Jan Costin Wagner - Tage des letzten Schnees

  • Der in Frankfurt und in Finnland lebende Schriftsteller und Musiker Jan Costin Wagner hat mit seiner Figur des finnischen Polizisten Kimmo Joentaa aus Turku einen Protagonisten für seine außergewöhnlichen und von der Literaturkritik hoch gelobten Romane geschaffen, wie ich sie sonst in noch keinem Krimi gefunden habe, auch nicht bei den skandinavischen Meistern ihrer Klasse wie etwa Henning Mankell oder Hakan Nesser.


    Kimmo Joentaa löst nicht nur Mordfälle zusammen mit seinem sympathischen Team, sondern er ist so etwas wie ein Philosoph, der melancholisch gelassen die Schicksalsschläge annimmt, von denen das Leben ihm einige verpasst hat, ohne mit dem Saufen zu beginnen, wie nahezu alle seiner anderen Kollegen des Genres.


    Seit Kimmo vor Jahren seine Frau Sanna durch einen langsamen Krebstod verlor( nachzulesen in "Eismond", dem ersten Band der Reihe) trauert er um sie und hat sich in seine eigene Welt zurückgezogen. Doch seit im zweiten Band der Reihe mit dem Titel "Im Winter der Löwen" sich eine Prostituierte bei ihm einquartiert hat, ist die Liebe zu ihm zurückgekehrt. Doch es scheint sein Schicksal zu sein, dass ihm alles Wertvolle wieder genommen wird. Denn im dritten Band „Das Licht in einem dunklen Haus“ verschwindet Larissa spurlos


    Mit großer Sprachkunst und geschicktem Aufbau nimmt Wagner seinen Leser hinein in ein verwirrendes Spiel von Tätern, die Opfer sind, und von Opfern, die zu Tätern werden.


    Diese Kunst hat Jan Costin Wagner in seinem neuen Buch „Tage des letzten Schnees“ zu einem nicht für möglich gehaltenen Höhepunkt getrieben. Es ist ein Roman, der einen wegen seiner fast sich ins Unerträgliche steigernden Spannung nicht los lässt bis zu den letzten Seiten und der auf eine Weise dicht geschrieben ist, dass er ob seiner menschlichen Schicksale und Abgründe, nicht nur denen von Kimmo Joentaa, mir so unter die Haut ging, wie schon lange kein anderes Buch mehr.


    Menschen, die vorher nichts miteinander verband, werden vom Leben schicksalhaft zusammengeführt und Wagner verknüpft mit großer sprachlicher Kraft die zunächst wirren Handlungsfäden bis zu einem Ende, das man nie für möglich gehalten hätte. Ein Ende aber auch, das deutlich nach einer Fortsetzung der Reihe ruft, auf die man heute schon gespannt sein kann.


    Wie ein einzelner Mann die Kraft und die Seelenstärke aufbringen kann, trotz aller Nackenschläge des Schicksals immer wieder aufzustehen, seiner Arbeit nachzugehen und auch seinem Leben einen Sinn abzugewinnen, das kann man von Kimmo Joentaa lernen. Ein Kommissar als Lebensphilosoph und Leidenskünstler.

  • Ich finde der Buchtitel passt nicht zum angebenen Inhalt, obwohl das Buch-Cover sehr schön gestaltet ist.

    Der in Frankfurt und in Finnland lebende Schriftsteller und Musiker Jan Costin Wagner hat mit seiner Figur des finnischen Polizisten Kimmo Joentaa aus Turku einen Protagonisten für seine außergewöhnlichen und von der Literaturkritik hoch gelobten Romane geschaffen, wie ich sie sonst in noch keinem Krimi gefunden habe, auch nicht bei den skandinavischen Meistern ihrer Klasse wie etwa Henning Mankell oder Hakan Nesser.


    Bis jetzt hat es noch kein hiesiger Autor geschafft die skandinavischen Meistern zu übertreffen, es fehlt ihnen die leicht bedrückende, unterschwellige Melancholie gepaart mit nahezu resegnierten, aber leicht hoffnungsvollen Gleichmut.

