Gerbrand Bakker - Birnbäume blühen weiß/Perenbomen bloeien wit

  • Original : Perenbomen bloeien wit (Niederländisch, 1999, dann 2007 vom Autor durchgesehene Neuauflage, die dieser Übersetzung als Grundlage dient)


    Deutsche Übersetzung : Andrea Kluitmann


    INHALT :
    Die Zwillinge Klaas und Kees und ihr jüngerer Bruder Gerson stehen einander nahe. Ihr Lieblingsspiel : « Schwarz » - mit geschlossenen Augen ein angegebenes Ziel anpeilen und ergehen. Doch dann geschieht ein Unfall, der Gerson das Augenlicht nimmt. Wie gehen die Menschen damit um, wie kommt Gerson damit klar, oder auch nicht ?


    GLIEDERUNG :
    Ca 4-14 seitige, übertitelte Kapitel, vorwiegend in der undurchschaubaren Wir-Perspektive aus Sicht der Zwillingsbrüder, aber auch Einschüben in der Ich-Perspektive von Gerson als auch sogar einem Kapitel aus der Hundesicht Daans !


    BEMERKUNGEN :
    Hinter zunächst schön erscheinenden Geschwister-, und auch Vater-Söhne-Beziehungen steckt doch schon ein erstes Drama in den Köpfen unserer Helden, alle leiden darunter: Die Mutter ist vor geraumer Zeit mit ihrem Geliebten nach Italien gegangen, meldet sich nur sporadisch und ist nicht ortsidentifizierbar. Die Zwillinge bilden nahezu eine Einheit : es handelt sich auch tatsächlich bei der Erzählerperspektive um eine Wir-Erzählung aus der Sicht der etwas älteren Zwillinge Klaas und Kees. Es ist dabei nicht auszumachen, wer denn nun letztlich schreibt. Vater Gerard verliert sich im regelmäßigen Waschen seines Kleinwagens. Mit dem geht es dann auch zu einem Besuch zu den Großeltern. Während sie noch flachsen und über die Bäume diskutieren, die da weiß blühen, geraten sie unerwartet in einen Unfall. Gerard hat Schnittwunden im Gesicht, einer der Zwillinge einen Armbruch, doch Gerson ist richtiggehend eingeklemmt im Wrack : er fällt für eine Woche ins Koma, hat ebenfalls einen Bruch, verliert das Augenlicht.


    Krankenpfleger Harald, die Geschwister und Vater Gerard kümmern sich so gut es geht um ihren Schützling. Es sind teils einfache, sprechende Gesten und Worte. Ist man innerlich aber angeschlagen, so erreicht es einen vielleicht nicht immer ? Nur die von mir noch gar nicht erwähnte Hauptperson Daan, der liebenswerte Hund, bleibt nahe und von Gerson ganz akzeptiert. Wir wird sein Heilungsprozess verlaufen ? Kann er sich an die neuen Umstände gewöhnen oder bleibt die Fremdheit, ja, Ablehnung, und die Hilflosigkeit der einen als auch der anderen?


    Die Sprache erscheint nicht kalt, ist aber für den potentiell-gefühlvollen Stoff doch relativ nüchtern. Es handelt sich ja um einen ersten Roman Bakkers, auch wenn er jetzt erst nach dem Erfolg von « Oben ist es still » neu herausgekommen ist. Einige Grundthemen finden wir aber wieder : Familienbeziehungen ; Tier-Mensch ; ein Unfall als einschneidendes Ereignis, das den Lauf der Dinge ändert ; im Hintergrund auch die Homosexualität.


    Manche Wenden kündigen sich bei genauem Lesen schon Seiten vorher an, so dass wir nicht immer überrascht sind. Vielleicht ist das Hauptaugenmerk auf der inneren Entwicklung des am Ende der Geschichte vierzehnjährigen Gersons. Ich fand dieses Buch traurig schön, gut geschrieben, vielleicht etwas zu distanziert. Doch so geht Bakker wohl vor. Es mag vielen Lesern gefallen.


    Von ihm gibt es inzwischen schon mehrere Rezis hier im BT : http://www.buechertreff.de/rez…rand%20Bakker-index1.html


    AUTOR :
    Gerbrand Bakker, 1962 in Wieringerwaard geboren, studierte niederländische Sprach- und Literaturwissenschaft in Amsterdam, arbeitete als Übersetzer von Untertiteln und ist Diplomgärtner. Er ist Autor eines etymologischen Wörterbuchs der niederländischen Sprache und des Jugendromans Birnbäume blühen weiß (Patmos 2004). Sein Debütroman Oben ist es still wurde u. a. mit dem hochdotierten IMPAC Dublin Literary Award ausgezeichnet und in fast 20 Ländern veröffentlicht.


    Taschenbuch: 141 Seiten
    Verlag: Suhrkamp Verlag; Auflage: 4 (24. Mai 2010)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3518461702
    ISBN-13: 978-3518461709

  • Eine Verlinkung zu einer niederländischen Fassung:


    Paperback: 137 pages
    Publisher: Cossee, Uitgeverij; 4 edition (17 Feb 2010)
    ISBN-10: 9059362853
    ISBN-13: 978-9059362857

  • ist aber für den potentiell-gefühlvollen Stoff doch relativ nüchtern


    Gerade diese Sprache führt zu meiner Spitzenbewertung. Der Autor überlässt die Emotionen ganz dem Leser, und davon bekommt man eine Menge: Die von der Mutter verlassene Familie und die Hoffnung der Söhne, dass sie allen Erfahrungen zum Trotz doch irgendwann wiederkommen wird; die liebevolle Hilflosigkeit, mit der der Vater seine Söhne erzieht; Gersons Erblindung, sein Umgang damit und der seiner Brüder und die Schuldgefühle des Vaters; Gersons Zuneigung zu seinem Hund

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    Ganz speziell, aber für diese Handlung und Personenkonstellation sehr passend: Die ungewöhnliche Erzählperspektive des "Wir", wobei die Zwillinge, die dieses "Wir" verkörpern, nicht wie eine einzige Person gezeichnet sind, sondern unter ihren Vornamen Klaas und Kees als zwei verschiedenen Individuen erscheinen und innerhalb des "Wirs" beim Namen genannt werden.


    Ein Buch, das man mit seinen ca. 150 Seiten und seiner eingängigen Sprache schnell gelesen hat, das aber lange nachhallt.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ganz speziell, aber für diese Handlung und Personenkonstellation sehr passend: Die ungewöhnliche Erzählperspektive des "Wir", wobei die Zwillinge, die dieses "Wir" verkörpern, nicht wie eine einzige Person gezeichnet sind, sondern unter ihren Vornamen Klaas und Kees als zwei verschiedenen Individuen erscheinen und innerhalb des "Wirs" beim Namen genannt werden.

    Ich habe das Buch heute begonnen, es gefällt mir bisher gut, trotz der recht nüchternen Erzählweise ist es jetzt schon sehr bewegend und eindringlich. Allerdings irritiert mich die Erzählweise etwas. Mal "wir" und mal "Klaas und Kees". Das wirkt auf mich ein bisschen störend, als wäre es noch eine Person mehr, Klaas, Kees, Gerson, Gerard und der Erzähler. Aber es sind nur die genannten vier, ohne den Erzähler und dieses hin und herspringen der Erzählform finde ich schon recht irritierend.

    Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.
    (Jorge Luis Borges)