Ian Rankin - Mädchengrab / Standing in Another Man's Grave

  • Kurzmeinung

    Hypocritia
    ein langsamer "police procedural"-Krimi, die Charaktere bleiben sich treu, einfach u. intelligent, schöner Twist am Ende
  • Zum Inhalt (Klappentext):


    Eigentlich ist John Rebus, ehemals Detective Inspector bei der Polizei in Edinburgh, in Rente. Doch statt untätig zu Hause zu sitzen, geht er nun in der »Cold Case«-Abteilung alten ungelösten Verbrechen nach. Als ihn eine Frau um Hilfe bittet, deren Tochter nach einer Silvesterfeier zur Jahrtausendwende nicht mehr aufgetaucht war, sieht es zunächst nach einem hoffnungslosen Fall aus. Bis sich herausstellt, dass im Lauf der Jahre immer wieder junge Mädchen in einem ähnlichen Gebiet verschwanden wie damals Sally Hazlitt. Zuletzt erst vor wenigen Tagen. Um weiter zu ermitteln, braucht Rebus die Hilfe seiner ehemaligen Kollegin Siobhan Clarke – und gefährdet durch seine unorthodoxen Methoden prompt ihre Karriere. Und dann bestätigt ein schockierender Fund seine schlimmsten Befürchtungen …




    Meine Meinung zum Buch:
    Vor fünf Jahren hatte Ian Rankin seine erfolgreichste Buchfigur, Inspektor John Rebus, in Rente geschickt. Ich persönlich fand nach der Lektüre des Bandes Ein Rest von Schuld, dass es tatsächlich Zeit für ein Ende dieser Buchserie war, denn für meinen Geschmack hatte sich bereits eine gewisse Eintönigkeit eingeschlichen.
    In den letzten Jahren kam mir der Verdacht auf, dass Krimis und Thriller vielleicht doch nicht mehr zu meinen bevorzugten Genres gehörten, zu sehr fand ich mich regelrecht angeödet von überzogenen Plots und mit jedem Mal heldenhafteren und gleichzeitig kaputteren Ermittlern. Auch die Vielzahl grausig beschriebener Leichen und die zahlreichen lauten, gehetzten Situationen mit ständiger Schmerzandrohung und extremer Brutalität hat mich der Offensichtlichkeit der intentionierten Spannungserzeugung halber zunehmend gelangweilt und abgestoßen.
    Schön, dass Ian Rankin seinen Inspektor John Rebus letztes Jahr doch noch einmal hat ermitteln lassen, denn dieser Krimi hat mich begeistert: keine Ballerei, keine blutigen Gemetzel und keine grausigen Details, nichts der von mir zuvor beschriebenen Effekte – ich habe mich vielleicht gerade deswegen bei Mädchengrab durchgehend entspannt und gut unterhalten.

    Rebus, der es bis heute nicht geschafft hat, seinem Leben einen anderen Inhalt zu geben als Kriminalfälle und einige Gläser am Abend im Pub, arbeitet in einer kleinen Abteilung mit einigen wenigen anderen pensionierten Detektiven an alten ungeklärten Fällen. Eine niedrige Erfolgsquote und bevorstehende Umorganisationen drohen dieser Abteilung jedoch mit der Auflösung.
    Seinem altbekannten Charakter treu, mischt sich John Rebus mit seiner dickköpfigen und unorthodoxen Vorgehensweise stur in die Belange anderer Abteilungen ein, sobald er irgendwo mögliche Zusammenhänge vermutet. Seinen fehlenden Respekt vor Vorgesetzten und anderen Abteilungen hat er auch in Mädchengrab beibehalten, und seine Bemerkungen in dieser Hinsicht fand ich jedes Mal recht witzig. Er eckt unter anderem mit Malcolm Fox und seinem jahrelangen Erzfeind Big Ger Cafferty an, die für Ian Rankin-Fans alte Bekannte sind.
    Und wo Polizei-Routinen und –Vorschriften ihm zum Weiterverfolgen einer Spur Einhalt gebieten, da wählt Rebus wie gewohnt den Alleingang, wobei er aufgrund der in seiner Position stark eingeschränkten Befugnisse Siobhan Clarke davon überzeugen muss, mitzumachen.
    Es erscheint mir geradezu amüsant wie gern und entspannt ich diesen Krimi gelesen habe, bei dem sich die dargestellte Gewalt auf einen einzigen kurzen und eher lächerlichen Schlagabtausch zweier müder älterer Herren beschränkt.


