Helene Wecker - Golem und Dschinn/The Golem and the Jinni

  • Achtung, außergewöhnliches Highlight-Potential :love:


    Kurzbeschreibung:
    New York, 1899: Hier führt das Schicksal Chava und Ahmad zusammen, eine Frau aus Ton und einen Mann aus Feuer. Sie ist ein Golem, geschaffen von einem skrupellosen Rabbi und seit dem Tod ihres Meisters dazu verdammt, die Wünsche und Sehnsüchte ihrer Mitmenschen zu spüren. Er ist ein Dschinn, erinnerungslos und gebunden, dessen Neugierde und Leidenschaft ihm schon einmal zum Verhängnis wurden. Einzeln könnten sie gegensätzlicher nicht sein und doch entdecken sie zusammen eine Seelenverwandstchaft, die über die gemeinsame Angst, enttarnt zu werden, hinausgeht. Während sich beide ihr Leben im New York der Menschen aufbauen, gehört jede siebte Nacht Golem und Dschinn- bis sie auf ihren nächtlichen Streifzügen von ihren größten Feinden eingeholt werden und das Schicksal grausame Entscheidungen fordert...



    Meine Meinung:
    Selten habe ich ein Buch gelesen, dessen Cover derart perfekt zum Stil der Autorin passt. Man schlägt die erste Seite auf, man beginnt zu lesen- und es ist, als würde die Zeit um einen herum stillstehen, während man selbst in gleisendes Licht getaucht wird. Frau Wecker schreibt ruhig, sie schreibt gleichmäßig und fast ein wenig distanziert. Aber ihre Geschichte ist nur auf den aller ersten Blick in monotonem Grau gehalten und wer sich darauf einlässt, der wird einer so einzigartigen, wie ungewöhnlichen Erzählerin lauschen dürfen. Ich kann nicht einmal genau sagen, was so besonders ist an ihr. Sie schreibt weder spannend im klassischen Sinne, noch effektheischend und auch nicht gefühlvoll. Und trotzdem konnte ich nicht aufhören zu lesen, trotzdem haben mich ihre Sätze teilweise bis ins Mark getroffen und trotzdem habe ich mit den Charakteren gefeiert, gefiebert und gelitten, wie nur selten. Vielleicht macht gerade das den Zauber dieses Buches aus: Es ist eine Oase der Ruhe, zwingt den Leser zu nichts- und nimmt ihn trotzdem mit Haut und Haar gefangen.


    Denn Golem und Dschinn, diesen beiden ungewöhnlichsten aller Charaktere, kann man sich einfach nicht entziehen. Allein schon die Idee ist grandios und hat für mich das Buch erst interessant gemacht: Eine Frau aus Lehm trifft auf einen Mann aus Feuer. Nur dass Chava und Ahmad so viel mehr sind, als nur eine interessante Konstellation von Fabelwesen. Die Autorin hat hier zwei Protagonisten geschaffen, die an Vielschichtigkeit ihres gleichen suchen und deren Geschichten an Kreativität kaum zu überbieten sind. Viel mehr möchte ich gar nicht verraten, denn ein großer Reiz von „Golem und Dschinn“ besteht darin, die beiden kennenzulernen und ihre Entwicklung begleiten zu dürfen. Nur so viel: Ich kann mir im Moment nicht vorstellen, dass ich in all zu naher Zukunft wieder so mitgerissen sein werde von Schicksal und Eigenheiten irgendwelcher menschlichen Charaktere. Auch die Nebenrollen wurden durchweg liebevoll gestaltet und was mir besonders gut gefallen hat, war das große Gesamtgefüge, das aus all diesen Zahnrädchen entstanden ist.


    Es wird hier nicht einfach nur von Golem und Dschinn erzählt und wer ein romantisches Märchen vor der Kulisse des amerikanischen Traums und mit fantastischen Wesen in den Hauptrollen sucht, der wird sicher nicht glücklich werden. Dieses Buch ist keine einfache Liebesgeschichte. Vielmehr berichtet Frau Wecker von Chava, die gleichermaßen zum Dienen wie zum Töten erschaffen wurde und nun ihren Platz in einer Welt finden muss, die Selbstlosigkeit nur mit Argwohn begegnet. Frau Wecker erzählt von Ahmad, der vom hohen Ross eines mächtigen Dschinns langsam auf dem harten Boden der Tatsachen von Erinnerungslosigkeit, Gefangenschaft und Unruhe landet. Und die Autorin erzählt von Chava und Ahmad und einer ganz unbeschreiblichen Freundschaft. Aber ist das alles? Mitnichten! Denn die im Klapptext angekündigte Bedrohung existiert tatsächlich und hätte alleine schon Stoff für eine großartige Geschichte gegeben: Morgenländische Mythologie und Judentum? Dunkle Künste, Rabbis und Beduinen? Dass man all das und noch viel mehr auf 600 Seiten zu einem ganz und gar außergewöhnlichen Ganzen verknüpfen kann, das wirklich bis ins letzte liebevolle Detail durchdacht ist, das beweist Helene Wecker mit „Golem und Dschinn“. Lest am besten keine Inhaltsangaben, sondern reibt an der Wunderlampe namens Buchdeckel und lasst euch davontragen!

    Fazit:
    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:
    Kein Buch für die schnelle Unterhaltung sondern eine märchenhaft anmutende Geschichte über moralische Verantwortung, das menschlichen Wesen und eine nicht-menschliche Beziehung, für die das Wort „außergewöhnlich“ erfunden sein könnte.

    :study: Das Lächeln der Fortuna (R.Gable)
    :bewertung1von5: Bücher/Seiten 2022: 53/23.270 || SUB 277 O:-) (Start:287)

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    "Bücher sind Wahrheiten inmitten von Lügen." / S.King
    "Ein Frosch ohne Humor ist nur ein kleiner grüner Haufen." / Muppet Show
    "Why do most people fail to give each other the fairy tale?" / M.Quick

  • Das Original ist unter dem Titel "The Golem and the Jinni" erschienen.

    :study: Das Lächeln der Fortuna (R.Gable)
    :bewertung1von5: Bücher/Seiten 2022: 53/23.270 || SUB 277 O:-) (Start:287)

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    "Bücher sind Wahrheiten inmitten von Lügen." / S.King
    "Ein Frosch ohne Humor ist nur ein kleiner grüner Haufen." / Muppet Show
    "Why do most people fail to give each other the fairy tale?" / M.Quick

  • Vielen, vielen Dank für die tolle Rezi! Ich hab jetzt richtig Lust das Buch in die Hand zu nehmen und los zu legen :lechz:

    Ganz viel Spaß beim Lesen :friends: Das Buch ist bestimmt nicht jedermanns Sache, aber mich hat es wirklich völlig gefangen genommen und ich konnte nicht mehr aufhören zu lesen. Ich saß stundenlang im unbequemen Schreibtischstuhl, weil ich "nur ein Kapitel" lesen wollte und dann nicht mal unterbrechen konnte, um mich aufs Sofa zu verziehen :loool:

    :study: Das Lächeln der Fortuna (R.Gable)
    :bewertung1von5: Bücher/Seiten 2022: 53/23.270 || SUB 277 O:-) (Start:287)

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    "Bücher sind Wahrheiten inmitten von Lügen." / S.King
    "Ein Frosch ohne Humor ist nur ein kleiner grüner Haufen." / Muppet Show
    "Why do most people fail to give each other the fairy tale?" / M.Quick

  • Teufelsfrosch! Hättest du nicht zu einem günstigen Taschenbuch so eine begnadete Rezi schreiben können? :wuetend: Oder wenigstens das einzigartige Cover weglassen? Neiiiiiiin, du postest sogar einen Link auf meine Pinnwand und ich falle darauf herein. :roll:

