Zoran Drvenkar - Touch the Flame

  • Inhalt (Buchrücken) :
    Lukas ist 15 und will seinen Vater endlich kennen lernen. Alles was er über ihn weiß, hat er von fremden Menschen, die ihn als "Spieler, Betrüger und Hobbygauner" charakterisieren, aber das schreckt den Jungen nicht ab. Schon mit dem Begrüßungssatz: "Du stehst mir in der Sonne" lässt der Vater jedoch keinen Zweifel aufkommen, dass in seinem Leben für diesen Sohn kein Platz ist. Die nun folgende Reise ist für Lukas eine "tour de force" in eine für ihn gänzlich fremde Welt. Doch die drastischen Erfahrungen machen Lukas stark und beenden seine Kindheit endgültig. Er hat seinen Vater kennen gelernt und sich von ihm befreit.


    Der Autor (Buchrücken) :
    Zoran Drvenkar, 1967 in Krizevci, Kroatien geboren, zog als Dreijähriger mit seinen Eltern nach Berlin. Seit 1989 schreibt er als freier Schriftsteller für Erwachsene und Jugendliche und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
    Homepage: http://www.drvenkar.de/


    Aufbau und Stil:
    Das Buch umfasst 212 Seiten und gliedert sich in vier Teile - Freitag, Samstag, Sonntag, Montag. In jedem dieser Teile gibt es zahlreiche, recht kurze Kapitel, die nicht durchnummeriert sind, sondern prägnante Überschriften wie "Höhenflug" oder "Komisch" tragen. Der Geschichte vorangestellt ist ein Zitat aus dem Song Where The Streets Have No Name von U2, in der die Zeile Touch the Flame vorkommt. Am Ende gibt es noch eine Danksagung des Autors.
    Drvenkars Stil ist sehr ungewöhnlich. Besonders auffällig ist die Art, wie Dialoge gestaltet werden. Der Autor benutzt keine wörtliche Rede, sondern stellt Gespräche so dar:

    Zitat von Seite 84

    - Wow! sage ich.
    - Das war noch gar nichts, sagt der Verrückte.

    Gerade am Anfang hatte ich Schwierigkeiten, den Gesprächen zu folgen, vor allem, wenn die eigentliche wörtliche Rede am Ende der Zeile endete und in der nächsten Zeile wieder Handlung beschrieben wurde. Nach einer Weile erkannte ich zwar, was Handlung und was Dialog war, aber zunächst war es unnötig verwirrend.
    Zudem wirkt der Stil irgendwie knapp, ohne aber nüchtern zu sein. Die Gefühle des Protagonisten werden zwar nicht ausführlich beschrieben, dadurch, dass Lukas der Ich-Erzähler ist, reichen aber wenige Sätze wie "Ich schluchzte", um seine Gefühlslage zu verdeutlichen. Die Sprache ist ebenfalls an den jugendlichen Erzähler angepasst.


    Meinung:
    Touch the Flame war mein erstes Buch von Zoran Drvenkar. Eigentlich hatte ich mir das Buch nur mitgenommen, weil es günstig zu haben war und weil die Inhaltsangabe nach einer guten Lektüre klang.
    Nun ist Touch the Flame zwar ein recht gutes Buch, aber meiner Meinung nach hat es eher wenig mit dem Klappentext zu tun.


    Zum einen ist der Satz "Du stehst mir in der Sonne" vollkommen aus dem Kontext gerissen, zum anderen hatte ich auch nicht den Eindruck, dass Lukas sich vollständig von seinem Vater gelöst hat. Zwar hat er am Ende resigniert, dennoch spürt man im ganzen Buch diese Mischung aus Verzweiflung und Hoffnung, Hoffnung darauf, dass der ihm unbekannte Vater ihn doch liebt. Dabei haben beide mit Problemen zu kämpfen. Lukas verliebt sich in einem ungünstigen Moment in ein Mädchen, sein Vater trägt eine schwere Bürde, von der sein Sohn nun erst erfährt. Außerdem hat sein Vater ihm etwas sehr wichtiges verschwiegen und dazu kommt noch Lukas' Onkel, der den beiden nicht gerade wohl gesonnen ist...


    Touch the Flame ist auf der einen Seite ein typisches Jugendbuch. Es geht um die eigene Identitätskrise in der Pubertät, die Frage, wer man ist, die Probleme mit den Eltern, gerade die, unter denen Scheidungskinder leiden, die erste Liebe und, gerade in Lukas' Fall, um die Frage: Wieso liebt mein Vater mich nicht genug...?
    Auf der anderen Seite bietet das Buch aber viel mehr. Der Klappentext hat Recht - mit seinem Vater wird Lukas in eine Geschichte hineingezogen, die ihm sonst nie passiert wäre. Er gerät in Kontakt mit Verbrechern, der Polizei und dabei gerät er mehr als einmal in Gefahr. Er muss über sich selbst hinauswachsen, entwickelt Stärken und am Ende entscheidet er sich ganz bewusst dafür, was er nun will und was nicht.
    Dies bietet, in Verbindung mit Drvenkars Stil, der eine Mischung aus nüchterner Erzählung und Gefühlschaos des Protagonisten symbolisiert, eine Geschichte, die man sehr schnell lesen kann und die viele Fragen aufwirft, die nach und nach beantwortet werden. Das große Geheimnis um Lukas' Onkel Ruprecht wird erst nach und nach aufgelöst. Die Handlung ist dabei sehr glaubhaft. Lukas agiert wie ein typischer Teenager, er wächst zwar über sich hinaus, ist aber weit davon entfernt, alles richtig zu machen, weshalb er auch ordentlich einstecken muss. Dadurch wirkt die Geschichte real und man ist geneigt zu glauben, dass sie so ungefähr wirklich hätte passieren können. Nichts war übertrieben. Es gab eine gewisse Spannung, aber nicht zu viel und es ist kein waschechter Krimi, in den der Protagonist unerwartet stolpert, sondern harmloser.


    Die Erzählung ist recht ruhig. Zwar passiert einiges und gerade Lukas ist gefühlsmäßig hin- und hergerissen, dennoch wird man nicht von Seite zu Seite gehetzt. Es geschehen Ereignisse, die an einen Krimi erinnern, aber eigentlich geht es eher um die Gefühle und die Entwicklung des Protagonisten, wie er die schwierigen Lagen meistert, die zwiespältige Beziehung zu seinem Vater und in gewisser Weise auch, wie er reifer wird.


    Der Handlungsstrang um Lukas und seinen Vater wird glaubwürdig und ohne großes Drama beendet, sodass der Leser genau das bekommt, was er erwartet. Ein anderer Ausgang wäre nicht glaubhaft gewesen.
    Das eigentliche Ende ist sehr abrupt - genau genommen hört das Buch mitten im Satz auf. Man kann sich zwar denken, was passiert, der Autor lässt es dem Leser aber offen, ob es tatsächlich so kommt oder nicht.
    Auf der einen Seite ist dies ein guter Schachzug. Dadurch, dass die Geschichte mittendrin abbricht, wird angedeutet, dass Lukas' Leben noch nicht vorbei ist, sondern erst beginnt, zudem wird die Fantasie des Lesers natürlich angeregt. Auf der anderen Seite war ich zunächst sehr irritiert. Ein abbrechendes Ende ist mir noch nie begegnet und ich glaube, ein Freund dieses Stilmittels werde ich nicht werden, auch wenn ich zugebe, dass es hier gut eingesetzt wurde.


    Insgesamt hat mir Touch the Flame gut gefallen. Die Geschichte um Lukas und seinen Vater habe ich gerne gelesen, zudem war der Schreibstil Drvenkars - wenn man sich daran gewöhnt hatte - gut dazu geeignet, um das Buch schnell zu beenden. Dennoch hat mir bei dem Buch etwas gefehlt. Ich kann nicht genau sagen, was es ist - vielleicht liegt es daran, dass alles so schnell geht, die ganze Palette an Gefühlen in drei gemeinsamen Tagen abgehandelt wird und dass teilweise einfach zu viel an einem Tag passiert ist. Vielleicht liegt es daran, dass ich gerne mehr über die Protagonisten erfahren hätte. Ich kann es wirklich nicht sagen. Auf jeden Fall kann ich "nur" :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: geben.

    Carpe Diem.
    :musik: Herr Heiland und der gefallene Engel, gelesen von Reinhard Kuhnert

    2024 gelesen: 18 Bücher | gehört: 4 Bücher

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