Pieter Webeling - Das Lachen und der Tod / De lach en de dood

  • Amazon Kurzbeschreibung:
    Der Held und Ich-Erzähler dieses Romans, Ernst Hoffmann aus Amsterdam, ist von Beruf Komiker. Er lebt für den Applaus und von dem Gelächter seiner Zuhörer. Da seine verstorbene Mutter Jüdin war und er mit politischen Witzen auffällig geworden ist, wird er 1944 in einem Viehwaggon mit anderen Verfolgten in ein Konzentrationslager gebracht. Doch Ernst Hoffmann kann nicht anders, er bleibt selbst im Lager Komiker und erzählt, mit Billigung des Barackenältesten, abends den Mitgefangenen Witze, um sie vor der endgültigen Verzweiflung zu bewahren und von dem Grauen abzulenken.
    Als der deutsche Lagerkommandant das erfährt, will er Hoffmann dazu bringen, abends vor den SS-Leuten als Kabarettist aufzutreten. Erst weigert sich der Komiker, doch dann verspricht ihm der Lagerkommandant, die Frau, in die sich Hoffmann auf dem Transport verliebt hat, am Leben zu lassen. Es ist ein diabolischer Vorschlag, der den Häftling an die Grenzen seines Gewissens und seines Überlebenswillens führt.


    Über den Autor:
    Pieter Webeling, 1965 geboren, veröffentlichte 2008 seinen ersten Roman, Veertig dagen. (Cossee). Als Journalist führte Pieter Webeling für angesehen holländische Zeitungen viel beachtete Interviews, unter anderem mit Holocaust-Überlebenden und mit Komikern. Nachdem er sich auch mit einem zeitgenössischen Komiker, den in den Niederlanden berühmten Youp van't Hek, unterhalten, weitere Zeitzeugen interviewt und mehrfach die Gedenkstätte des Stammlagers Auschwitz und Birkenau besucht hatte, schrieb Pieter Webeling De lach en de dood (Das Lachen und der Tod), der 2010 bei Cossee erschien, ein Roman, der die ambivalente Rolle des Humors in einem totalitären System lebendig macht.


    Inhalt:
    Von Anfang an weiß man, dass der Komiker Ernst Hoffmann Auschwitz überleben wird, da er im ersten Kapitel vor seinem ersten Auftritt nach Kriegsende steht. Er wartet auf Helena, die Frau, die er im Viehwaggon, auf dem Weg ins Vernichtungslager, kennen und lieben gelernt hat.
    1944 wird der Sohn einer Jüdin und eines Deutschen in Amsterdam verhaftet und nach Auschwitz gebracht, wo er zuerst hart arbeiten muss, geschunden und misshandelt wird, trotzdem Abends in der Baracke als Komiker Vorstellungen gibt um die Hoffnung nicht sterben zu lassen, dem Tod durch Fleckfieber knapp entrinnt, vom Lagerkommandanten dazu verpflichtet wird, vor seinen Peinigern aufzutreten und als er das nicht machen will, ins Krematorium zur Arbeit geschickt wird. Dort soll er die Leute zum Lachen bringen. Aber auch er vermag dort keinen Humor mehr aufzubringen. Ein Ereignis im Krematorium bringt ihn dazu, schließlich doch dem Wunsch des Kommandanten nachzukommen, womit er das Leben eines ihm wichtigen Menschen erkauft.


    Meine Meinung:
    Ich brauche nun nach dem Lesen erst mal etwas Zeit, um den Inhalt zu verdauen.
    Das Lagerleben –und sterben im Vernichtungslager Auschwitz wird schonungslos und völlig ungeschönt beschrieben. Mir kamen während des Lesens nicht nur einmal die Tränen. Es ist unfassbar, völlig unbegreiflich, was in diesem Lager geschehen ist und wozu Menschen fähig sind, wozu uns aber auch der Überlebenswille fähig macht. Das alles wird am Protagonisten Ernst Hoffmann deutlich, der trotz seiner Abscheu vor dem Geschehen und seinem eigenen Leiden darunter auch selbst über Leichen geht. Und doch spielt auch Humor, Humor als Weg zum Überleben, eine große Rolle und einige Male musste ich auch lachen oder zumindest lächeln. Auch die Liebe zu seiner Helena, die seinen Überlebenswillen sichert und für deren Leben er schließlich sogar vor den SS-Leuten auftritt, spielt eine wichtige Rolle.