    "Bücher lesen heisst wandern gehen in ferne Welten aus den Stuben über die Sterne." Jean Paul

  • Grandioses Romandebüt


    Wieder einmal bin ich durch das Amazon Vine Programm auf ein wunderbares Buch gestoßen, welches sich sonst evtl. meiner Aufmerksamkeit entzogen hätte. Ich selbst würde „Golem und Dschinn“ zwar in die Sparte historische Fantasy einordnen, wobei das aber eigentlich nur für die Zeit der Handlung und das Wesen der Hauptprotagonisten gilt. Die Message, die am Ende bei mir angekommen ist, heißt aber eigentlich Toleranz im Umgang mit Andersartigkeit und dass man hin und wieder auch Kompromisse machen muss. Das ist meiner Meinung nach immer wieder brandaktuell.

    Golem und Dschinn


    Chava ist ein Golem, der für einen nach Amerika auswandernden Juden geschaffen wurde. Dieser erweckte sie mitten auf dem Ozean und verstarb kurze Zeit später. So irrt sie erst einmal allein durch New York. Ein alter Rabbi erkennt sie als das was sie ist und nimmt sich ihrer an.


    Ahmad ist ein Dschinn, der 1000 Jahre in einer Flasche eingesperrt war und zufällig von einem Kupferschmied im syrischen Viertel von New York befreit wurde. Der Kupferschmied hilft dem Dschinn sich in der Welt der Menschen zu Recht zu finden.


    Beide Geschöpfe leben nun unentdeckt unter den Menschen in verschiedenen Vierteln von New York und sind wegen ihrer Andersartigkeit und dem Bewusstsein darum sehr einsam. Eines Tages im Jahr 1899 treffen sie sich zufällig, und erkennen einander als Wesen die es eigentlich gar nicht geben dürfte. Trotz vieler Unterschiede und Diskussionen spüren sie bald eine Art Seelenverwandtschaft…

    Die Autorin Helene Wecker


    wuchs lt. Verlagsinformationen in der Nähe von Chicago auf. An der Columbia University in New York studierte sie Kreatives Schreiben und lebt heute mit Mann und Tochter in der Nähe von San Francisco. Golem und Dschinn ist ihr Romandebüt.


    Fantastische Geschichte über das Zusammenleben von verschiedenen Individuen


    Von Anfang an konnte ich diesen in der Erzählperspektive geschriebenen und aus verschiedenen Handlungssträngen bestehenden Roman flüssig lesen. Obwohl die Einführung der unterschiedlichen Protagonisten ziemlich viel Zeit in Anspruch nimmt, ist durch das Wechseln der Handlungsstränge, den märchenhaft-fantastischen Elementen und vielen interessanten menschlichen Aspekten immer eine kribbelnde Grundspannung vorhanden. Auch die Beschreibungen der jeweiligen Umgebung gefielen mir und erzeugten Kopfkino.


    Obwohl es in der Realität Dschinns und Golems nicht gibt, fühlten sich die beiden Hauptprotagonisten für mich in dieser Geschichte wahr und richtig an. In beide konnte ich mich wunderbar hinein fühlen und verfolgte gespannt ihre Erlebnisse. Neben ihnen sympathisierte ich aber auch mit weiteren Figuren, andere betrachtete ich mit Misstrauen.


    Der Autorin gelang es meiner Meinung nach hervorragend menschliche Stärken und Schwächen einzubinden und diese auch auf die Fantasiewesen zu übertragen. Ihre Fähigkeit sich bewusst anzupassen, gepaart mit der eigentlichen Unlust dazu rang mir oft Bewunderung ab und brachte mich zeitgleich zum Nachdenken.


    Im letzten Drittel, als sich alle Handlungsstränge dann immer mehr zusammenfügten, nahm die Geschichte an Fahrt auf und kam nach einem aufregenden Showdown zu einem gefälligen Ende. Eine wunderbare Geschichte, die ich gern weiter empfehle.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Originaltitel: The Golem and the Jinni


    Dass es sich bei “Golem und Dschinn” um einen Fantasyroman handelt, sieht man dem Cover definitiv nicht an. Es zeigt ein schwarz-weißes Bild (vielleicht auch ein Foto), das mich an eine alte Bahnhofsvorhalle erinnert. Das Buch spielt im Jahr 1899 und das Bild könnte meiner Meinung nach gut in diese Zeit passen. Ohne das Wissen um den fantastischen Inhalt hätte ich das Buch mit dem Cover allerdings vermutlich nicht in die Hand genommen – höchsten vor Verwunderung, es in der Fantasyabteilung zu sehen.


    Die merkwürdige Bitte eines jüdischen Schreinereibesitzers, Otto Rotfeld, lässt den düsteren Yehudah Schaalmann einem wirklich besonderen Golem fertigen: Eine Frau aus Lehm, ein Golem mit eigenem Bewusstsein und einer völlig untypischen Eigenschaft – Neugier. Auf der Überfahrt nach New York erweckt Otto Rotfeld seinen Golem, nur um kurz darauf noch vor der Ankunft in New York zu versterben.
    Zu gleichen Zeit befreit der Schmied Arbeely bei einer Reparaturarbeit einen Dschinn aus einer uralten Flasche. Nach tausenden von Jahren sieht sich der Dschinn vor genau die gleiche Aufgabe gestellt wie der blutjunge Golem: Dem Leben und Überleben im New York gegen Ende der 1890er.


    “Golem und Dschinn” ist kein typischer Fantasyroman – und damit ist das Cover vielleicht sogar absolut passend. Die beiden Protagonisten sind nicht menschlich, ihre Probleme sind den unserigen jedoch sehr ähnlich. Beide bekommen von gutmeinenden Menschen den Rat, nicht aufzufallen. Beide verstecken ihre Andersartigkeit (so gut es geht) und beide können die Menschen nicht verstehen.


    Der weibliche Golem, der von einem Rabbi den Namen Chava bekommt, ist ein ziemlich gutmütiges Wesen. Ein Wesen, das die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen um sich herum spürt – und sie erfüllen will. Chava muss erst lernen, die Menschen nach ihren Taten und nicht nach ihren Gedanken zu beurteilen – und vor allem muss sie lernen, dass sie nicht jedermann glücklich machen kann.


    Ahmad ist völlig anders. Nach Jahrhunderten als Dschinn mit all seinen Möglichkeiten ist er nun gefangen und auf eine einzige Gestalt begrenzt, seine menschliche. Und auch wenn ihn die Menschen von je her faszinierten, kann er sie nicht verstehen. Chava kann man als selbstlos beschreiben, ihn als egoistisch – böse ist er jedoch nicht, auch er schließt Freundschaften und mit Absicht verletzt er eigentlich keinen (nur aus Gedankenlosigkeit). Seine Gedanken sind eben einfach anders – und über Gott sollte man mit ihm definitiv nicht diskutieren.


    Den Großteil des Buches machen diese zwei Figuren aus: Ihre Versuche, in der ihnen so fremden Welt zurecht zu kommen, die Menschen, die sie kennen und mögen lernen und das Aufeinandertreffen dieser zwei so verschiedenen Wesen. Schon alleine diese Schilderungen reichen, um den Leser an dem Buch zu halten – auch wenn man hierbei nicht von spannenden und atemberaubenden Szenen sprechen kann, sind die einzelnen Momente, die die beiden erleben, dennoch mitreißend. Man kann mit den zweien fühlen – und das, obwohl sie doch so verschieden von uns sind.


    Das Buch geht allerdings noch tiefer. Das hier und jetzt ist nicht das einzige, was zählt, und Helen Wecker beschreibt nicht nur das Schicksal von Golem und Dschinn. Die eigentliche Geschichte reicht weit länger zurück als man es zu Beginn vermutet. Und die einzelnen Fäden und Schicksale (bis hin zu denen der kleinsten Nebenfigur) laufen zum Ende auf einen wirklich spannenden Höhepunkt hin. Ein Höhepunkt, der den Leser in Atem hält – und sich fragen lässt, ob die Geschichte noch gut ausgehen kann.


