplett anderer Meinung. Ich glaube nicht, dass

    und die Gründe, die dazu führen, an anderer Stelle so platziert werden könnte und schon gar nicht in Europa mit seiner ganz anderen Kultur. Ein Argument gegen den Plot war auch, dass zu wenig auf die Eigenheiten des Settings, das Leben in einem Reservat mit all seinen Problemen, die Geschichte der indigenen Völker eingegangen wurde. Aber das finde ich nicht: die Autorin lebt in dieser Welt und sie hat das Buch ja nicht für Menschen geschrieben, denen diese Problematik unbekannt ist, sondern wohl in erster Linie für das amerikanische Lesepublikum, das mit der Thematik auf ganz anderer Ebene vertraut ist.

    Es war eine sehr lebhafte Diskussion, was ja spannend ist, aber wir kamen tatsächlich auf keinen gemeinsamen Nenner, blieben im Verhältnis 2 : 4 in der Bewertung des Buches. Aber mir hat die Diskussion geholfen in meinen Gedanken und ich konnte mich mit genau diesem einen Punkt aussöhnen. Ich finde das Prinzip noch immer nicht gut und ziemlich positiv dargestellt, aber ich kann es nachvollziehen in genau diesem Setting.

  • Inhalt

    Stell dir vor, ein Familienangehöriger wird Opfer einer Gewalttat und niemand fühlt sich für die Beweismittelsicherung und die Verfolgung des Täters zuständig. So passiert es dem jungen Indianer Joe, dessen Mutter brutal vergewaltigt und misshandelt wird und der als Icherzähler die Ereignisse im Rückblick Revue passieren lässt. Die Tat geschieht an einer abgelegenen Stelle, so dass Joe und sein Vater befürchten müssen, der Täter könnte ein Stammesangehöriger sein. Ob der mögliche Tatort auf Stammesgebiet, öffentlichem oder privatem Grund liegt, entscheidet darüber, ob und von welcher Behörde ermittelt wird. Joes Vater trifft es als Richter innerhalb seines Stammes besonders tief, dass die Justizorgane der Weißen an der Verfolgung von Gewalttaten auf Stammesgebiet kaum Interesse haben. Der Vater will seinen Sohn zwar möglichst vor den belastenden Einzelheiten der Tat schützen, doch es ist nicht zu übersehen, dass Joes Mutter sich völlig in sich zurückzieht und dabei ist, sich zu Tode zu hungern. Wie ihr Mann war die Mutter vor dem Verbrechen als Expertin für Abstammungsfragen eine Stütze ihres Stammes. Da von der Stammeszugehörigkeit nicht nur die indianische Identität abhängt, sondern ebenfalls, wer welchen Grund erben oder nutzen darf, wäre denkbar, dass die Tat in Zusammenhang mit dem Amt der Mutter steht. Nicht viel anders wie bei einem kindlichen Detektivspiel beginnt Joe, sich in die Denkweise des möglichen Täters zu versetzen und nach Beweismitteln zu suchen.


    Fazit

    Die Gewalttat selbst nimmt in Erdrichs Roman nur geringen Raum ein. Dafür beschreibt sie intensiv und gefühlvoll die Wirkung der Tat auf die Angehörigen, die Bedeutung der Strafverfolgung für das psychische Überleben des Opfers und die speziellen Verhältnisse in einem Indianerreservat. Die verschiedenen Ebenen werden mithilfe Erdrichs außergewöhnlicher Beobachtungsgabe geschickt miteinander verwoben. Sie lässt ihre Figuren nicht einfach durchs Gras gehen oder sich hinter einem Gebüsch verbergen, man erfährt immer, um welche Pflanzen es sich exakt handelt. Diese Sorgfalt in Details mag ich in Romanen sehr. Auch indianische Legenden, die dem eigenen Volk und außenstehenden Lesern indianische Kultur vermitteln, sind in die Geschichte eingearbeitet. Zu guter Letzt lässt sich “Das Haus des Windes“ auch als sehr berührender Entwicklungsroman eines Dreizehnjährigen lesen. Vielleicht ist es Erdrichs feine Ironie, mit der sie das Indianersein der Gegenwart betrachtet, die den Zugang zu den Emotionen ihrer Figuren für ihre Leser so leicht macht.


    Louise Erdrichs Botschaften erreichen ihre Leser auf leisen Sohlen. In ihrem Nachwort erinnert die Autorin daran, dass sich seit 1988, dem Jahr der geschilderten Ereignisse, bis zum Erscheinen der Originalausgabe des Buches 2012 in den USA kaum etwas an der öffentlichen Wahrnehmung und juristischen Verfolgung der Gewalt gegen indianische Frauen geändert hat.


    Zitate

    Er [Joes Vater] brachte einen Strauß Blumen aus dem Garten mit, den sie noch nicht gesehen hatte. Er stellte sie in eine kleine handbemalte Vase. Ich betrachtete den grünen Himmel auf dieser Vase, den Weidenbaum, das schlammige Wasser und die ungeschickt gemalten Steine. Diese ganze glasierte Szene sollte ich während der nächsten Abendessen mehr als gründlich kennenlernen, weil ich meine Mutter nicht ansehen mochte, wenn sie uns, auf Kissen abgestützt, so leblos anstarrte, als sei sie gerade erschossen worden, oder sich einrollte wie eine Mumie, die sich längst ins Jenseits verabschiedet hatte. Mein Vater versuchte jeden Abend, ein Gespräch in Gang zu halten, und wenn ich meine schmale Tagesration an Erlebnissen aufgebraucht hatte, gab er nicht auf, ein einsamer Ruderer auf dem endlosen See des Schweigens, oder vielleicht ging es sogar stromaufwärts. Ich bin fast sicher, dass ich ihn in dem kleinen schlammigen Flüsschen auf der Vase habe paddeln sehen.“ (S. 181)


    Aber als ich die Tür aufmachte und die neben dem Bett eingezwängte Nähmaschine sah, die Stapel gefalteter Stoffe und das Wandbrett mit Hunderten von leuchtenden bunten Garnrollen, als ich die Quiltstoffe sah und den Pappkarton mit der Aufschrift Reißverschlüsse und das gleiche herzförmige Nadelkissen wie zu Hause, bloß dass das von meiner Mutter mattgrün war, musste ich an meinen Vater denken, wie er jeden Abend in die Nähstube ging, wie die Einsamkeit unter der Tür der Nähstube durchgekrochen war und versucht hatte, über den Flur bis in mein Zimmer zu kommen. Ich fragte Clemence: Meinst du es würde Mooshum stören, wenn ich bei ihm penne?“ (S. 214)


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow