Margarita Kinstner - Mittelstadtrauschen

  • Worum es geht

    In einem Wiener Kaffeehaus stolpert Marie geradezu in Jakobs Arme, der daraufhin seine Freundin Sonja verlässt, die ihre biologische Uhr aber schon sehr laut ticken hört, und deshalb mittels Kontaktanzeige Gery kennenlernt. Dessen Freund Joe war einst mit Marie liiert, ehe er sich von einer Donaubrücke stürzte und Gery war schon immer in Marie verliebt, der Einzigen, mit der er sich eine gemeinsame Zukunft vorstellen könnte.

    Weil Gery zwar die Filmakademie absolviert, aber noch keine eigene Produktion zustande gebracht hat, stellt er alten Leuten ihr Essen zu und lernt so Jakobs Großmutter Hedi Brunner kennen, über die er einen Film drehen möchte. Und so erzählt sie manches aus ihrem Leben; von ihrer großen Liebe, einem russischen Soldaten und begabten Virtuosen, den sie nie mehr wiedergesehen hat, oder dem Sohn Wassily, den sie weg geben musste, vom ungeliebten Ehemann und ihren Töchtern, für die sie jetzt nur eine Belastung ist.

    An Joes erstem Todestag werden Marie und Gery zu einer geheimnisvollen Testamentseröffnung in den Prater eingeladen und fast sieht es so aus, als hätte Joe auch jetzt noch so manches mit den beiden vor.


    Die Autorin, 1976 in Wien geboren, hat bisher in Literaturzeitschriften und Anthologien veröffentlicht. "Mittelstadtrauschen" ist ihr erster Roman.


    Wie es mir gefallen hat

    Literatur aus Österreich, noch dazu von einer jungen Autorin, stehe ich eher skeptisch gegenüber, aber in diesem Falle hat sich die Lektüre doch gelohnt. Margarita Kinstner hat mir ihrem Romandebüt eine sehr fantasievolle Arbeit vorgelegt, die sich leicht und flüssig liest, dabei aber einen gewissen Tiefgang nicht vermissen lässt und insgesamt als gelungener Einstieg in die Welt der Literatur gewertet werden darf.

    Die Verbindungen unter den Protagonisten, deren Lebenslinien sich oft nur peripher berühren, finde ich sehr interessant aufgebaut und auch das Einflechten einer zweiten Erzählebene, die sich mit Maries und Jakobs Eltern, bzw. dessen Großmutter auseinandersetzt, hat mir gut gefallen.

    Gerne hätte ich die eine oder andere Hauptperson noch intensiver kennengelernt, aber leider lässt sich das auf rund 200 E-book-Seiten nicht besser bewältigen. Auch in dieser Hinsicht darf der Leser auf weitere Romane also durchaus gespannt sein.

    Geheimnisvoll, fast mystisch inszeniert Frau Kinstner Joes Testamentseröffnung im Prater, und wer schon einmal eine Marionettenaufführung miterlebt hat, wird sich der Faszination dieses Romanabschnittes kaum entziehen können.

    Am Ende der Lektüre sollte man sich das Cover noch einmal genauer ansehen, auf dem die Verbindungen der dem Leser nun schon gut bekannten Figuren recht anschaulich dargestellt sind. Eine originelle Idee, die mir gut gefallen hat, ebenso wie die Erklärung der Autorin für ihren eher ungewöhnlichen Romantitel.

    Für dieses gelungene Debüt einer fantasievollen, sprachgewandten Schriftstellerin mit sehr guter Beobachtungsgabe gibt es von mir auf jeden Fall die volle Punktezahl.