    “Golem und Dschinn” ist ein Roman, der sich – ebenso wie seine Figuren – nicht in eine Schublade stecken lässt. Er ist weder klassische Fantasy noch ein typischer historischer Roman. Seine Protagonisten sind keine Menschen, aber doch menschlich. Und auch wenn die Geschichte nicht wirklich actionreich ist, ist sie doch fesselnd. Mir hat das Buch wirklich gut gefallen, eben weil es anders ist. Aber jedem wird diese Andersartigkeit vermutlich nicht liegen.

    Fairy tales are more than true: not because they tell us that dragons exist, but because they tell us that dragons can be beaten


    G.K. Chesterton

  • Inhalt
    Es ist das Jahr 1899 als Otto Rotfeld beschließt nach Amerika auszuwandern. Da er einsam ist und nicht gerade der Ansehnlichste, bittet er einen Rabbi ihm eine Golemfrau zu bauen. Auf dem Schiff erweckt er sie zum Leben, stirbt aber selbst kurze Zeit darauf. Ohne einen Meister und völlig verwirrt, geistert sie durch New York, bis sich Rabbi Meyer ihrer annimmt und sie lehrt auch ohne einen Meister zu leben. Zu etwa gleichen Zeit wird am anderen Ende der Stadt ein Dschinn aus der Gefangenschaft befreit. Vom Kupferschmied Arbeely lernt er sich in der neuen Welt anzupassen. Eines Nachts begegnen sich die zwei unterschiedlichen Wesen und knüpfen eine Freundschaft. In einander finden sie Partner, mit denen sie über alles sprechen können, über Themen, die die Menschen nicht verstehen würden. Sie ahnen aber nicht, dass eine uralte Gefahr bereits hinter ihnen her ist. Jemand, der ihre Kräfte für sich nutzen will.


    Meine Meinung
    Mit diesem Buch erzählt Helene Wecker die Geschichte zweier verschiedener Wesen. Zu einem die Geschichte des Wesens aus Lehm, einem Golem, dessen Körper der einer Frau ist. Zum anderen die Geschichte des Wesens aus Feuer, einem Dschinn, der beinahe ein Jahrtausend gefangen war.


    Ein Golem ist ein Wesen, dass dem Willen seines Meisters unterstellt ist, doch was, wenn dieser stirbt? Genau dies passiert hier. Angekommen in New York ist sie auf sich gestellt. Ohne die Wünsche eines Meisters, ist sie für alle offen und empfänglich. Von allen Seiten strömen sie auf sie ein. Als sie in Gefahr gerät, wird sie vom Rabbi Meyer aufgenommen. Er gibt ihr den Namen Chava und beginnt sie zu lehren die Wünsche der Anderen zu ignorieren. Chava lebt sich ein und versucht sich an einem normalen Leben. Sie sucht sich eine Arbeit und eine kleine Wohnung. Das Leben unter Menschen funktioniert irgendwie, doch sie versteht sich nicht und die Untätigkeit der Nächte macht sie wahnsinnig. Alles ändert sich allerdings, als sie den Dschinn kennen lernt.


    Ein Dschinn ist ein Wesen der Freiheit. Er liebt alles Glänzende und goldene, aber auch die Einsamkeit. Vor knapp tausend Jahren wurde er gefangen genommen und nun ist er wieder frei. In New York muss er ein neues Leben beginnen, gefangen in einem menschlichen Körper. Der Kupferschmied, der ihn befreite, Boutros Arbeely, nimmt ihn bei sich auf und gibt ihm Arbeit. Er nennt den Dschinn Ahmad. Dieser hat so gut wie alle Fähigkeiten verloren, kann Metall aber noch immer nach belieben formen. Ahmad passt sich dem Leben als Mensch an, fühlt sich darin allerdings eingeengt. Nacht für Nacht streift er durch die Stadt und sucht nach Neuem. So begegnet er einer seltsamen Frau, die ganz wie er, anders ist.


