Yuval Noah Harari - Eine kurze Geschichte der Menschheit

  • Gut geschriebene Sachbücher sind ja bedauerlicherweise immer noch recht rar in der deutschen Sprache. So hatte ich mich auf dieses Buch wirklich gefreut, da ihm diesbezüglich doch schon einige Lobeshymnen vorauseilten. Doch leider hielt meine Freude nicht allzu lange an. Nein, nichts gegen den Schreibstil des Herrn Harari: Er schreibt locker und leicht von der Leber weg, unterhaltsam und verständlich mit bildlichen, aktuellen und witzigen Vergleichen (manchmal vielleicht sogar etwas zu flapsig) - es wäre alles gut, wenn er beim Inhalt doch etwas mehr Sorgfalt hätte walten lassen. Einige Beispiele hierzu:
    S. 12: Mitglieder verschiedener Arten können keinen fortpflanzungsfähigen Nachwuchs hervorbringen. Auf S. 14 werden dann verschiedene Arten von homo benannt, die aber lt. S. 27 durchaus fortpflanzungsfähigen Nachwuchs zeugten.
    S. 37ff: Hier wird der Begriff Abstraktum und Nichtexistenz völlig durcheinander geworfen. Das Unternehmen Peugeot wird als nicht existent bzw. Phantasieprodukt bezeichnet statt als abstrakt.
    S. 45: Harari schreibt, der Peugeot-Gründer hätte 1896 eine GmbH gegründet - die gab es in Frankreich erst ab 1925, da war der Gründer bereits tot.
    S. 46: Hier wird aus der GmbH plötzlich eine AG (was zumindest stimmt).
    S. 166: Mathematik ist eine Weltsprache - einige Zeilen erklärt der Autor, dass die meisten Menschen der Welt sie nicht verstehen.
    S. 204: kognitive Dissonanz wird als eine häufige psychische Störung dargestellt.
    S. 258: Monotheistische Religionen sind Gehirnwäsche. Dies mag die Meinung des Autors sein, aber dann ist sie auch als solche zu kennzeichnen.
    Es gibt noch eine ganze Menge an solchen Fehlern, Widersprüchen und Ungenauigkeiten. Dazu kommen eine Vielzahl von Rechtschreibefehlern (dort fehlt ein e, da ist eines zuviel, ein Wort erscheint zweimal undundund) und so zieht sich das Lesen doch ziemlich in die Länge, da es immer weniger Vergnügen macht, das Buch in die Hand zu nehmen.
    Schade, es ist wirklich schade dass hier so geschludert wurde. Denn Hararis Schreibstil ist durchweg vergnüglich zu lesen.

    :study: Das Eis von Laline Paul

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  • Schade, es ist wirklich schade dass hier so geschludert wurde. Denn Hararis Schreibstil ist durchweg vergnüglich zu lesen.


    Wenn ich sehe, dass das Buch in Englisch geschrieben worden ist, sind einige von Dir hervorgehobenen Fehler sehr wahrscheinlich Übersetzungs- und Herausgabefehler, oder? Ärgerlich. Dann kann solch eine schludrige, oft ja immer zu schnell übersetzte, auf den Markt gebrachte Version das ganze Leseerlebnis prägen, negativ.

  • Wenn ich sehe, dass das Buch in Englisch geschrieben worden ist, sind einige von Dir hervorgehobenen Fehler sehr wahrscheinlich Übersetzungs- und Herausgabefehler, oder? Ärgerlich. Dann kann solch eine schludrige, oft ja immer zu schnell übersetzte, auf den Markt gebrachte Version das ganze Leseerlebnis prägen, negativ.


    Du liegst mit großer Wahrscheinlichkeit richtig mit deiner Vermutung. Das Original stammt nämlich aus dem Hebräischen, wurde ins Englische übersetzt und dann vom Englischen erst ins Deutsche. Dazu kommt noch das fehlende bzw. schlechte Lektorat/Korrekturlesen - und dann noch die inhaltlichen Fehler. Ja, da kann einem die Lust am Lesen wirklich vergehen.

