Stewart O'Nan - Emily, allein / Emily, Alone

  • Über den Autor:
    Stewart O´Nan wurde 1961 in Pittsburgh geboren und wuchs in Boston auf. Er arbeitete als Flugzeugingenieur und studierte in Cornell Literaturwissenschaft. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Avon, Connecticut. Für seinen Erstlingsroman "Engel im Schnee" erhielt er 1993 den William-Faulkner-Preis. (Quelle: Perlentaucher.de)



    Buchinhalt:
    A sequel to the bestselling, much-beloved Wish you were here, Stewart O'Nan's intimate new novel follows Emily Maxwell, a widow whose grown children have long moved away. She dreams of visits from her grandchildren while mourning the turnover of her quiet Pittsburgh neighborhood, but when her sole companion and sister-in-law Arlene faints at their favorite breakfast buffet, Emily's days change.
    As she grapples with her new independence, she discovers a hidden strength and realizes that life always offers new possibilities. Like most older women, Emily is a familiar yet invisible figure, one rarely portrayed so honestly. Her mingled feelings – of pride and regret, joy and sorrow – are gracefully rendered in wholly unexpected ways.
    Once again making the ordinary and overlooked not merely visible but vital to understanding our lives, Emily, Alone confirms O'Nan as an American master. (Klappentext)


    Das Buch umfasst 254 Seiten unterteilt in viele kleinere Kapitel mit ziemlich treffenden Titeln.


    Meine Meinung:
    Emily Maxwell ist Witwe und lebt ihr Leben alleine in ihrem Haus in Pittsburgh. Die beiden Kinder sind groß, selbst die Enkel sind teilweise schon flügge und alle leben ihr Leben – und welches Leben lebt Emily? Das Verhältnis zu den Kindern und der Schwiegertochter ist etwas schwierig, der Kontakt zu den Enkeln nicht so eng wie sie es gerne hätte. Alle leben weit verstreut, nur ihre Schwägerin Arlene lebt noch in der Nachbarschaft und ist ihr engster Kontakt. In ihrem Umfeld ist sie die „letzte Überlebende“ der alten Nachbarschaft, in der sie ihr Leben lebte und zusammen mit Henry ihre Kinder aufzog. Wer und was bleibt vom Leben, wenn alle ihre eigenen Wege gehen? Diese Frage beantwortet Stewart O'Nan mit kleinen Geschichten und Episoden aus einem knappen Jahr in Emilys Leben – denn es bleibt schon viel mehr als man denkt und erwartet, auch wenn es vielleicht nicht so aufregend bleibt wie zu den Zeiten, als man jünger war. Das Leben bietet immer neue Wendungen und Überraschungen, manchmal kleine, manchmal größere – manche kommen über einen, manche hat man selbst in der Hand. Und manche will man vielleicht auch gar nicht, weil sie die bequeme kleine Routine des eigenen Daseins stören – aber hinterher ist man eventuell doch froh darüber. Was kommt, und was man vielleicht ja auch gar nicht immer will, sind die Einsichten über sich und sein eigenes Leben: ist man so, wie man immer sein wollte? Hat man sein Leben im Rückblick so gelebt, wie man es wollte? War es besser, war es schlechter als erhofft? Ist man selbst denn seinen eigenen Anforderungen immer gerecht geworden? Was bleibt gegen Ende des Lebens?
    So unaufgeregt die Geschichte und die Geschichten in diesem Buch sind, so einfach, klar und unaufgeregt ist der Schreibstil Stewart O'Nans. Ein Stil, den ich sehr liebe und auch in all den anderen Büchern, die ich von ihm schon gelesen habe, sehr schätze. Da ich das amerikanische Original gelesen habe, kann ich leider keine Aussage über die Übersetzung machen.
    Ich war mir anfangs gar nicht bewußt, dass dieses Buch die Fortsetzung eines anderen ist. Und ich durfte beruhigt feststellen: es macht nichts, dass ich das vorherige Buch noch nicht gelesen habe. Es fehlte keine Information aus Emilys vorherigem Leben, um dieses zweite Buch zu verstehen und zu genießen.

  • Ich stelle mit Erstaunen fest, dass es hier bislang nur den einen Eintrag von Squirrel zu diesem Buch gab. Dann muss ich hier in Frankreich wohl mehrere Reaktionen und positive Meinungen zu diesem Buch gelesen haben ?!