    Aufmerksam wurde ich auf das Buch in unserer örtlichen Buchhandlung durch eine Mitarbeiterin, die das Buch selbst gelesen hatte und das Buch im Regal mit einer Kurzrezension markiert hatte.
    Ich muss ganz ehrlich sagen, kein Geschichtsunterricht, kein Besuch in Mauthausen, keine „Schindlers Liste“ und was es sonst noch so an Filmen und Dokus zum Thema gibt, konnte mir vor Augen führen, wie schrecklich der Holocaust und Auschwitz wirklich waren. Dieses Buch hat es glaube ich geschafft, mir diese unfassbaren Geschehnisse weitestgehend klar zu machen.
    Ich finde, jeder sollte dieses Buch gelesen haben, auch wenn, oder gerade weil, es nicht einfach ist mit dem Gelesenen umzugehen.

    Ich lese gerade


    “Words are pale shadows of forgotten names. As names have power, words have power. Words can light fires in the minds of men. Words can wring tears from the hardest hearts.”
    ― Patrick Rothfuss, The Name of the Wind

  • Klingt sehr interessant. Habe mir das Buch bereits bestellt und bin wirklich gespannt was da auf mich zu kommt.
    Beim Lesen Deiner Rezi fühlte ich mich an "Der Funke Leben" von Erich Maria Remarque erinnert. Dieses Buch, das ebenfalls den Alltag in einem KZ beschreibt hat mich damals beim Lesen sehr beeindruckt. Und Erich Maria Remarque steht sowieso für hohe, schriftstellerische Qualität.

  • Danke katzerl für die Rezension - das Buch ist auf meine Wunschliste gewandert :wink:
    Da Dir dieses Buch so gut gefallen hat, könnte auch "Gerron" ein Buch für Dich sein: es ist die Romanbiographie des deutschen Schauspielers Gerson, der sich zu spät zu einer Flucht durchringen konnte und so mitsamt seiner Frau in Theresienstadt landet. Auch er wurde von den Lagerkommandanten erpresst, den Propagandafilm "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt" zu drehen - sie drohten ihm sonst mit dem Tod seiner Frau. :( Ein sehr bewegendes Buch zumal man weiß, dass es sich eben so abspielte.....

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Klappentext von der Verlagsseite:


    Der niederländische Komiker Ernst Hoffmann wird 1944 in einem Viehwaggon mit anderen Verfolgten in ein Konzentrationslager in Polen gebracht. Um seine Mitgefangenen vor der endgültigen Verzweiflung zu bewahren, unterhält er sie abends mit Witzen. Als der deutsche Lagerkommandant davon erfährt, will er Hoffmann dazu bringen, vor den SS-Leuten als Kabarettist aufzutreten. Erst weigert sich der Komiker, doch dann verspricht ihm der Lagerkommandant, die Frau, in die sich Hofmann auf dem Transport verliebt hat, am Leben zu lassen …


    Autoreninfo von der Verlagsseite:


    Pieter Webeling, 1965 geboren, veröffentlichte 2008 seinen ersten Roman, Veertig dagen. (Cossee). Als Journalist führte Pieter Webeling für angesehen holländische Zeitungen viel beachtete Interviews, unter anderem mit Holocaust-Überlebenden und mit Komikern. Nachdem er sich auch mit einem zeitgenössischen Komiker, den in den Niederlanden berühmten Youp van’t Hek, unterhalten, weitere Zeitzeugen interviewt und mehrfach die Gedenkstätte des Stammlagers Auschwitz und Birkenau besucht hatte, schrieb Pieter Webeling De lach en de dood (Das Lachen und der Tod), der 2010 bei Cossee erschien, ein Roman, der die ambivalente Rolle des Humors in einem totalitären System lebendig macht.


    Erster Satz


    Es war mir oft aufgefallen, wie hässlich Menschen werden, wenn sie lauthals lachen.


    Aufbau:


    Aufgeteilt ist “Das Lachen und der Tod” in 42 Kapitel und einem Nachwort. Die 320 Seiten umfassende Fassung ist aus der Ich-Perspektive geschrieben.