  • Dieses Buch war mein erster Roman von Jan Costin Wagner, deshalb musste ich mich erst etwas einlesen, um gewisse Zusammenhänge zu durchschauen, die sich auf die vorhergehenden Bände beziehen.


    Vom Aufbau her hat mir "Tage des letzten Schnees" sehr gut gefallen, die Handlung ist genial konstruiert. Während man den Zusammenhang zwischen zwei der drei Handlungssträngen schnell versteht, rätselt man fast bis zum Schluss über den Sinn des dritten Handlungsstrangs. Erst auf den letzten Seiten fügt sich alles zu einem vollständigen Bild.


    Bei den Charakteren hat es mir gefallen, dass der finnische Ermittler Kimmo Joentaa trotz seiner traurigen Erlebnisse (früher Krebstod seiner Frau Sanna) nicht zum "typischen psychischen Wrack skandinavischer Kriminalromane" verkommen ist, sondern im Gegenteil offenbar an Feingefühl gewonnen hat und das Ehepaar Ekholm nach dem Verlust ihres Kindes sehr sensibel begleitet. Die Schilderung der Trauer des verwaisten Elternpaares ist sehr anrührend.
    In Bezug auf Kimmos on and off-Beziehung zur Prostituierten "Larissa" finde ich die Geschichte ein bisschen unglaubwürdig. Warum sollte er sich nach einer glücklichen Ehe auf eine solche unverbindliche Beziehung einlassen? Vielleicht gibt es dafür in den Vorgängerbänden eine einleuchtende Erklärung? :-k


    Mit dem Erzählstil hatte ich Probleme. Die chronologischen Sprünge habe ich gut verkraftet, aber die Abschnitte aus einer "Geschichte, die nicht erzählt wird" waren mir fast bis zur überraschungsträchtigen Auflösung am Ende unverständlich. Die ständigen Wiederholungen von Kimmos Reminiszenzen im Krankenhaus über Sannas letzte Tage haben meine Geduld strapaziert und die Computer-Chats des Unto Beck und seiner Chatpartnerin haben mich extrem genervt. Dieses ständige "Ok" und "Jo" sollte vermutlich die Authentizität des Jugendslangs vermitteln, ging mir aber mächtig auf die Nerven.


    Insgesamt würde ich für die Handlungsebene 5 Sterne und für die Sprachebene 3 Sterne vergeben, das macht unterm Strich :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: .

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
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  • Mit großer Sprachkunst und geschicktem Aufbau nimmt Wagner seinen Leser hinein in ein verwirrendes Spiel von Tätern, die Opfer sind, und von Opfern, die zu Tätern werden.


    Diese Kunst hat Jan Costin Wagner in seinem neuen Buch „Tage des letzten Schnees“ zu einem nicht für möglich gehaltenen Höhepunkt getrieben. Es ist ein Roman, der einen wegen seiner fast sich ins Unerträgliche steigernden Spannung nicht los lässt bis zu den letzten Seiten und der auf eine Weise dicht geschrieben ist, dass er ob seiner menschlichen Schicksale und Abgründe, nicht nur denen von Kimmo Joentaa, mir so unter die Haut ging, wie schon lange kein anderes Buch mehr.

    "Nix für ungut", Herr Stanzick, aber dass jemand wie Sie, der auf amazon über 4.500 Bücher rezensiert hat, darunter sicherlich einen beträchtlichen Anteil an Krimis und Thrillern, für fast jedes Buch neue Superlative des "Nicht-für-Möglich-Haltens" findet, und schon wieder ein Buch mit mindestens 4 Sternen bewertet, halte ich überhaupt nicht für aussagekräftig, weshalb ich froh bin, dass ich das Buch nur aus der Bibliothek ausgeliehen habe, weil mich dort Cover und Klappentext angesprochen haben.


    Insgesamt würde ich für die Handlungsebene 5 Sterne und für die Sprachebene 3 Sterne vergeben, das macht unterm Strich :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: .