    Da ich nichts zum Ausgang des Falles verraten kann, merke ich am besten nur an, dass der Autor einen nicht unbedingt üblichen, wenn auch nicht gerade einzigartigen, Schluss für Mädchengrab gewählt hat. Das Ende des Buches ist jedenfalls so gefasst, dass Ian Rankin ohne weiteres einen weiteren Fall für Rebus daran anhängen kann.
    Von mir gibt es :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: .


    Ein schönes Detail: auf der Innenseite des Buchumschlags gibt es einen kurzen „Ermittlersteckbrief“ über John Rebus, sodass man sich als Leser der Serie sehr schnell wieder in die Person des Inspektors hineinfindet.

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Das englischsprachige Original von Ian Rankins Mädchengrab trägt den Titel Standing in Another Man's Grave.
    Der Titel erklärt sich aus einem Verhörer von Rebus im Songtitel von Jackie Leven's Standing in Another Man's Rain. Ian Rankin war eng mit dem schottischen Liedermacher und Folksänger Jackie Leven befreundet, der wie Rankin selbst aus dem Verwaltungsgebiet Fife stammte, aber im November 2011 verstarb.

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  • Und noch keine Taschenbuchausgabe in Sicht. :roll: Ich werde warten, aber sehr ungeduldig. :lol:

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Und noch keine Taschenbuchausgabe in Sicht. :roll: Ich werde warten, aber sehr ungeduldig. :lol:

    Ich habe zum Glück noch ein paar alte Fälle für John Rebus vor mir und muss somit nicht ganz so ungeduldig sein. :wink:

    Gelesen in 2024: 7 - Gehört in 2024: 5 - SUB: 598


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Ich habe bisher nur ein einziges dieser Bücher gelesen und das ist fast 20 Jahre her. "Mädchengrab" klingt nach der Rezi sehr interessant und ich habe es mir gerade in der Bücherei vorbestellt, allerdings sind 7 Leute vor mir dran, ich kann es dann zum Jahreswechsel lesen. :-, Meint Ihr, dass ich ohne Vorkenntnisse überhaupt durchblicke? Es scheint sich immerhin um eine sehr umfangreiche Serie zu handeln.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Meint Ihr, dass ich ohne Vorkenntnisse überhaupt durchblicke? Es scheint sich immerhin um eine sehr umfangreiche Serie zu handeln.


    Im Normalfall behaupte ich immer, dass eine Krimiserie so geschrieben sein muss, dass man irgendwo mittendrin einsteigen kann und keine Reihenfolge einhalten muss. Bei der John-Rebus-Serie habe ich beinahe alle Bände gelesen, wenn auch nicht in der richtigen Reihenfolge. Bei diesem Nachzügler-Band hatte natürlich auch das Wiedererkennen von bereits bekannten Personen wie z.B. Siobhan Clarke einen gewissen Reiz, weil man sich im Geschehen ein bisschen "heimelig" zu fühlen beginnt. Genauso habe ich bei manchen unklugen Handlungen oder Bemerkungen von Rebus gedacht, dass das doch wieder richtig typisch für ihn sei oder dass er doch nie dazu lernt.
    Der Wiedererkennungswert ist in Mädchengrab definitiv als Plus zu werten.


    Falls Du Lust hast, einmal einen John-Rebus-Krimi auszuprobieren, in dem Siobhan Clarke als Rebus' Mitarbeiterin vorkommt (in anderen Bänden ist Brian Holmes als Mitarbeiter des Inspektors beteiligt), schau doch mal nach, ob in Deiner Bücherei einer der folgenden Bände aufliegt:

    • Ein eisiger Tod, im Original: Let it bleed (hier kommen sowohl Clarke als auch Holmes vor)
    • Der kalte Hauch der Nacht, im Original: Set in Darkness (diesen Band kenne ich selbst noch nicht)
    • So soll er sterben, im Original: Fleshmarket Close (diesen Band habe ich sehr gern gelesen)
    • Puppenspiel, im Original The Falls (dieser Band hat mir auch gefallen, soweit ich mich erinnern kann)
    • Die Kinder des Todes, im Original A Question of Blood (habe ich gelesen, ich weiß aber nicht mehr, wie ich ihn fand)