    Nun wollte ich mir mit einem französischen Exemplar eine eigene Meinung bilden. Mit 80 Jahren ist Emilys Leben nicht vorbei. Einerseits bricht durch diese und jene Umstände hindurch, dass manche Möglichkeiten vergehen, dass Alltäglichkeiten einen vor Herausforderungen stellen können. Aber andererseits scheint vieles an dem zu liegen, was man noch so draus macht. Passend, am passendsten in der Rezi von Squirrel finde ich diese Bemerkung über Inhalt, Stil und Sprache :



    So unaufgeregt die Geschichte und die Geschichten in diesem Buch sind, so einfach, klar und unaufgeregt ist der Schreibstil Stewart O'Nans.


    Allerdings kann es sein – ohne selber Fan von « Actionbüchern » zu sein -, dass es fast zu gemächlich, ruhig vonstatten geht. Mir kam die Sprache doch relativ trocken vor : keine richtigen Besonderheiten, Hüpfer, Hoch oder Tiefs. Eine Distanz, die mir eher schwerfiel, wobei ich gar nicht so recht weiß, ob das Wort « Distanz » es trifft. Soll ich gestehen, dass ich mich leicht langweilte ?


    Ich muss zugeben, dass ich nach 80 Seiten abgebrochen habe...

  • Inhalt

    Emily und ihre Schwägerin Arlene fahren einmal in der Woche gemeinsam zum Frühstücken, an dem Tag, an dem die Rabattcoupons des Restaurants in der Zeitung erscheinen. Die beiden alten Frauen wirken dabei wie ein altes Ehepaar, das außer festen Riten keinen Lebensinhalt mehr hat. Arlene fährt; denn das Auto, das Emilys Mann hinterlassen hat, staubt seit Jahren in der Garage vor sich hin. Eigentlich dürfte Emily schon lange nicht mehr zu Arlene ins Autos steigen, die unkonzentriert fährt und gesundheiltich angeschlagen wirkt. Doch wie sollte Emily ohne Arlene aus dem Haus kommen? Bei einem der Frühstücke erleidet Arlene eine Art leichten Schlaganfall und wird einige Tage zur Beobachtung im Krankenhaus behalten. Emily ist ohne Arlene plötzlich von der Welt abgeschnitten und fällt eine folgenreiche Entscheidung - sie kauft sich ein kleines Auto, das sie selbst bewältigen kann. Unglaublich, dass eine achtzigjährige Frau, die sich diese Anschaffung leisten kann, sich vor anderen dafür rechtfertigen muss. Die Besuche im Krankenhaus haben Emily neue Kontakte eingebraucht und gezeigt, in welch überschaubarem Umfeld sie bisher gelebt hat. Emilys Kinder leben weit entfernt und sehen den Kontakt zu ihrer Mutter als lästige Verpflichtung. Das familiäre Minenfeld einer alkoholkranken Tochter und einer ungeliebten Schwiegertochter lässt sich nach außen nur notdürftig verdecken. Rhetorisch bemühte Erkundigen, ob die Kinder zu Weihnachten oder zu Thanksgiving zu Besuch kommen, wirken in Emilys Situation als reine Provokation. Außer Arlene, ihrer Putzfrau Betty und dem Hund Rufus hatte Emily keine Gesprächpartner. Kleinigkeiten, wie die geheimnsivolle Zahl, die jemand vor Emilys Grundstück auf die Straße gesprüht hat, türmen sich in ihrem geordneten kleinen Leben leicht zu Riesenproblemen auf. Der Freundeskreis der beiden Frauen schrumpft durch Todesfälle ständig; Beerdigungen, Emilys Testament und die Planung ihrer eigenen Trauerfeier sind Emily wichtig. Sie lebt ein Leben auf Abruf und ahnt, dass auch sie eines Tages im Haus stürzen könnte und dann dort nicht mehr allein leben kann. Auch wenn zu Beginn des Buches Emily schon am Ende ihres Leben angekommen zu sein schien, erleben die beiden Frauen durch das neue Auto eine zweite Jugend.


    Fazit

    Stewart O'Nan, in dessen Geburtsstadt Pittsburgh der Roman spielt, reiht viele kurze, banale Alltagserlebnisse aneinander, die als Gesamtbild Emily in einem überraschend erfüllten Leben zeigen. O'Nans hinreißend exakt beobachtete Details aus dem Leben der beiden alten Menschen zeigen ihn auch in diesem Buch als wunderbaren Erzähler.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Ravik Strubel - Blaue Frau

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow