Ngugi wa Thiong'o - Im Haus des Hüters. Jugendjahre/In the House of the Interpreter

  • Kurzbeschreibung (Quelle: amazon.de)
    Als ich am 20. Januar 1955, einem Donnerstag, zum ersten Mal das Gelände der Alliance High School betrat, fühlte ich mich, als wäre ich in einem scheinbar niemals endenden Albtraum nur um Haaresbreite einem Rudel Bluthunde entkommen. Es herrscht Ausnahmezustand in Kenia, der bewaffnete Aufstand der Mau-Mau-Bewegung für die Unabhängigkeit Kenias ist in vollem Gange. Für den sechzehn Jahre alten Ngugi wa Thiong‘o wird die renommierte Internatsschule in Kikuyu zu einem Refugium, das die Grausamkeiten des Krieges von ihm fernhält. Er taucht ein in eine geordnete Welt aus Bildung, Religion und Gemeinschaftserfahrung. Als er jedoch nach dem ersten Trimester erstmals nach Hause zurückkehrt, findet er kein Zuhause mehr vor. Sein Dorf wurde zerstört, seine Familie zwangsumgesiedelt. Die politische Wirklichkeit bricht nun mit unbarmherziger Härte in seine Welt ein und macht auch vor den Toren der Alliance High School nicht halt. Es kommt zur Verhaftung seines älteren Bruders Good Wallace, der auf der Seite der Aufständischen steht, und schließlich zu einer willkürlichen Festnahme Ngugis. Mit Im Haus des Hüters legt der kenianische Erzähler Ngugi wa Thiong‘o nach Träume in Zeiten des Krieges den zweiten Band seiner Lebenserinnerungen vor. Mit großer suggestiver Kraft zeichnet der Autor das eindrucksvolle Bild eines Heranwachsenden auf der Suche nach seinem Platz in der Welt und gibt einen unmittelbaren und bewegenden Einblick in jenen Bereich, in dem sich das Persönliche mit dem Gesellschaftlichen verbindet. Frei von vordergründiger Wertung ist dieses Buch ein einzigartiges Dokument der gesellschaftlichen Umbrüche in der Endzeit des britischen Kolonialismus.


    Über den Autor (Quelle: amazon.de)
    Ngugi wa Thiong’o wurde 1938 in Kamirithu/Limuru in Kenia geboren. Er studierte am Makerere University College in Kampala, Uganda, und an der University of Leeds, Großbritannien. 1982 musste er sein Heimatland verlassen und ging ins Exil nach London und schließlich in die USA. Mit seinem umfangreichen Romanwerk und einer Vielzahl von literarischen und politischen Essays zählt er heute zu den bedeutendsten Schriftstellern Afrikas. 2009 wurde er für sein Lebenswerk für den Man Booker International Prize nominiert. Er lebt in Kalifornien, wo er an der University of California in Irvine Englische und Vergleichende Literaturwissenschaften lehrt.


    Meine Meinung
    Mit „Im Haus des Hüters“ setzt Ngugi wa Thiong’o seine Lebenserinnerungen fort. Seine Jugendjahre verbringt er zum größten Teil in der Alliance High School, in die er im Januar 1955 aufgenommen wird. Erfährt der Leser im vorhergehenden Buch „Träume in Zeiten des Krieges“ vorrangig von der sozialen Situation, den Lebensumständen im Dorf und dem Alltagsleben, so liegt in diesem der Schwerpunkt eher auf der politischen Lage des Landes, die auch für den inzwischen jugendlichen Ngugi immer undurchsichtiger wird. Repressalien und Schikanen sind an der Tagesordnung. Kenia ist im Ausnahmezustand. Die Mau Mau, denen sich auch sein großer Bruder angeschlossen hat, kämpfen gegen die Kolonialmacht England. Im Schulbetrieb werden die Grausamkeiten weitgehend von dem Jungen ferngehalten, aber als er in den Ferien zum Ende des ersten Trimesters seine Familie besuchen will, fand er sein Dorf zerstört und die Familie zwangsumgesiedelt. Aber Ngugi nutzt seine Zeit an der Schule, er lernt und gibt sein Bestes, wie er es der Mutter versprach.


    Die Beschreibung von Ngugi wa Thiong’os Jugendjahren fand ich noch gelungener als die der Kindheit. Man erlebt einen heranwachsenden Jungen, der beginnt, die Welt mit eigenen Augen zu sehen, zu interpretieren, zu verstehen. Man kann seine Zweifel nachvollziehen. Diese werden besonders in Glaubensfragen deutlich. Beeindruckend empfand die die ungeheure Lernfreude des Jungen, dem der Bestand der Schulbibliothek recht schnell zu gering erscheint und der dadurch ständig auf der Suche nach passender Lektüre ist.


    „Im Haus des Hüters“ ist ein Teil einer Biografie, in dem sowohl Lebensfreude als auch große Traurigkeit mitschwingt. So wie es der Autor selbst erlebt hat, fühlt man mit dem Heranwachsenden mit und durchlebt als Leser alle Stationen seines jungen Lebens. Auch die sprachliche Umsetzung ist sehr gelungen. Ich habe das Buch in der deutschen Übersetzung von Thomas Brückner gelesen und kann mir nicht vorstellen, dass diese dem Buch auch nur im Geringsten etwas an Reiz genommen hat.


    Mir bleibt nach der Lektüre nur eine Zeit des Wartens auf eine Fortsetzung der Lebensgeschichte des Autors, die hoffentlich bald erscheinen wird. Bis dahin wünsche ich diesem Buch viele intersseierte und begeisterte Leser.