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  • Oh, bei diesem Buch hatte ich deutlich mehr erwartet. Es ist auf meiner Wunschliste, aber nach dem Lesen deiner Rezension wohl nicht mehr lange. Danke fürs Warnen. :thumleft:


    Gern geschehen :wink: Du wirst aber feststellen, dass es eine ganze Menge an LeserInnen gibt, die das Buch richtig toll fanden. Ich habe das Buch in einer Leserunde gelesen und da lag so geschätzt der Anteil einhelliger Zustimmung bei ca. 60 bis 70%, ca. 25% so gemischt und der Rest klar ablehnend. Ich habe keinerlei Vorstellung davon, was die Begeisterten in dem Buch fanden...

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  • Dein Urteil ist ja doch recht vernichtend. Ich bin eine der Mitleserinnen aus erwähnter Leserunde, die dem Buch eher wohlgesinnt sind. Meiner Meinung nach zeigt das Buch einen Haufen interessanter Zusammenhänge auf, die sehr zum Nachdenken anregen und das gerade weil der Autor deutlich seine Meinung durchscheinen lässt, die nicht jedermanns Überzeugung entsprechen muss (auch meiner nicht). Ich habe das Buch nicht als Geschichtsbuch oder Faktensammlung gelesen und die von dir erwähnten Fehler kann ich größtenteils nicht beurteilen. Solche Details merke ich mir in der Regel sowieso nicht lang, die Kernaussage, bzw. die Aspekte auf die ich mit der Nase gestoßen wurde und über die ich daher zum Nachdenken angeregt wurde, die bleiben mir im Gedächtnis und deshalb fand ich das Buch durchaus bereichernd.

  • Dein Urteil ist ja doch recht vernichtend. Ich bin eine der Mitleserinnen aus erwähnter Leserunde, die dem Buch eher wohlgesinnt sind. Meiner Meinung nach zeigt das Buch einen Haufen interessanter Zusammenhänge auf, die sehr zum Nachdenken anregen und das gerade weil der Autor deutlich seine Meinung durchscheinen lässt, die nicht jedermanns Überzeugung entsprechen muss (auch meiner nicht). Ich habe das Buch nicht als Geschichtsbuch oder Faktensammlung gelesen und die von dir erwähnten Fehler kann ich größtenteils nicht beurteilen. Solche Details merke ich mir in der Regel sowieso nicht lang, die Kernaussage, bzw. die Aspekte auf die ich mit der Nase gestoßen wurde und über die ich daher zum Nachdenken angeregt wurde, die bleiben mir im Gedächtnis und deshalb fand ich das Buch durchaus bereichernd.


    Wir haben hier wohl sehr unterschiedliche Kriterien, wann wir ein Buch für befinden und wann nicht. Ich habe ja geschrieben, dass ich den Stil des Autors durchaus gut finde. Und hätte er Prosa geschrieben und nicht ein Sachbuch mit dem Anspruch, die Geschichte der Menschheit erzählen zu wollen (ja, diesen Anspruch hat er), wäre ich sicherlich um einiges begeisterter von dem Buch. Aber Dinge als Fakten darzustellen, die schlicht falsch sind oder Aussagen zu treffen, die in sich unglaubwürdig sind weil völlig unlogisch - sorry, da fühle ich mich als Leserin mehr als veräppelt. Frage dich doch mal, was du von einem SACHbuch halten würdest, in dem dir der/die AutorIn allen Ernstens erklärt, dass die Erde eine Scheibe ist - hier wäre doch die erste Reaktion: Was für ein Blödsinn!
    Die Fehler hätte ich auch nicht alle sofort explizit widerlegen können, aber bestimmte Dinge bleiben doch im Hinterkopf haften. Also habe ich alle für mich zweifelhaften Dinge (und das wurden mit zunehmender Seitenzahl immer mehr, da ich den Aussagen des Autors vermehrt misstraute) intensiv gegoogelt - was natürlich entsprechend Zeit brauchte.

