Cornelia Haller: Seelenfeuer

  • Kurzbeschreibung (Quelle: amazon)
    Die neunzehnjährige Luzia Gassner wird im Jahr 1483 die neue Hebamme von Ravensburg. Sie verlässt sich bei ihrer Arbeit nicht auf Gebete, sondern auf die Kräuterheilkunde und ihren medizinischen Sachverstand. Damit rettet sie vielen Frauen und Neugeborenen das Leben. Damit fordert sie aber auch den Hass des mächtigen Kaplans heraus. Als ein Hagelunwetter und die Pest die Stadt verwüsten, holt der Kaplan den päpstlichen Inquisitor nach Ravensburg. Luzia wird der Hexerei angeklagt und in den Kerker geworfen. Einzig ihr Onkel und der Medicus Johannes von Wehr glauben an ihre Unschuld. Johannes bleiben nur wenige Tage, um Luzia, die Frau, die er liebt, vor dem Tod auf dem Scheiterhaufen zu retten.


    Autorin (Klappentext)
    Cornelia Haller wurde 1966 in Immenstaad am Bodensee geboren. Mit ihrem Mann und zwei Töchtern lebt und arbeitet sie noch heute am Ufer des Bodensees. Seelenfeuer ist ihr erster historischer Roman, dem weitere folgen werden.
    Mehr Informationen unter: www.cornelia-haller.de


    Allgemeines
    Erschienen im Verlag Hoffmann und Campe am 9.März 2012
    Hardcover 479 Seiten
    Erzählung in der dritten Person, 27 Kapitel
    Handlungsort und-zeit: Ravensburg in den Jahren 1483/1484


    Zum Inhalt
    Luzia Gassner ist als uneheliche und unerwünschte Tochter ihrer Mutter, die in Ravensburg als Hebamme tätig ist, größtenteils bei ihrem Onkel Jakob und ihrer Tante Elisabeth in Seefelden aufgewachsen. Dort hat sie von ihrer Tante, die ebenfalls "Wehmutter" ist, den Beruf der Hebamme erlernt.
    Als Luzias Mutter stirbt, sieht die junge Frau es als ihre Aufgabe an, nach Ravensburg zurückzukehren und dort den Platz ihrer Mutter als Stadthebamme einzunehmen. Durch ihre einfühlsame und aufgeschlossene Art ist sie in ihrem Beruf sehr erfolgreich, die Zahl der Todesfälle bei Geburten sinkt deutlich. Sie lebt bei ihrem Onkel Basilius, der eine Apotheke betreibt: eine gute Gelegenheit, sich in der Heilkräuterkunde fortzubilden. Als Luzia sich in den jungen Stadtmedicus Johannes von der Wehr verliebt und dieser ihre Gefühle erwidert, könnte ihr Leben nahezu perfekt sein, wären da nicht ihre ärgsten Gegenspieler, die ihr nicht nur ihren Erfolg missgönnen, sondern ihr sogar nach dem Leben trachten.
    Die alte frömmelnde Grete Muntz hat bisher bei den Geburten in der Stadt den Ton angegeben, ohne sich jemals die Hände schmutzig zu machen. Ihre "Hilfe" bestand darin, in der Geburtskammer zu beten und die Gebärenden mit schrecklichen Litaneien über Sünde und Gottesstrafen zu verunsichern. Sie kann es nur schwer verkraften, dass die junge Hebamme Luzia ihr offen widerspricht und neue, "gotteslästerliche" Methoden der Geburtshilfe einführt.
    Wesentlich gefährlicher ist allerdings der Kaplan Grumper, der Luzia schon seit ihrer frühesten Kindheit, als er sie unterrichtete, wegen ihrer Intelligenz und ihres Selbstbewusstseins hasst. Inzwischen ist aus seiner ehemaligen Schülerin eine schöne rothaarige Frau geworden, die seine Sinne betört. Überzeugt, dass es nur Hexenkünste sein können, die einen frommen Mann wie ihn zu fleischlichen Begierden verführen, ist er besessen von dem Gedanken, Luzia zu vernichten. Da trifft es sich gut, dass der Dominikaner Heinrich Kramer (Institoris) nach Ravensburg kommt, um seinen "Hexenhammer" zu schreiben und Jagd auf die Unholdinnen zu machen...