    Meinung


    “Das Lachen und der Tod” erzählt die Geschichte des niederländischen jüdischen Komikers Ernst Hoffmann, der 1944 mit einem Zug nach Auschwitz deportiert wurde. Dadurch das die gesamte Handlung aus der Sicht von Ernst Hoffmann geschrieben ist, hat mich das Buch nicht nur direkt gefesselt, sondern im Laufe der Handlung immer wieder an meine Grenzen gebracht. Denn Pieter Webeling beschreibt schonungslos und offen, das Vorgehen im Lager von Auschwitz, den Hass der Kapo, die Menschenverachtung der SS und des Kommandanten sowie das Leid der Lagerinsassen.


    Dem Komiker Ernst Hoffmann bin ich während der gesamten Handlung sehr nahe gekommen und man spürt immer wieder, wie er leidet unter der Situation für die Soldaten der Wehrmacht auf der Bühne zu stehen. Aber würde er dies nicht tun, dann würde Helena, die Frau, die er im Zug kennen gelernt und sich verliebt hat, sterben. Ein grausames Spiel, aber er erkennt auch das die Witze und das daraus resultierende Lachen ihn und seine Mitgefangenen überleben lässt. Lachen um zu überleben und dem ganzen Leid zu trotzen.


    Mit seinem gefühlvollen und sensiblen Beschreibung von Ernst Hoffmann und dem Lageralltag gelingt es Pieter Webeling immer wieder den Schrecken und das Grauen der Zeit einzufangen ohne es dabei zu verharmlosen. Mir standen während der einzelnen Szenen nicht nur oft die Tränen in den Augen, sondern sie flossen mir auch über die Wangen: Wenn er von der Aufteilung der Menschen nach dem Ankommen schreibt, das Sortieren der Kleidung der ermordeten Menschen, der wahnsinnige Hang der Kapo willkürlich Gefangene zu erschießen oder aufzuhängen oder auch die Foltermethoden. Immer wieder musste ich das Buch zuklappen und eine Weile zur Seite legen, um mich wieder zu sammeln. Es ist nicht das erste Buch, dass ich über Auschwitz und den Holocaust gelesen habe, aber gerade dieser schonungslose Erzählung aus der Ich-Perspektive, hat mir so einiges abverlangt.


    Auch wenn man schon vom ersten Kapitel an weiß, dass Ernst Hoffmann Auschwitz überlebt hat, fragt man sich doch im Laufe der Handlung was Auschwitz aus ihm gemacht hat und ob er, wie er vorgehabt hat, es geschafft Menschenleben zu retten. Gerade diese Frage hat mich während des gesamten Geschehens beschäftigt. Wird er Helena wieder sehen nach dem Lager und wie ergeht es einigen seiner Mitgefangenen. Was wird aus dem Lagerältesten, der zu einem Freund für ihn wurde, was aus dem Orchester und was aus dem Clown. Fragen, auf die es dann auch eine Antwort gab im Laufe der Handlung.


    Fazit
    “Das Lachen und der Tod” ist kein leichtes Buch, es erschüttert einen bis ins Mark und lässt einen auch nachdenklich und fassungslos zurück. Und man wünscht sich, dass so etwas nie wieder passiert. Allerdings erkennt man auch eins: Humor kann Leben retten. Eine absolute Kaufempfehlung.


    Bewertung:


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Liebe Grüße von der buechereule :winken:


    Im Lesesessel


    Kein Schiff trägt uns besser in ferne Länder als ein Buch!
    (Emily Dickinson)



    2024: 010/03.045 SuB: 4.302

    (P/E/H: 2.267/1.957/78)

  • Wow, was für ein Buch :thumleft:


    Die Lektüre war stellenweise - ach, was eigentlich war die ganze Lektüre sowas von harte Kost. Oft musste ich Stellen mehrmals lesen, weil ich so schockiert war.
    Und das ist bei Weitem nicht das erste Buch über diese Thematik, das ich lese. Aber das hier ist so schonungslos, was definitiv auch gut und angebracht ist, dass es einem echt teilweise den Atem raubt.
    Obwohl ich schon eine Nacht drüber geschlafen (und davon geträumt :-# ) habe, kann ich noch immer nicht viel dazu sagen.
    Einfach ein grandioses Buch, das eigentlich jeder gelesen haben sollte. Ich kann mich der Rezension von @buechereule voll und ganz anschließen :!:


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Danke für die Vorstellung und Bewertung der Geschichte. Kommt auf meine Leseliste, weil solche Geschichten lese ich immer wieder gerne, weil es hält auch einem vor Augen, zu was für Gräueltaten Menschen fähig sind.