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  • Kurzweiliger Überblick derGeschichte des Homo Sapiens


    Im Gegensatz zu manch anderenBüchern, die einen Überblick über die Geschichte der Menschheit bieten, fängtdas Buch von Yuval Noah Harari schon vor den Homo Sapies an. Der ersteSchwerpunkt liegt bei der kognitiven Revolution, die sich vor etwa 70.000Jahren ereignete. Um diese Revolution geht es im ersten Teil des Buches, um dieEntdeckung der Sprache, die auch die fiktive Sprache beinhaltet.


    Der zweite Teil handelt von derlandwirtschaftlichen Revolution, die vor etwa 10.000 Jahren begann. Es wirderklärt, warum der Homo Sapies seßhaft wurde, Tiere domestizierte, Siedlungenvergrößerte, Schrift und Zahlen erfand und warum Männer einen höherenStellenwert als Frauen in den Gesellschaften hatten.


    Im dritten Teil wird dieEntwicklung der Kulturen beschrieben, die Entwicklung der drei universellenOrdnungen, der wirtschaftlichen, der politischen und der religiösen Ordnung,Detailliert geht es um den Geruch des Geldes, dem Traum vom Weltreich und dasGesetz der Religion.


    Der vierte Teil des Buches handeltvon der wissenschaftlichen Revolution, die um das Jahr 1500 begann. EinSchwerpunkt ist die Entdeckung der Wissenschaften und die daraus folgendeExpansion Europas. Des Weiteren geht es um die verschiedenen Religionen, zudenen der Autor auch den Kapitalismus und den Kommunismus zählt, und um unsereErnährung, die Massentierhaltung und die neuen Gemeinschaften als Ersatz fürdie Familie und die Dorfgemeinschaft. Den Abschluss bildet ein Ausblick überdie Zukunft des Homo Sapiens.


    Mein Fazit: Ich bin bei dem Buchetwas zwiegespalten. Es ist gut geschrieben und lässt sich gut lesen. DerTonfall ist sehr locker, am Anfang musste ich an einigen Stellen sogar schmunzeln.Später stört dieser lockere Ton etwas. Das Buch ist interessant und bieteteinen schnellen Überblick über die Geschichte des Homo Sapiens. Allerdings gibtes auch einen größeren Kritikpunkt. Der Autor Yuval Noah Harari fragt immerwieder, ob die Jäger und Sammler vor der landwirtschaftlichen Revolution nichtglücklicher waren, als alle anderen Menschen seitdem. Er meint, dass der Menscheigentlich als Jäger und Sammler geboren wurde und die Sesshaftigkeit eigentlichnicht unserem Typ entspricht und wir nicht mehr so glücklich sind, wie dieMenschen damals. Nun, beurteilen kann man dies nicht wirklich, aber ich bin mirnicht sicher, dass die Menschen damals glücklicher waren als wir heute. Ichkann mir nicht vorstellen, dass das Leben damals aus Friede, Freude, Eierkuchenbestand. War es so einfach zu jagen? Und was haben sie sonst gemacht?Umhergewandert? Oder den Himmel angeschaut? War es angenehm bei Regen und Kälteohne festem Dach über den Kopf? Warumsieht der Autor das heutige Leben so negativ? Diese immer wiederkehrende Frageempfand ich als sehr negativ und sie zerstört meiner Meinung nach viel von demBuch. Das ist der größte Kritikpunkt. Kleinigkeiten gab es auch noch, die mirüberwiegend beim Lesen aufgefallen sind.


    Daher gibt es von mir nur 3 Sterne.Das Buch ist sehr interessant, aber diese immer wiederkehrende Frage zieht dieBewertung herunter.

  • Habe nun die Rezension von Xirxe zu dem Buch gelesen. Widerspiegelt in etwa meinen Eindruck. Die Vermutung dass es an der Übersetzung liegt ist zwar naheliegend jedoch schon im englischen werden gewisse Dinge in dieser Form wiedergegeben, wie am Beispiel von Peugeot ersichtlich.