    Helene Wecker verbindet die Geschichte dieser magischen Wesen, mit denen der Menschen um sie herum. Sie verändern diese Menschen und lassen sie in gewissen Maßen an etwas magischem Teil haben.


    Der historische Roman mir einzelnen fantastischen Elementen wird mit einem weichen und historisch korrektem Schreibstil dargeboten. Die Umschreibung der Orte, aber auch der Menschen, lassen alles in gewisser Weise realistisch erscheinen. Liebevoll werden Details hinzugefügt um das Bild der Charaktere zu vervollständigen. So kann der Leser zwei völlig unterschiedliche Religionen kennen lernen und auch einige Gebräche dieser näher bringen. Hier lässt sich aber auch ein wenig Rebellentum erkennen. Die zwei Wesen fühlen sich eingeengt und gefangen in dieser Welt der menschlichen Regeln. Sie verstehen es nicht und versuchen sich allem anzupassen, auch wenn dies äußerst schwierig erscheint. Es geht aber auch um Selbstständigkeit. Chava und Ahmad versuchen ihren Platz zu finden, was nicht jedem gelingt.


    Das Buch und die darin erzählte Geschichte sind an sich ganz interessant, konnten mich aber nicht so überzeugen, wie manch andere Leser. Spannung konnte ich zwischen den Zeilen nicht finden, viel mehr erschien sie mir in einem Schwarz-Weiß Ton. Die Art, wie alles erzählt wurde, verwirrt teilweise durch die ganzen Perspektivwechsel und Zeitsprünge. Der Schreibstil selbst wirkte auf mich monoton. Es gab keine Hochs oder Tiefs, viel mehr eine gerade Konstante. Überraschungen oder unerwartete Wendungen ließen sich leider nicht finden. Meine Hoffnungen oder Erwartungen an dieses Buch wurden in keinster Weise erfüllt.


    Fazit
    Auf mehr als 600 Seiten wird eine mehr oder weniger interessante Geschichte dargeboten. Leser, die abgeflachte Storys auch gerne mal genießen, dürften dieses Buch mögen. Ein Fantasy Roman, der anders erzählt sicherlich zu etwas fantastischem hätte werden können.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • @-Kermit hat eine grandiose Rezension geschrieben und drückt alles aus, was mir einfällt und was ich schreiben könnte. Es wäre einfach eine Wiederholung in anderen Worten. Lange nicht mehr hat mich ein Buch derart eingefangen und bezaubert und ich kann nur jedem eine absolute Leseempfehlung aussprechen :pray:


    Warum der Verlag das wunderschöne und so perfekte Cover der Erstausgabe geändert hat, kann ich nicht nachvollziehen. Es passte wunderbar zu dieser Geschichte. Und hier noch ein paar Worte zu der jungen Autorin, die dieses wunderbare Debüt geschrieben hat:

    Zitat von Amazon

    Helene Wecker wuchs in Libertyville, Illinois, einer Kleinstadt nördlich von Chicago, auf. Nach ihrem Anglistikstudium arbeitete sie in Minneapolis und Seattle in den Bereichen Marketing und Werbung. Danach studierte sie Kreatives Schreiben an der Columbia University in New York. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihrer Tochter bei San Francisco. Golem und Dschinn ist ihr erster Roman.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Ich habe das Buch nun auch gelesen und bin sehr zwiegespalten in meinem Eindruck.


    Einerseits ist der Roman sehr flüssig und gut lesbar geschrieben, man bleibt dran, will weiterlesen. Die Charaktere sind lebendig und liebevoll gezeichnet, mit vielen der Figuren entwickelt man Mitgefühl. Als der Rabbi, der den Golem zu sich genommen und ihm geholfen hat, weiterzuleben, starb, sind mir fast die Tränen gekommen, so traurig fand ich das. Auch die Spannung in dem Buch zieht sich durch, man weiß bis zuletzt nicht so recht, wie es ausgeht, was da noch kommen kann.