    Im Gegensatz zu Dir, €nigma, finde ich den Stil des Autors, das Geschehen im Buch in einer Art emotionaler Taubheit zu präsentieren, so als ob man alles durch eine Watteschicht oder verlangsamt und verschwommen unter Wasser wahrnähme, eigentlich recht gut und ungewöhnlich für einen Krimi. Nur habe ich seit etwa Seite 130 das Gefühl, die Luft sei 'raus aus dem Buch (ich bin jetzt genau bei der Hälfte, auf Seite 163 von 314): ich habe eigentlich erwartet, dass Wagner aus dieser dumpfen Emotionalität große Spannung aufbauen würde und die drei Handlungsfäden (Verkehrsunfall Ekholm, Beziehung Banker - Réka, Klärung um Unto) erst gegen Ende verknüpfen würde, Aber auf S. 112 war dann schon die Verbindung der ersten beiden Handlungsfäden hergestellt. Wenn man bedenkt, dass im Handlungsfaden Unto - Mari sehr früh eine Tendenz zur Gewalt und der Begriff "Columbine" auftaucht, denke ich mir, dass eigentlich nur eine Richtung möglich ist, in der Unto auf die Familie des Bankers einwirken kann, wenn man sich deren Mitglieder anschaut. Dies empfände ich jedoch als extrem vorhersehbar. Ansonsten gefällt mir die Gesamtidee der Handlung sehr gut, da pflichte ich Dir bei, €nigma - aber mir fehlt Spannungssteigerung durch zunehmende Ungewissheit in der fortlaufenden Handlung.


    Menschen, die vorher nichts miteinander verband, werden vom Leben schicksalhaft zusammengeführt und Wagner verknüpft mit großer sprachlicher Kraft die zunächst wirren Handlungsfäden bis zu einem Ende, das man nie für möglich gehalten hätte.


    Da bleibt für mich nur zu hoffen, dass Sie mit dieser Aussage recht haben, Herr Stanzick, denn die Luft ist für mich irgendwie 'raus aus dem Buch seit Ende des ersten Drittels. :lol: In der Hoffnung auf steigende Spannung in der zweiten Hälfte des Buches lese ich also weiter ... :study:

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • In Bezug auf Kimmos on and off-Beziehung zur Prostituierten "Larissa" finde ich die Geschichte ein bisschen unglaubwürdig.


    Larissa taucht im dritten Band der Reihe "Im Winter der Löwen" erstmalig auf. In meiner Rezension dazu habe ich ein, zwei Sätze zu dieser Beziehung geschrieben. Dort fand ich dieses "Will - Will nicht" ganz passend. Wenn sich aber über zwei weitere Bände hinaus immer noch nichts in Richtung Ja oder Nein getan hat, ist es bedenklich.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Keine Angst: so vorhersehbar ist das Buch nicht. :wink:

    Das stimmt, wie ich am Ende feststellen muss, doch ist die Überraschung erst auf den letzten paar Seiten gekommen. Bis dahin habe ich mich sehr gelangweilt beim Lesen. Das Gute ist, dass das Buch sich sehr schnell liest, ansonsten fände ich den guten Anfang und die Überraschungen ganz zum Schluss als Unterhaltung zu dürftig, um den Leser bei der Stange zu halten.


    Und apropos Überraschungen ... beim Thema Larissa habe ich mich ein bisschen veräppelt gefühlt:

    Larissa taucht im dritten Band der Reihe "Im Winter der Löwen" erstmalig auf. In meiner Rezension dazu habe ich ein, zwei Sätze zu dieser Beziehung geschrieben. Dort fand ich dieses "Will - Will nicht" ganz passend. Wenn sich aber über zwei weitere Bände hinaus immer noch nichts in Richtung Ja oder Nein getan hat, ist es bedenklich.

    Das hätte ich gar nicht gedacht, dass die Frau schon das dritte Mal in der Serie auftaucht.

    Die Beziehung zwischen den beiden kam auch mir mehr als seltsam vor, und wenn ich den dritten Band schon gelesen hätte, glaube ich nicht, dass ich mir noch einen Band mit dem Getue um Larissa angetan hätte. Die Figur Larissa halte ich auch, was das Ende angeht, für eine große Schwachstelle im Buch, nicht nur, weil das Ende in Bezug auf sie ein bisschen ins Kitschige abrutscht.

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog