Margaret Atwood - Die Geschichte von Zeb / MaddAddam

  • Klappentext:


    Eine menschengemachte Plage hat die Erde leergefegt, aber eine kleine Gruppe hat überlebt, zusammen mit den grünäugigen Crakern - eine sanften Rasse, die biogeneriert worde ist um die Menschen zu ersetzen. Toby, ehemaliges Mitglied der Gärtner Gottes und eine Expertin für Pilze und Bienen, ist in den straßenklugen Zeb verliebt, der eine überaus interessante Vergangenheit hat. Der widerwillige Prophet der Craker, Schneemann-der-Jimmy, halluziniert; Amanda ist geschockt nach dem Angriff der Schmerzballer, und Elfenbeinbill sehtn sich nach der provokanten Flinken Füchsin, die mit Zeb flirtet. Währenddessen drohen die Pigoons und die Schmerzballer mit einem Angriff.


    Erzählt mit Witz, verwirrender Vorstellungskraft und dunklem Humor führt uns Margaret Atwoods Booker-PReis-ausgezeichneter unvorhersehbarer, beängstigender und schreined komische "MaddAddam weiter in eine herausfordernde dystopische Welt - ein bewegender und dramatischer Abschluss der international gefeierten Trilogie, die mit Oryx & Crake und Das Jahr der Flut begonnen hat.


    Eigene Beurteilung:


    Dies ist nun endlich der dritte und letzte Teil der „Oryx-&-Crake“-Trilogie. Netterweise sind der aktuellen Romanhandlung zwei Zusammenfassungen zu den beiden ersten Bänden vorangestellt, damit man weiß, wo man am Anfang dran ist. Dieser Teil beginnt kurz nach den Enden von „Oryx & Crake“ und „The Year of the Flood“, nachdem die Überlebenden der Gärtnergemeinde und einige ihrer alten Weggefährten Amanda mit Jimmys Hilfe aus den Händen der „Schmerzballer“ gerettet haben und auch Crakes Hominiden, die Craker, getroffen haben, die so ganz anders sind als Menschen es vor der wasserlosen Flut waren. Dieser letzte Teil der Trilogie erzählt nun verschiedene Geschichten – und zwar in der Regel in der Form eines Journals, das Toby führt – und zum Teil durch die Gespräche, die sie mit den anderen „Doppelhäutigen“ führt um die Lücken im Journal ausfüllen zu können. Und mehr als das: Weil Jimmy nach der Begegnung mit den Schmerzballern im Koma liegt, kann er den Crakern keine Geschichten von Crake mehr erzählen, eine quasi-religiöse Einrichtung, die den Crakern sehr wichtig ist. Und Toby wird unfreiwillig zu Jimmys Ersatzpastorin. Und weil die Craker feststellen, dass Tobys Art der Erzählung neue Fragen aufwirft und außerdem noch Erzählungen in ihr sind, die Jimmy nicht kannte – bzw. nicht kennen konnte – wird sie gewissermaßen zur Chronistin der neu entstehenden Siedlung und der Leben der Menschen, die ihre wichtigsten Erlebnisse eigentlich vor der wasserlosen Flut hatten.


    Da ist natürlich die Geschichte von Toby selbst, die mit dem Wiederauftauchen von Zebulon in ein großes Gefühlwirrwarr geworfen wird und die nun zunächst einmal ganz dezidiert versucht, dessen Lebensgeschichte kennenzulernen – und damit auch ungewollt einen Teil von Adams – Adam1 - Lebensgeschichte erfährt, denn Adam und Zebulon sind beide Söhne eines überaus ungewöhnlichen und sehr gefährlichen Vaters. Außerdem ist ihre Geschichte überaus eng mit der der wasserlosen Flut und dem Entstehen der Craker verbunden. Und so bekommen auch wir als Leserinnen und Leser neue Einblicke in diese Endzeitwelt der „alten“ Menschheit in der Morgendämmerung der Menschheit, die Crake gemacht hat und die nun von ihren direkten Vorfahren einige Starthilfen erhält.


    Daneben geht es auch sehr um die Geschichte dieser Morgendämmerung und wie die Craker durch die „Zweihäutigen“ die Schrift, das Lesen, die Monogamie und andere Dinge kennenlernen, die sie überaus verstören, wie sie lernen mit den Pigoons Abmachungen zu schließen, die den beiden intelligenten Nachfolgerassen von Homo Sapiens Sapiens ein friedliches und produktives Zusammenleben ermöglichen sollen und natürlich all die Geschichten, die ihnen Toby erzählt. Es ist eine sehr aufregende und verwirrende Zeit für die neuen Menschen.


    „Maddaddam“ – benannt nach den Maddadamisten, den Anhängern Adam1s und nach einem Spruch zu einem Online-Spiel namens Extinctathon – beantwortet viele offene Fragen und führt die Trilogie zu einem befriedigenden Ende weiter. Eine Menge in diesem Buch mag Leserinnen und Lesern als überaus utopisch und an den Haaren herbei gezogen erscheinen, aber die Autorin, die für ihre Intelligenz und ihre Zuverlässigkeit geradezu berüchtigt ist- bestätigt, dass das Buch „keine Technologien oder Bioschöpfungen beinhaltet, die es nicht bereits gibt, die sich nicht im Moment in der Entwicklung befinden oder zumindest einen sehr hohen theoretischen Realisierungsgrad haben.“ (S. 393) Die wechselnden Stimmen dieses Buchs sind klar voneinander unterschieden und jeweils konsequent durchgehalten, dürften aber gerade deswegen für einige Leserinnen und Leser eine typisch atwoodsche Herausforderung darstellen. Eine Herausforderung, der es lohnt sich zu stellen, denn wie immer arbeitet die Autorin auf vielen Ebenen und gibt en passant unglaublich viele komplexe Informationen, so dass ein mehrmaliges Lesen der Trilogie immer wieder neue Erkenntnisse eröffnen sollte. :montag::thumleft:

  • Klappentext:
    Die wasserlose Flut, eine Pandemie ungeheuren Ausmaßes, ist über die Erde hinweggegangen und hat die Menschheit ausgelöscht. Bis auf einige wenige Überlebende, die im Lehmhaus eines verwahrlosten Parks zusammenfinden und den Gefahren einer entvölkerten, anarchischen Welt trotzen. Unter ihnen Toby, die ehemalige Gottesgärtnerin, und Zeb, ein großherziger Draufgänger, der zum Anführer der kleinen Truppe wird. Während der Flut hat Toby, in einem Spa verschanzt, auf ihn gewartet; beharrlich an seine Rückkehr geglaubt; nun treffen sie, am Ende der Welt, wieder zusammen. (von der Verlagsseite kopiert)


    Zur Autorin:
    Margaret Atwood, 1939 in Ottawa geboren, gehört zu den bedeutendsten Erzählerinnen unserer Zeit. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Man Booker Prize, dem kanadischen Giller Prize und zuletzt mit dem Prinz-von-Asturien-Preis. Margaret Atwood lebt mit ihrer Familie in Toronto. (von der Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Informationen:
    Originaltitel: MaddAddam
    Erstmals erschienen 2013 bei Bloomsbury, London
    Aus dem Englischen übersetzt von Monika Schmalz
    3. Teil der MaddAddam-Trilogie ( nach Bd 1 „Oryx und Crake“ und Bd 2 „Das Jahr der Flut“)
    Erzählt als neben- und ineinander verschachtelte Geschichten aus der Vergangenheit, eingebettet in die Geschichte der Jetzt-Zeit. Meist aus der Sicht von Toby erzählt.
    Das Buch beginnt mit Zusammenfassungen der beiden Vorgängerbände, ehe es in das neue Geschehen einsteigt.
    13 Großkapitel, die in zahlreiche kürzere Kapitel eingeteilt sind.
    475 Seiten + Danksagung


    Inhalt:
    Die MaddAdamiten, Überlebende der Menschheit, leben in Nachbarschaft zu den Crakern, jenen Lebewesen, die Crake einst geschaffen hat. Die Craker sind bis auf ein merkwürdiges Mitgefühl für Verletzte oder Verzweifelte emotionslos, ernähren sich vegan, paaren sich, wenn die Körper blau werden, und verstehen keine abstrakten Begriffe oder Metaphern, kennen keine Schrift oder Kunst. Sie haben keine Feinde, im Gegensatz zu den Menschen, die von den Painballern, einer auf Brutalität und Gewalt getrimmten Gruppe, bedroht werden. Die Menschen versorgen sich mit Gegenständen, die sie in den Trümmern der zerstörten Städte finden, ernähren sich von dem, was die Erde liefert, und – mit schlechtem Gewissen – vom Fleisch umherstreunender Organschweine, die ursprünglich zu Transplantationszwecken für Menschen entwickelt wurden.
    Toby hat lange auf Zebs Rückkehr gewartet, nun ist er endlich all den Gefahren der Welt entronnen und wieder bei ihr. Und er liebt sie noch immer. Auch wenn Toby mit Eifersuchtsattacken zu kämpfen hat. Er erzählt ihr seine abenteuerliche Geschichte, und sie erzählt sie den Crakern.
    Als die Gefahr durch die Painballer größer wird, müssen sich Menschen, Craker und Organschweine zusammen schließen, denn nur gemeinsam können sie den Feind schlagen und überleben.


