Klappentext:
Eine einsame Insel vor der Küste von Kalifornien, die für die einen die Hölle ist, für die anderen das Paradies: Die schwindsüchtige Marantha verschlägt es 1888 nach San Miguel. Während sie sich, geplagt vom rauen Klima, von Monotonie und Einsamkeit, dem Leben entzieht, schafft es Adoptivtochter Edith, dem tyrannischen Vater und der verhassten Insel zu entfliehen. Jahrzehnte später zieht Elise Lester dorthin und findet mit ihrer Familie ihr Glück. Die Presse in den USA feiert die Lesters mitten in der Weltwirtschaftskrise als Inbild vom Mythos der Pioniere, doch die Idylle trügt. Boyle gelingt es meisterhaft, in dieser großen Saga das Schicksal dreier starker Frauen lebendig werden zu lassen. (von der Verlagsseite kopiert)
Zum Autor:
T. Coraghessan Boyle, 1948 in Peekskill, N.Y., geboren, unterrichtete an der University of Southern California in Los Angeles. Bei Hanser erschienen zuletzt Willkommen in Wellville (Roman, 1993), América (Roman, 1996), Riven Rock (Roman, 1998 ), Fleischeslust (Erzählungen, 1999), Ein Freund der Erde (Roman, 2001), Schluß mit cool (Erzählungen, 2002), Drop City (Roman, 2003), Dr. Sex (Roman, 2005), Talk Talk (Roman, 2006), Zähne und Klauen (Erzählungen, 2008 ), Die Frauen (Roman, 2009), Das wilde Kind (Erzählung, 2010) und Wenn das Schlachten vorbei ist (Roman, 2012). (von der Verlagsseite kopiert)
Allgemeine Informationen:
Originaltitel: San Miguel
Erstmals erschienen 2012 bei Viking, New York
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Dirk van Gusteren
Gegliedert in drei Großkapitel, „Marantha“, „Edith“ und „Elise“
Unterteilt in 22, 10 und 25 betitelte Abschnitte
Jeweils aus der personalen Perspektive der Protagonistin des Kapitels erzählt
444 Seiten
Inhalt:
Die schwindsüchtige Marantha hat ihr gesamtes Vermögen in den Traum ihres Ehemannes Will gesteckt, eine Schaffarm auf der Insel San Miguel vor der kalifornischen Küste zu bewirtschaften. Gemeinsam mit der Adoptivtochter Edith zieht die Familie um. Doch statt – wie von Will versprochen – durch Seeluft und Ruhe gesund zu werden, zehren die Feuchtigkeit und die schwere Arbeit Marantha aus. Neben der Verschlechterung des Gesundheitszustands machen ihr die Einsamkeit und die Langeweile zu schaffen. Erst als sie Edith in flagranti mit dem Farmarbeiter Jimmie ertappt, findet sie den Mut, ihre Entscheidung zur Rückkehr aufs Festland gegenüber Will durchzusetzen.
Gegen ihren Willen wird Edith von ihrem Adoptivvater Will zurück nach San Miguel gebracht. Jetzt ist die Lage schlimmer als früher, denn Edith ist die einzige Frau im Haus, hat also sämtliche Pflichten einer Hausfrau zu übernehmen, dabei träumt sie von einer Karriere als Schauspielerin und Sängerin. Ihrer Wirkung auf Männer ist sie sich bewusst, und irgendwann – so ihre Sehnsucht - wird sie sicher jemanden einwickeln, der sie von Will und San Miguel befreit …
Elise liebt ihren Mann Herbie von Herzen. Eine eigene Farm weit ab vom hektischen Stadtleben ist ihr beider Traum. Mit Geschick und Fleiß verwandeln sie das alte Farmhaus in ihr Zuhause und nehmen die anstrengende Arbeit mit den Schafen auf sich. Als sie zwei Töchter bekommen, ist ihr Glück vollkommen. Elise unterrichtet die Mädchen selbst; auch wenn das Geld knapp ist, kommen sie aus. Bis sie von den Medien entdeckt und zum Mittelpunkt einer Serie von Berichten werden. Bis der zweite Weltkrieg ausbricht, der trotz der großen Distanz in ihr Leben einbricht.
Eigene Meinung / Bewertung:
Falls man Boyle noch nicht kennt, weiß man nach spätestens 10 Seiten: Hier schreibt ein großer Geschichtenerzähler (wer ihn kennt, weiß es sowieso). Man empfindet mit Marantha, erlebt ihre Atemnot, ihren inneren Widerstand gegen das neue Zuhause mit, gleichzeitig fühlt man mit Will, der sich endlich seinen Traum erfüllt und mit den ständigen Attacken seiner Frau kämpft – sowohl den gesundheitlichen, als auch den Launen. Es ist typisch Boyle, dass er sich nicht auf eine Seite schlägt, sondern dem Leser überlässt, welchem Protagonisten er mit mehr Verständnis und Sympathie folgt.
Edith, die als Kind mit der tödlichen Krankheit der Mutter und den Zwistigkeiten der Eltern aufwächst, identifiziert sich, was San Miguel betrifft, trotz ihrer Eigenwilligkeit mit der Mutter. Sie wehrt sich. Und um ihre Pläne durchzusetzen, besinnt sie sich auf das Einzige, das ihr Selbstbewusstsein verleiht: Ihre Schönheit und ihre Wirkung auf Männer. Ihre Hoffnung: Dass sie inmitten der Schafscherer und Seeleute auf ihren Befreier trifft. Doch Enttäuschungen sind vorprogrammiert, denn sämtliche Männer, die auf die Insel kommen, sind in ihrer Arbeit von Will abhängig.
Dann endlich das Kontrastprogramm: Elise. Endlich, weil man auf eine Protagonistin trifft, die sich nicht in Nörgelei oder Jammer verliert, sondern zufrieden mit ihrem Los ist, die eine glückliche Ehe führt, in der trotz der traditionellen Rollenverteilung einer den anderen unterstützt und bestärkt. Elise und Ehemann Herbie ziehen zwei Töchter groß und genießen ungeachtet der schweren Arbeit und finanziellen Probleme die Abgeschiedenheit und Autarkie ihres Alltags.
Auch den Zweiten Weltkrieg, dessen Konflikte sich bis vor ihre eigene Haustür ausdehnen, überstehen sie. Bis das Schicksal zuschlägt.
Elise und Herbie sind einander so verbunden, dass sie nur als Paar handeln. Was dem einen schadet, trifft den anderen ebenso.
Der Schauplatz San Miguel gehört zu den Inseln vor der kalifornischen Küste, auf denen bereits „Wenn das Schlachten vorbei ist“ angesiedelt ist.
Die Themen „Besiedlung“ und „Ein Zuhause schaffen“ sind in Boyles Literatur nichts Neues. Wie immer nehmen Natur, Wetter, Licht und Gezeiten eine beinah personale Rolle ein. Und sind immer wieder anders, je nachdem, wer sie betrachtet. Und jeder kämpft auf seine Weise mit der Natur oder gegen sie.
Eine Siedlungsgeschichte, zwei Familiengeschichten, ein Anklang von Abenteuerroman und ein typischer Boyle. Wer irgendeins davon mag, sollte sich das Buch nicht entgehen lassen. Auch geeignet als Einstieg in Boyles Werk.
Fazit:
Eine kraftvoll geschriebene, lebendige und fesselnde Erzählung.