Klappentext:
Am 8. Mai 1945 kehrt ein junger Soldat, mit falschen Papieren desertiert, in seine zerbombte Heimatstadt zurück. Er ist auf der Suche nach Brot, nach einer Bleibe und nach Menschen.
»Es wird nichts vom Krieg erzählt, kaum etwas von der Nachkriegszeit, diesem Dorado des Schwarzhandels und der Korruption: es zeigt nur die Menschen dieser Zeit, ihren Hunger, und berichtet von einer Liebesgeschichte ...« Heinrich Böll (von der Verlagsseite kopiert)
Zum Autor:
Heinrich Böll, geboren am 21. Dezember 1917 in Köln, nahm nach dem Abitur eine Lehre im Buchhandel auf, die er bald abbrach. Nach einem gerade begonnenen Studium der Germanistik und klassischen Philosophie wurde Böll 1939 zur Wehrmacht eingezogen.1945 kehrte er aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft nach Köln zurück, wo er sein Studium wieder aufnahm und in der Schreinerei seines Bruders arbeitete. Ab 1947 publizierte er in Zeitschriften und wurde 1951 für die Satire ›Die schwarzen Schafe‹ mit dem Preis der Gruppe 47 ausgezeichnet. Fortan war er als freier Schriftsteller tätig und veröffentlichte Romane, Erzählungen, Hör- und Fernsehspiele sowie Theaterstücke.
Als Publizist und Autor führte Heinrich Böll Klage gegen die Grauen des Krieges und seine Folgen, polemisierte gegen die Restauration der Nachkriegszeit und wandte sich gegen den Klerikalismus der katholischen Kirche, aus der er 1976 austrat. 1983 protestierte er gegen die atomare Nachrüstung. Insbesondere engagierte sich Böll für verfolgte Schriftsteller im Ostblock. Der 1974 aus der UdSSR ausgewiesene Alexander Solschenizyn war zunächst Bölls Gast.
Der Verband deutscher Schriftsteller wurde 1969 von ihm mitbegründet, und er war Präsident des Internationalen PEN-Clubs (1971 bis 1974).
Böll erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Georg-Büchner-Preis (1967), den Nobelpreis für Literatur (1972) und die Carl-von-Ossietzky-Medaille (1974).
Heinrich Böll starb am 16. Juli 1985 in Langenbroich/Eifel. Sein gesamtes Werk liegt im Taschenbuch bei dtv vor.“ (von der Verlagsseite kopiert und gekürzt)
Allgemeine Informationen:
„„Der Engel schwieg“, 1949-1951 geschrieben, ist Bölls erster Roman, der im Nachkriegsdeutschland spielt. Er … führt mitten hinein in die Trümmerlandschaft einer deutschen Großstadt. Vielleicht war das der Grund, weshalb das Manuskript, das ein Jahr lang zur Veröffentlichung vorlag, dann doch nicht erschien. Der damalige Verlag nahm auf den Wandel des Publikumsgeschmacks Rücksicht: Man wollte nicht mehr an das unmittelbar zurückliegende Elend erinnert werden. …“ (von der vorderen Klappe kopiert)
Das Typoskript, das Böll seinerzeit an den Verlag geschickt hatte, wimmelte von Fehlern, für die er sich entschuldigte. Unter Einbeziehung der handschriftlichen Entwürfe wurden für den Druck dieses Buches die Fehler ausgemerzt, sowie eine Anzahl Satzzeichen (Anführungszeichen bei Dialogen) für die bessere Lesbarkeit zugefügt.
Aus dem Nachlass herausgegeben von Annemarie, René, Vincent und Viktor Böll. Der Roman erschien posthum 1992 zum 75. Geburtstag des Autors.
191 Seiten plus Geschichte des Textes plus 17seitiges Nachwort von Werner Bellmann.
Inhalt:
Hans kommt nach dem Krieg in seine zerstörte Heimatstadt – vermutlich Köln - zurück. Durch eine Verwechslung wurde ein anderer Mann, Willi, statt seiner erschossen, und Hans sucht nun dessen schwer kranke Ehefrau, um die Todesnachricht und das Testament zu überbringen. Zuerst kommt er in ein Krankenhaus, zieht sich irgendeinen Mantel über seine verräterische Uniform und entdeckt in der Manteltasche einen Zettel mit der Adresse einer gewissen Regina, die er besucht. Regina hat kürzlich ein Kind bekommen, das kurz nach der Geburt gestorben ist. Hans kriecht bei ihr unter; er traut sich nicht nach draußen, bis sie ihm falsche Papiere besorgt. Die beiden kommen knapp über die Runden, Regina kümmert sich um Lebensmittel, Hans besorgt Heizmaterial.
In einem zweiten Erzählstrang geht es um das Testament. Die Witwe des erschossenen Soldaten will das beträchtliche Vermögen ihres Mannes nach ihrem Tod wohltätigen Zwecken spenden. Doch der reiche Kunstsammler Dr. Fischer, ein Verwandter Willis, sucht das Testament in seinen Besitz zu bringen.
Eigene Meinung / Bewertung:
Die Skulptur des titelgebenden Engels rahmt das Buch ein: Hans stößt im ehemaligen Foyer des Krankenhauses auf einen Marmorengel, bzw. dessen Reste. Im letzten Abschnitt wird der Engel von Dr. Fischer in den Dreck getreten, nachdem seine miesen Tricks erfolgreich waren.
Nicht umsonst hält der Engel eine Lilie, ein doppelbödiges Symbol, in der Hand (Blume der Unschuld und Reinheit / Blume des Todes).
Über „Böll und seine Liebesgeschichten“ könnte man lange Abhandlungen schreiben, und ein Wort wie „gefühlvoll“ käme sicher nicht vor. So ist auch die langsame Annäherung zwischen Hans und Regina in typischer Böll-Manier eher spröde und distanziert erzählt. Zwei traumatisierte Menschen finden zueinander: Der Ex-Gefreite, der nicht „heim“kommen kann, weil „Heim“ zertrümmert und zerstört ist, und die Frau, die gerade ihr Kind verloren hat. Beide in einer Wüste aus zerbombten Häusern, ohne Kontakte nach außen, stets auf der Suche nach dem Überleben für den nächsten Tag, ein paar Lebensmitteln, ein paar Kohlen, ein wenig Geld.
Der Krieg ist kein Thema. Das Buch erzählt nicht von Kämpfen, nicht von der Angst oder dem Tod. Das Thema heißt „Überleben“. Wenn nichts mehr ist, wie man es gekannt hat, wenn man nicht weiß, wie man die nächsten Tage übersteht und es doch wieder schafft.
Obwohl beide Stränge zu Ende erzählt sind, obwohl das Motiv des Engels am Ende in den Anfang mündet, wirkt das Buch seltsam unfertig, als wäre das letzte Kapitel noch nicht gefunden worden.
Fazit:
Starke deutsche Nachkriegsliteratur, wegen seiner späten Veröffentlichung ein eindrucksvolles Zeugnis deutscher Zeitgeschichte.