Lorenz Filius: Lyrische Schattenmomente

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    Es lag geraume Zeit zurück, seit ich zuletzt der Dichterstimme eines Lorenz Filius mit unverzichtbarer Aufmerksamkeit begegnet war. Denn der Ton, der seinen Versen innewohnt, hält den im großen Ereignisangebot umherflatternden Gemütern nicht stand, und klingt dennoch umso deutlicher für jene, die anstatt des elektronischen Tumults seine philosophischen Schwingungen erfassen möchten.
    Ein lyrisches Schattenspiel wie dieses – des Poeten Einverständnis mit der Welt im Geäst dichter Erkenntnisse – findet sein Bestehen einzig vor dem Hintergrund des Lichts, die gegenseitige Abhängigkeit bezeugend und zugleich von der Sättigung des Scheins und dessen Einbildungen sich lösend. Da „greifen Spinnenlichter in die Nacht, dem Wunder scheinbar auf der Spur“, doch stoßen lediglich auf die Maskenhaftigkeit des Menschen, um letztlich wieder zu vergehen. So vermag der Dichter bereits zum Geleit, in seinem kurzen Vorwort, festzuhalten, dass „schließlich all die Dinge, die wir ahnen oder leben, tief im Schatten unseres Selbst liegen – in einer Zuflucht, der wir Licht erlauben oder nicht.“
    Oft beschattet, oft schattiert, im Schatten selbst gelegen, Lorenz Filius entzündet die innere Sicht immer wieder ohne sich an Offensichtlichkeiten zu verfangen; er illuminiert eine Verschwiegenheit unter den Oberflächen, um neue Kontraste zu werfen und sie damit überraschend sichtbar und erfahrbarer zu gestalten. Ich selbst bin still geworden, ruhig und fokussiert, derweil ich die Gedichte in ihrer melodiös gereimten Weise vernahm und die Außenwelt sich über meinen Kern stülpte, der sich dann doch als Umkreis gedanklicher Expansion erwies. Die Kreativität und der unermüdliche Schaffensdrang des Dichters schlagen in einer fantastischen Fülle von Gedichten (wortwörtlich) zu Buche, Gedichte, deren schiere Vielzahl kaum Platz für umfangreiche Begleitbilder bietet: Dann und wann hat Lorenz Filius seinen poetischen Miniaturen jeweils eine kleine Fotografie als optisches Pläsier hinzugefügt; einige Bilder dieser Art – „Sommerflaute“ etwa, oder „Regenbogenabend“ – hätten durchaus ein wenig mehr Raum innerhalb des Werkes einnehmen dürfen. Allzu lange aber hält sich der Betrachter keineswegs auf, ehe er sich erneut den lyrischen Schattierungen anvertraut. Die an verborgenen Orten bestehen, die tatsächlich immer schon vorhanden waren, aber im Gegenlicht der Silhouetten eine zugrundeliegende Bedeutung erfahren. Solche Schattenmomente, berichtet der Poet, werden „nicht vom wahrheitsdominanten Leuchten überstrahlt“.


    Peter Pitsch