    (Erwähne dieses Beispiel weil in der Rezension explizit darauf hingewiesen wird)


    Zitat

    Englische Version

    And so did the French legal system back in 1896, when Armand Peugeot, who had inherited from his parents a metalworking shop that produced springs, saws and bicycles, decided to go into the automobile business. To that end, he set up a limited liability company.

    Deutsche Version

    Diese Unternehmen gab es auch schon in Frankreich des Jahres 1896. Damals beschloss Armand Peugeot, die elterliche Eisengiesserei, in der Federn, Sägen und Fahrräder hergestellt wurden, zu einer Automobilfabrik umzubauen. Dazu gründete er eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.


    Wobei ich nicht sicher bin ob diese Aussage komplett falsch ist, denn


    Zitat

    Gesellschaften mit beschränkter Haftung wurden erstmals durch das am 20. April 1892 erlassene Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) ermöglicht.

    Wikipedia

    Es gibt sicher noch einiges das ich im Verlauf des Lesens erwähnen werde.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Auf das Buch war ich wirklich sehr gespannt, weil ich ein großer Fan von "Ismael" des Autors Daniel Quinn bin. Mir wurde gesagt, dass Yuval Harari hier in ähnlicher Weise unsere Menschheitsgeschichte beleuchtet und ja, beide Autoren gehen auf die Entwicklungen unserer Zivilisation und Kulturen ein - dennoch kann man die Bücher nicht miteinander vergleichen.

    Hier haben wir eher eine wissenschaftliche Basis, während in "Ismael" eher philosophisch diskutiert wird.


    Yuval Harari beginnt bei den Wurzeln der Menschheit vor 2,5 Millionen Jahren. Eine Zeit, die man sich eigentlich kaum vorstellen kann und ich traue dieses Berechnungen auch nie so wirklich, aber lassen wir das einfach mal hintangestellt.

    Interessant fand ich im Verlauf der Entwicklung unserer Spezies jedenfalls die Sprache, etwas, das uns ja von den anderen Tieren am meisten unterscheidet; zumindest durch unsere Vielfalt und vor allem, dass wir uns Dinge vorstellen und in Worte fassen können, die es real gar nicht gibt.

    Das weiß man, aber es war mir ehrlich gesagt bisher nie so recht bewusst in diesem Zusammenhang. Das ist ein Punkt, der vieles, was geschehen ist, nachhaltig beeinflusst hat: unsere Vorstellungskraft und diese in Worte und Taten umzusetzen.


    Während der erste Abschnitt tatsächlich so gut wie überflüssig war, da er an sich nur aus Mutmaßungen besteht (wie der Autor auch selbst sagt), war es doch sehr faszinierend, wie dieser Gedanken der Sprache vom Autor weitergesponnen wird. Das Zusammenleben von Gruppen ist uns in Fleisch und Blut übergegangen und war immer Grundbestandteil für das Überleben. Allerdings waren diese Gruppen zahlenmäßig begrenzt und haben dadurch perfekt funktioniert: Ohne "Oberhaupt".

    Bei größeren Gruppen wird das kritisch, was auch sehr einleuchtend erklärt wird und deutlich macht, warum es immer einen "Chef", einen "König", eine "Regierung" braucht, um diese Massen an Menschen "im Zaum zu halten".


    Unsere Gesellschaft lebt einen Mythos, bzw. leben wir schon seit Jahrtausenden in vielen Mythen und Geschichten, die wir uns selbst erzählen. Eigentlich alles, was man nicht sehen/anfassen kann, entspringt unserer Vorstellungskraft. Seien es Institutionen wie Autohersteller, Religionen, Menschenrechte, Kriege, Geld - diese Namen funktionieren nur, weil eine Großteil der Menschen damit aufwächst, damit konfroniert wird und daran "glaubt".

    Diesen Ansatz fand ich echt interessant und werde mich damit bestimmt noch öfter auseinandersetzen.


