1956 lebt Lion Feuchtwanger,weltberühmt und wohlhabend, doch von Alter und Krebs geschwächt, in
Kalifornien. Seine Frau ist an diesem bestimmten Tag nicht zu Hause. Sie treibt
den Antrag auf amerikanische Staatsbürgerschaft voran, den ihr Mann und sie
seit Jahren verfolgen – ein schwieriges Unterfangen, denn auch wenn McCarthys
„Red Scare“ zu Ende ist, muss sich Feuchtwanger, wie viele Intellektuelle zu
jener Zeit, des Verdachtes erwehren, antiamerikanischer Kommunistenfreund zu
sein.
Feuchtwanger irrt durchs Haus, befasst sich mit Stoff für seinen neuen Roman (Jefta und seine Tochter), und versucht, den geschriebenenAnweisungen seiner Frau zu folgen, um sich mit Essen zu versorgen. Doch er ist abgelenkt und schwelgt in Tagträumen und Erinnerungen, denn am Morgen ist ein
Telegramm eingetroffen – Bertolt Brecht ist in Berlin gestorben. Die Nachricht
trifft Feuchtwanger schwer; den viel jüngeren Brecht betrachtet er in gewisser
Weise beinahe als Ziehsohn. Trotz aller künstlerischen Unterschiede lässt er
schwermütig seine Beziehung zu Brecht Revue passieren, erinnert sich an ihr
erstes Aufeinandertreffen, an Brechts Affären, seine Wutausbrüche, gemeinsames
Arbeiten.
Dabei tritt nicht nur Brecht auf (u.a. beschrieben als „genialisches Naturereignis“). Die Feuchtwangers sind schließlich nicht die einzigen, die Hollywood als Exil gewählt haben, und auch
nicht die einzigen, die von McCarthys Schergen beschattet werden. Charlie
Chaplin, Thomas und Heinrich Mann und Humphrey Bogart, sind im Hause
Feuchtwanger ein- und ausgegangen, und auch daran erinnert sich
Feuchtwanger/Modick an diesem Tag.
Modicks Buch ist schmal – dicht an dicht reihen sich große Namen, historische Ereignisse und eine Vielzahl an Gedanken und Überlegungen – besonders im Hinblick auf die Arbeit des Schriftstellers und Sprache. So bleibt beispielsweise besonders der Absatz im Gedächtnis, in dem Feuchtwanger/Modick zu dem Schluss kommt, dass die Übersetzung eines Textes immer eher „die Totenmaske des Originals“ sei: „Der Duft,die Nuance ist fort, das Leben ist gewichen“.
Das Buch ist ein atemlos vorgetragener Monolog, den man am besten auch in einem Rutsch durchliest – und den man am ehesten zu schätzen weiß, wenn man einige Bücher von Feuchtwanger
kennt, und zumindest in groben Zügen mit Brechts Arbeit vertraut ist.
Andererseits: nötig ist es nicht. Wenn es sich hier nicht um Brecht und
Feuchtwanger handelte, sondern um zwei fiktive Schriftsteller, wäre das Buch
immer noch lesenswert, und sollte mit angehaltenem Atem von der ersten zur
letzten Seite verschlungen werden. Aber im Nachhinein bitte einmal durchatmen,
und die schönsten Formulierungen und Gedanken Revue passieren lassen.