    Persönliche Beurteilung
    Die Figuren dieses Romans sind bis auf Heinrich Kramer, der aufgrund der von ihm selbst angeregten Hexenbulle "Summis desiderantes affectibus" auf Hexenjagd ging und Autor des "Malleus Maleficarum" wurde, fiktiv. Die Vorgehensweise im Prozess gegen Luzia entspricht jedoch mit der Hexenprobe, den Folterungen und dem irrsinnigen Fragekatalog bei den Verhören den realen Verhältnissen zur Zeit des Hexenwahns.
    Die Figurenzeichnung in diesem Buch gerät ziemlich zur Schwarz-Weiß-Malerei, Luzia ist schon fast eine Lichtgestalt (nomen est omen) und auch Johannes von der Wehr ist ebenso positiv dargestellt, wie die klerikale Gegenseite abgrundtief böse und sadistisch ist. Auch wenn sicherlich ein Körnchen Wahrheit in der Motivation der Geistlichen zur Hexenverfolgung steckt (Frauenhass durch sublimierte Sexualität), erscheinen diese Charaktere als überzeichnet.
    Auch der Erzählstil ist (für meinen Geschmack) gelegentlich sehr überzogen schmachtvoll, wenn es um die gegenseitige Liebe/Begierde von Luzia und Johannes geht. Von diesen Szenen abgesehen lässt sich der Roman jedoch sehr flüssig und unterhaltend lesen, vor allem im letzten Teil sind die recht detaillierten Beschreibungen der Vorgänge im Folterturm gleichermaßen berührend wie fesselnd.
    Vermisst habe ich bei diesem Roman, der im Anspruch über reine Unterhaltung hinausgeht, ein Nachwort der Autorin und vor allem ein Glossar. Es werden viele veraltete Bezeichnungen verwendet, die nicht mehr geläufig sind: so ist es nicht immer einfach, der Chronologie zu folgen (Erntemonat, Nebelmonat etc.).
    Wenn auch in diesem Debütroman ein gewisses Potenzial verschenkt wurde, bietet er doch gute Unterhaltung und ist für Freunde historischer Romane zum Thema "Hexenwahn" lesenswert.


    Fazit
    Ein unterhaltsamer Roman über ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

    Einmal editiert, zuletzt von €nigma ()

  • 1483: Luzia Gassner lebt glücklich im Bodenseestädtchen Seefelden und arbeitet dort als Hebamme. Als ihre Mutter stirbt und die Stadt Ravensburg dadurch ohne Hebamme ist, tritt sie die Nachfolge ihrer Mutter an, obwohl sie mit Ravensburg viele schlechte Erinnerungen verbindet. Kaplan Grumper, der ihr schon in ihrer Kindheit übel mitspielte, wettert auch jetzt wieder gegen sie, aber erst ein Jahrhundertsturm, der die gesamte Ernte vernichtet, führt dazu, dass Grumpers Worte auf fruchtbaren Boden fallen und Luzia bald in große Gefahr gerät.


    Cornelia Haller hat einen wunderbaren Erzählstil, sehr bildhaft und mitreißend, wodurch man das Gefühl hat, tatsächlich mittendrin im Geschehen zu sein, die der Zeit angepasste Sprache trägt noch zusätzlich dazu bei. Zudem hat die Autorin sehr gut recherchiert, was dem Roman zusätzliche Qualität verleiht, denn er vermittelt auch Wissen, z. B. über (Heil)pflanzen, Aberglauben oder medizinische Verhältnisse. Leider wurde auf ein Nachwort und auf ein Glossar verzichtet, so dass man (bei Interesse) darauf angewiesen ist, selbst ein bisschen weiter zu recherchieren. Ich hatte das Glück, den Roman im Rahmen einer Leserunde mit Begleitung der Autorin zu lesen, die uns Teilnehmern einiges an Hintergrundwissen vermittelt hat, das eigentlich in das Buch gehört hätte. Da hat der Verlag leider etwas kurzsichtig gehandelt, meiner Meinung nach gehören die o. g. Dinge in einen guten historischen Roman.


    Die Charaktere sind nicht ganz so gelungen wie die Erzählweise, da sie leider sehr schwarz-weiß gemalt werden. Gerade die Antagonisten sind sehr einseitig gezeichnet, eben tiefschwarz, da hätte ich mir ein paar graue Stellen gewünscht. Wirklich tiefgehend wird eigentlich nur Luzia gezeichnet, einige andere Personen sind recht klischeehaft charakterisiert. Trotzdem schlich sich nicht nur Luzia in mein Herz.


    Die Geschichte ist interessant, man ahnt zwar schon ziemlich schnell, worauf es hinauslaufen wird – und auch der Klappentext verrät es ja, jedoch kommt es erst relativ spät zum Äußersten, worüber ich sehr froh bin, so vermittelt der Roman ein gutes Stück mittelalterliches Lokalkolorit. Neben dem historischen Part enthält die Geschichte auch einen Touch Mystik, der in meinen Augen gut zur Geschichte passt und mich teilweise auch emotional berührt hat. Natürlich gibt es auch eine Liebesgeschichte, wie diese erzählt wird, würde ich in einem anderen Kontext für ziemlich kitschig halten, hier wirkt es für mich passend.


    Wenn man bedenkt, dass dieser Roman ihr Debüt ist, hat Cornelia Haller großartige Arbeit geleistet. Der Roman liefert eine schöne, interessante Geschichte, die, sieht man von der Schwarz-Weiß-Zeichnung der Charaktere ab, perfekt erzählt wird. Ich persönlich hätte mir noch einen Epilog gewünscht – und natürlich die schon oben erwähnten Extras. Dafür hat der Verlag, zumindest in der gebundenen Ausgabe, dem Roman ein wunderschönes, sehr passendes Cover gegönnt, das alleine schon Lust aufs Lesen macht.


    Wer gut recherchierte historische Romane mag, sollte zugreifen, ich kann den Roman jedenfalls sehr empfehlen und freue mich schon auf weitere Werke aus Cornelia Hallers Feder!