Herman Wouk - War and Remembrance (dt. 2 Bände: "Der Krieg" und "Weltsturm")

  • (Hier bin ich mal wieder in einem kleinen Dilemma - ich weiß, dass wir hier eigentlich die deutschen Ausgaben verlinken sollen, ich habe allerdings die englische Ausgabe in einem Band gelesen und rezensiere somit "2 in 1" ...)


    "War and Remembrance" knüpft da an, wo "The Winds of War" endete - kurz nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor. Die USA sind in Aufruhr, und die Zukunftspläne von Captain Victor "Pug" Henry liegen in Trümmern. Das Schiff, dessen Kommando er übernehmen sollte, gehört zu denen, die bei dem Überfall zerstört wurden. Zudem sorgt er sich um seine beiden Söhne, die ebenfalls bei der US Navy sind - Warren, der als Flieger in Pearl Harbor stationiert ist, und Byron, derzeit auf einem U-Boot im Südpazifik - und deren erste Kriegseinsätze nun unmittelbar bevorstehen. Doch wie bereits im ersten Teil der Saga um die Henrys stehen Pug noch einige Spezialaufträge bevor, gilt er doch als der "Mann für alle Fälle" bei er Navy, selbst für Präsident Roosevelt höchstpersönlich.


    Um Pugs Ehe steht es derweil nicht gerade zum besten. Seine Frau Rhoda fühlt sich durch seine häufigen und langen Abwesenheiten vernachlässigt und hat einen Liebhaber, und Pug selbst kann die britische Journalistin Pamela Tudsbury einfach nicht aus seinen Gedanken verbannen, mit der er schon ein paarmal während des Krieges in Europa zusammengetroffen ist.


    Byron seinerseits wartet verzweifelt auf Nachricht von seiner Frau Natalie und dem gemeinsamen Sohn. Natalie ist jüdischer Abstammung und sitzt gemeinsam mit ihrem betagten Onkel Aaron in Italien fest. Jeder bisherige Ausreiseversuch ist gescheitert, entweder an Aarons blauäugiger Weigerung, die schreckliche Realität zu sehen, oder an neuen bürokratischen Schikanen, bis es fast unmöglich scheint, auf legalem Wege nach Hause in die USA zu kommen.


    In diesem 1000-Seiten-Wälzer zeichnet Herman Wouk ein gewaltiges Bild des 2. Weltkrieges, geschildert aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln. Mit Pug Henry erleben wir Alltag und Kampfeinsatz auf einem Kriegsschiff, blicken aber auch hinter die Kulissen der Macht, etwa im Oval Office und im Büro eines russischen Generals, während Byrons Perspektive uns die drangvolle Enge und die blank liegenden Nerven im U-Boot-Krieg nahebringt. Natalie und Aaron und ihre Angehörigen und Freunde stehen für das Schicksal der Juden in Europa und die unaussprechlichen Zustände und Geschehnisse in den Konzentrationslagern. Neben diesen Haupterzählsträngen gibt es auch einige Kapitel aus der Sicht von Rhoda, Pamela Tudsbury oder des Diplomaten Leslie Slote, der den vagen Hinweisen auf das Ausmaß der Naziverbrechen an den Juden nachzugehen versucht, und die schon aus dem 1. Band bekannten Einschübe aus Sicht eines Nazioffiziers.


    Strategische Überlegungen und minutiöse Schilderungen maßgeblicher Kampfhandlungen sind nicht unbedingt das, was ich liebend gerne verschlinge, aber Wouk hat das hier ziemlich gut hingekriegt und vor allem an Personen festgemacht, die mir im Laufe der beiden Bücher ans Herz gewachsen sind, so dass ich die eine oder andere Länge in diesem Bereich verzeihlich fand. Die Nazioffizier-Kapitel waren auch nicht meine Favoriten im Buch, aber erwähnenswert ist, dass dieser fiktive Nazi-Hochkaräter bei aller ideologischen Verblendung keinen eindimensional-platten Bösewicht darstellt, sondern nach und nach immer mehr an Hitler und dessen wahnsinnigen Entscheidungen zweifelt.


    Unglaublich eindringlich sind die Teile des Buches, die in Auschwitz spielen, detailreich, aber nicht voyeuristisch oder plakativ. Manchmal sind es nur ganz lapidare Sätze über den Alltag des Grauens in diesem Lager, die mir da die Nackenhaare zu Berge stehen ließen.


    Natalies und Aarons Part hat mich anfangs gelegentlich genervt, weil wieder einer der beiden zu gutgläubig oder zu bockig war, um eine gute Gelegenheit zur Flucht zu ergreifen, aber je enger sich das Netz um die beiden zuzuziehen schien, umso mehr berührte mich ihre Geschichte, und mir blutete auch das Herz für Byron, der weit weg von Frau und Kind ständig um sie bangen musste, kaum Nachricht bekam und nichts Hilfreiches tun konnte.


    Ein wenig schade war nur, dass das Ende des Buches dann relativ abrupt daherkam und sich auf den letzten 50 Seiten die Ereignisse geradezu überschlugen. Da hätte er sich für mein Empfinden gerne noch ein klein wenig mehr Zeit lassen dürfen. Dafür gibt es einen Pluspunkt für das informative Nachwort, in dem unter anderem geklärt wird, welche Charaktere fiktiv und welche real sind.


    Trotz der erwähnten kleineren Längen insgesamt ein ziemlich spannendes Buch über die Kriegsjahre 1942-45, das nicht nur auf der politischen und militärischen Ebene glaubwürdig erscheint, sondern auch mit guten Charakterdarstellungen glänzt und die Belastung jedes einzelnen Protagonisten durch den Krieg äußerst deutlich macht. Schade, dass es nicht noch einen weiteren Band gibt, der erzählt, wie es nach dem Krieg mit den Henrys weitergeht.


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