    Eigene Meinung / Bewertung:
    In einer Zeit, in der erst langsam der Begriff „utopischer Roman“ aufkam und das Wort „Dystopie“ noch nicht erfunden war, hieß das Genre „Zukunftsroman“. Mit ihren Kollegen Orwell und Huxley gehörte Atwood mit ihrem 1985 erschienenen Roman „Der Report der Magd“ zu den ersten in Schulen gelesenen Zukunftsromanen.


    30 Jahre später erscheint der letzte Band einer dystopischen Trilogie aus ihrer Feder. Atwood verwendet hier die typischen Motive: Eine zerstörte Welt, ein diktatorisches, über alle Wesen bestimmendes System ohne Gesicht (hier Konzerne genannt), die Angst der wenigen Überlebenden um ihre Nahrung, eine abstrakte Bedrohung der Existenz und eine konkrete Bedrohung durch andere Überlebende. Lediglich die Cracker bleiben als besondere, persönlich gezeichnete Gruppe ein Atwood-eigenes Produkt. Nicht umsonst sind sie es auch, die durch ihre Verständigungsschwierigkeiten mit der Menschensprache und durch ihre Sorge um andere, die sich durch „Beschnurren“ ausdrückt, die Handlung mit Humor versorgen.


    Was das Buch aber dennoch gegenüber anderen Dystopien einzigartig und literarisch ausgefeilt macht: Die Art, wie Zebs Geschichte erzählt wird. Er erzählt selbst für Toby, Toby erzählt das Gehörte den Crackern und anderen MaddAdamiten, sie schreibt Tagebuch darüber. Zebs Geschichte läuft in der Jetztzeit weiter, während sie in Rückblenden erzählt wird. Ein Gefüge, das sich komplizierter anhört als es ist und das trotz der Vielschichtigkeit und der Überlappung in keinem Moment Verwirrung aufkommen lässt. Denn letztlich bleibt das Buch eine Abenteuergeschichte, die sich statt in Dschungeln, Wüsten oder Weltraum auf der völlig zertrümmerten Erde abspielt.


    Dass dem eigentlichen Roman ein Kapitel vorgeschaltet ist, das die ersten Bände als Zusammenfassung schildert, sollte lobenswert und beispielhaft für andere Reihen erwähnt werden. Auch wenn es eher demjenigen nutzt, der Band 1 und 2 kennt und deren Inhalt abrufen kann. Die anderen werden sich erschlagen fühlen von der Vielzahl der Namen und Ereignisse auf engstem Raum und den Durchblick erst durch die Lektüre des Buches bekommen.


    Fans moderner Dystopien finden mit „Zebs Geschichte“ einen lesenswerten und spannenden Roman, der das Genre bereichert. Liebhaber von Atwoods Büchern vermissen die Klarheit und Hellsichtigkeit früherer Werke.


    Fazit:
    Eine dystopische Abenteuergeschichte, die sich durch ihre literarische Ausführung, weniger aber durch Motive und Handlungsablauf, vom Gros moderner Dystopien unterscheidet.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Zuallererst einmal Danke für die beiden Rezensionen, denn jetzt weiß ich, dass ich den dritten Band auch noch lesen möchte. :applause:


    Liebhaber von Atwoods Büchern vermissen die Klarheit und Hellsichtigkeit früherer Werke.

    Marie, ich hoffe, Du meinst mit "früheren Werken" nicht "Die Räuberbraut", oder doch? :lol:

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • @ Hypocritia,
    ich bezog mich v.a. auf "Der Report der Magd". Von Atwoods anderen habe ich zwar die meisten gelesen, aber sie sind in meinem Gedächtnis nicht so präsent.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • "Der Report der Magd" scheidet für mich als Lektüre leider aus, weil ich die dazugehörige Verfilmung "The handmaid's tale" mit Robert Duvall, Faye Dunawa und Adrian Quinn schon viel zu oft gesehen habe (auf Deutsch "Die Geschichte der Dienerin"), da habe ich dann auf das Buch keine rechte Lust mehr :cry: .
    Die ersten beiden Teile der MadAddam-Trilogie haben mir jedenfalls enorm gut gefallen :thumleft: .


    Über "Die Räuberbraut" muss man sich meiner Meinung nach keine großen Gedanken machen - mir ist nicht klar, warum Frau Atwood unbedingt einen "Zickenroman" schreiben wollte - andere Leser finden dieses Buch wiederum außergewöhnlich gut ... :roll:

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • "Der Report der Magd" scheidet für mich als Lektüre leider aus, weil ich die dazugehörige Verfilmung "The handmaid's tale" mit Robert Duvall, Faye Dunawa und Adrian Quinn schon viel zu oft gesehen habe (auf Deutsch "Die Geschichte der Dienerin"), da habe ich dann auf das Buch keine rechte Lust mehr



    Zwischen dem Film und dem Buch liegen qualitativ Welten. Wenn man die Wahl zwischen beiden hätte, dann sollte man eher das Buch wählen.