    Andererseits verstehe ich nicht, was die Autorin mit diesem Roman letztlich aussagen oder erzählen oder dem Leser vermitteln will. Geht es "nur" um eine Fantasy-Geschichte der ganz anderen Art, mit jüdischen und arabischen Mythen und Elementen durchwoben? Geht es darum, dass Helene Wecker erzählen will, wie in der menschlichen Welt Andersartigkeit und Fremdheit überwunden und friedlich integriert werden kann? Geht es einfach nur um eine phantasievolle Erzählung mit einer eingebauten Liebesgeschichte? Was ist das Buch, was will es? Das hat sich mir nicht erschlossen.


    Ich kann nicht mal sagen, ob es mir nun wirklich gefallen hat oder nicht. Emotional stehe ich dem Buch seltsamerweise fast völlig neutral gegenüber. Nicht Fisch, nicht Fleisch, nicht berührend gut, nicht schlecht, irgendwie ist das Buch für mich nicht fassbar. Sowas ist mir bisher fast noch nie mit einem Buch passiert. Entweder ich mag ein Buch, oder ich mag es nicht, oder es langweilt mich. All das ist bei "Golem und Dschinn" nicht der Fall. Trotzdem kann ich kein abschließendes Urteil abgeben. Spontan würde ich es für mich zwischen 3 und vier Sternen einordnen, aber nicht mal da kann ich mich festlegen. :-k

  • Geht es "nur" um eine Fantasy-Geschichte der ganz anderen Art, mit jüdischen und arabischen Mythen und Elementen durchwoben?

    Das denke ich nicht, dazu ist es viel zu wenig Fantasy - dieser Teil ist das Grundgerüst, aber nicht das Thema :wink:


    Geht es einfach nur um eine phantasievolle Erzählung mit einer eingebauten Liebesgeschichte?

    Und das denke ich schon mal gar nicht - denn eigentlich ist es keine Liebesgeschichte, sondern es geht nach meinem Empfinden um Freundschaft, nicht um Liebe zwischen den Protagonisten - allen Protagonisten.


    Geht es darum, dass Helene Wecker erzählen will, wie in der menschlichen Welt Andersartigkeit und Fremdheit überwunden und friedlich integriert werden kann?

    Das sowie die Frage, was denn einen Menschen ausmacht, zum Menschen macht, sind für mich die beiden großen Themen des Buches. :D

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Keine Rezension, sondern eine klare Leseempfehlung. Wenn man den jiddischen Teil liest (vor allem am Anfang), hört man das im Kopf (ich zumindest) so, als würd ein Rabbi einem die Geschichte vorlesen, im arabischen Teil kommt mir das Gefühl weniger rüber, aber alles in allem ist es dieses Jahr, auch wenn ich Bücher wie die von der Canavan oder dem Brett gelesen hab, das schönste und stimmungsvollste Buch, das ich seit langem gelesen hab. Und die Recherche über das New York des 19. Jahrhunderts und die Beschreibung der Stadt ist einfach nur schön zu lesen :)


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: Power conspiracy - Pedro Urvi

    :musik: Keep away- M. R. Forbes

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    Ziel 2023: 65 Bücher

    Bisher: 59 (2 in Arbeit)


    Ziel 2022: 65 Bücher - 58 gel.

    Ziel 2021: 65 Bücher - 69 gel.

    Ziel 2020: 60 Bücher - 73 gel.

    Ziel 2019: 50 Bücher - 66 gel.

    Ziel 2018: 40 Bücher - 54 gel,

    Ziel 2017: 30 Bücher - 40 gel,
    Ziel 2016: 50 Bücher - 47 gel.
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    ~ Schreibend entsteht Geschichte ~