    Natürlich ging der Autor auch auf die Landwirtschaft und Domestizierung von Tieren ein. Er vertritt hier eine sehr strikte und durchaus nachvollziehbare Meinung, aus der ich vor allem für mich herausziehe, dass wir Menschen anscheinend tatsächlich der schlimmste Virus sind, der die Erde je befallen hat. Wenn man sich anschaut, wie viele Arten durch uns ausgemerzt wurden und vor allem auch, wie wir heute noch immer mit den Tieren umgehen aus reiner Gleichgültigkeit, lässt die Bewegung der Veganer und Vegetarier doch noch hoffen, dass sich in Zukunft hier vielleicht etwas ändert.


    Die Wildbeuter jagten wild lebende Tiere und sammelten wild wachsende Pflanzen, die dem Homo sapiens ebenbürtig waren. Sie jagten zwar Schafe, doch sie betrachteten die Schafe deshalb noch lange nicht als minderwertige Wesen, genauso wenig wie sie glaubten, dass sie selbst weniger wert waren als die Tiger, nur weil sie von diesen gejagt wurden.

    ...

    Im Laufe der landwirtschaftlichen Revolution wurden die einst gleichberechtigten spirituellen Partner daher zu stummen Besitzgütern.

    Zitat Seite 256


    Lustiger - oder eher traurigerweise - hat unsere kollektive Illusion von Geld alle Menschen der Welt vereint. Zumindest auf der Handelsebene. Eine Idee, die alle Menschen vereint gleich welcher Sprache, Kultur, Glauben, Sozialverhalten etc., hat es eine Basis geschaffen, die auf die globale Handlungsebene zugesteuert hat. Scheint eine gute Sache zu sein, wobei dafür der Glaube an "unbezahlbare" Werte wie Ehre, Loyalität und Moral meiner Meinung nach gelitten hat. Mir fallen da sofort historische Bücher ein, in denen das Wort eines "Mannes" ohne jeglichen Beweises oder ähnliches gegolten hat.

    Dass die Schrift zu Verwaltungszwecken erfunden wurde war mir auch nicht so wirklich bewusst. Das Berechnen von Schulden vor allem an die "Staatskasse" hat hier wohl den Ausschlag gegeben, das ganze schriftlich festhalten zu müssen. Die Bürokratie hat Einzug gehalten ^^


    Das Wachstum lässt sich nicht aufhalten und zeigt sich natürlich sehr deutlich an der Überbevölkerung und dem Verbrauch/Konsum.


    Im Jahr 1500 verbrauchte die Menschheit pro Tag 13 Billionen Kalorien Energie. Heute verbrauchen wir pro Tag 1500 Billionen Kalorien. (Lassen Sie diese Zahlen einmal auf sich wirken: 14 mal so viele Menschen produzieren 240 mal so viel und verbrauchen dabei 115 mal so viel Energie)

    Zitat Seite 301


    Das lass ich jetzt einfach mal so stehen.


    In der wissenschaftlichen Revolution war wohl das Eingeständnis der Unwissenheit ein Knackpunkt. Was zuvor meist als wahr angenommen wurde wurde jetzt bezweifelt. Nichts war sicher, denn jede neue Entdeckung oder Erforschung konnte vorherige Theorien komplett über den Haufen werfen. Ein Punkt, den ich für sehr wichtig erachte, da ihn viele aus den Augen verlieren, grade in der heutigen Zeit und den Ereignissen, die uns zurzeit beschäftigen:


    Die moderne Wissenschaft ist bereit zuzugeben, dass sie nicht alles weiß. Mehr noch, sie geht davon aus, dass alles, was wir zu wissen glauben, durch neue Erkenntnisse widerlegt werden kann. Es gibt keine Vorstellung und keine Theorie, die nicht hinterfragt werden kann.

    Zitat Seite 306


    Ja, mit Zitaten könnte ich hier wirklich unendlich weitermachen. Ich hab mir soviel markiert in diesem Buch, aber das würde jetzt doch den Rahmen sprengen...


    Das Kapitel über den Kapitalismus fand ich teilweise interessant, teilweise verliert sich der Autor hier aber viel in Zahlen und Daten. Grade auch was Eroberungszüge anbelangt und die Verwicklungen der verschiedenen Länder - das erinnert mich zu sehr an Unterricht und ist nicht so meins. Interessanter fand ich die Abschnitte, in dem Yuval Harari seine Folgerungen daraus zieht.


    Wie oben schon erwähnt leben wir in einem Zeitalter des Wachstums. Das Wirtschaftswachstum wird ja gerühmt, aber ich frage mich immer: wo soll das hinwachsen? Wieso müssen so viele "Dinge" produziert werden, die wir gar nicht brauchen - warum werden wir auf Konsumenten reduziert, die die "alten Werte" der Sparsamkeit und Bescheidenheit aberzogen bekommen, ja, die sogar belächelt werden und als veraltet betrachtet werden? Und wie sollen die Menschen das Geld dafür auftreiben, wenn die Lebenskosten an sich ja schon viel zu hoch sind?


    Diese ganzen Entwicklungen gingen leider auch auf Kosten der Familiengemeinschaften. Das ganze Vertrauen, dass bei Krankheit, Alter oder sonstigen Problemen die Familie oder (Dorf)Gemeinschaft ausgeholfen hat, ist völlig abhanden gekommen. Was nicht heißt, dass das es in dem Bezug früher nie Probleme gab, aber das geborgene Gefühl von Familien und Freunden scheint mir oft verloren zu sein.


    Bei dem Argument über Kriege gehe ich nicht so konform, denn der Autor beschreibt unsere Zeit als relativ friedlich und vergleich sie mit früheren Auseinandersetzungen. Ob man jetzt da die Anzahl der Toten vergleichen muss weiß ich nicht so recht... ich hab das Gefühl, dass immer irgendwo Krieg ist und die Zahlen von vor Jahrhunderten sind für mich reine Schätzungen, die man hier einfach nicht zu einem Vergleich heranziehen kann.

    Vor allem erwähnt er hier nicht die Waffenindustrie, die horrende Summen verdient.


    Am Ende gibt es noch einen Aspekt, der gerade bei wissenschaftlichen Fakten über die Entwicklung der Menschheit oft fehlt: Waren die Menschen früher glücklicher? Oder sind sie es heute mit all ihren technischen Errungenschaften? Und was ist Glück überhaupt?

    Diesen Abschnitt fand ich wieder sehr spannend - weil er zum einen auf methodische Berechnungen basiert, aber auch auf philosophischen Gedanken.


    Übrigens waren auch einige Bespiele über Forschungen dabei, wo ich nur den Kopf schütteln kann. Ich hab die jetzt nicht mehr alle parat, aber eins ist mir haften geblieben: Es galt herauszufinden, ob Kühe psychisch belastet werden (im Hinblick auf ihre Milchproduktion) wenn ihnen das frisch geborene Kalb weggenommen wird.

    Dafür braucht man eine Studie? Ernsthaft? Ein logisches und empathisches Denken und Empfinden reicht hier eigentlich aus - wie bei so vielen anderen Fragen. Aber man merkt bei vielen Menschen leider, dass dieses Einfühlungsvermögen abgestumpft und Gleichgültigkeit gewichen ist.


    Ganz zum Schluss hat der Autor noch einige Gedankenspiele zu zukünftigen Entwicklungen gemacht, grade was Bio- und Gentechnik anbelangt. Unsere Generation wird das zwar nicht mehr erleben, aber vielleicht unsere Enkel und Urenkel. Neugierig bin ich ja schon, ob und wie wir Menschen uns weiterentwickeln werden: ob wir zurückfallen, wie Einstein es vorausgesagt hat oder ob irgendwann die Maschinen unsere Illusion von Herrschaft übernehmen.


    Mein Fazit: 4 Sterne