    Es gab auch einige mit Brian Holmes, die mir ziemlich gut gefielen. Schau mal, was Deine Bibliothek bietet, vielleicht kriegst Du dann ja Lust auf mehr - es ist immer sehr schwierig zu sagen, ob jemand Rebus mögen wird oder nicht, denke ich. :-k


    Schön an diesen Krimis sind auch die Details über Edinburgh (z.B. Fleshmarket Close :thumleft: ), aber es gibt auch einen Band, der in London spielt und einen in Glasgow, soweit ich mich erinnere. In Mädchengrab fährt Rebus ständig kleine Orte an der Landstraße A9 ab, die durch das schottische Hochland führt, ganz nett eigentlich als Hintergrund für den Krimi.




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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
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  • Falls Du Lust hast, einmal einen John-Rebus-Krimi auszuprobieren,

    Dazu bin ich dank "Bücherstau" nicht mehr gekommen und jetzt habe ich "Mädchengrab" schon hier, weil die Bücherei ein zweites Exemplar angeschafft hat. Ich fange einfach an und warte ab, wie viel ich verstehe. :wink:

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  • Und noch keine Taschenbuchausgabe in Sicht. :roll: Ich werde warten, aber sehr ungeduldig. :lol:


    Ich war zu ungeduldig und nachdem ich einen Gutschein erhalten habe, habe ich zugeschlagen.
    Was soll ich sagen, Rebus wie er immer war und doch ist man ein bischen sentimental und erfreut ihn für ein Buch wiederzuhaben.




    €nigma - die meisten Rebusbände kann man getrost durcheinanderlesen, obwohl auch dort ein fortlaufendes Privatleben zu erkennen ist, aber diesen Draufsetzer nachdem die Reihe angeblich aus ist, ist nicht gerade geeignet wenn man Rebus und das Umfeld nicht gut kennt. Aber vielleicht macht uns Mr. Rankin die Freude weiterer Bände. :lol:


    Liebe Grüsse Mara

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Ich habe gestern Abend die ersten gut 80 Seiten gelesen und bisher noch keine Verständnisprobleme. :wink:

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  • Mädchengrab war mein erster Rebus/Ian Rankin Thriller und ich hatte
    absolut keine Probleme aufgrund fehlender Vorkenntnisse.


    Wie gesagt, mein erster Rebus, aber sicher nicht mein letzter Rebus!

  • Ich habe "Mädchengrab" inzwischen beendet und es hat mir vom Aufbau und Erzählstil gut gefallen:

    keine Ballerei, keine blutigen Gemetzel und keine grausigen Details,

    Sehr angenehm ist es, dass hier kein Superheld am Werk ist, der im angeschossenen Zustand noch zehn Verbrecher eigenhändig erledigt, wie man es heutzutage in vielen Thrillern lesen muss. Die Ermittlungen werden in ihrem langsamen und mit viel Lauf- oder hier eher Fahrarbeit verbundenen Fortschritt realistisch beschrieben. Allerdings weiß ich nicht, inwiefern die sehr interessante Figur des John Rebus glaubwürdig ist. Die Dinge, die er sich in diesem Roman leistet, müssten eigentlich dazu führen, dass er von der Polizei aus dem Verkehr gezogen wird. Auch der immense Alkoholkonsum und das anschließende (unfallfreie) Autofahren haben mich befremdet.
    Dem Kriminalfall konnte ich gut folgen. Was die Beziehungen zwischen Rebus, seinen Kollegen und Cafferty betrifft, so haben mir aufgrund mangelnder "Vorkenntnisse" gewisse Nuancen gefehlt, die die Lektüre wahrscheinlich bereichert hätten. Auch die Vorgeschichte zwischen ihm und seiner Tochter gab mir einige Rätsel auf. Dennoch habe ich mich von "Mädchengrab" gut und anspruchsvoll unterhalten gefühlt.


    Unsere Bücherei hat viele Bücher von Rankin, darunter fünf im englischen Original (eins davon habe ich allerdings selbst der Bücherei geschenkt, weil ich es aus Versehen doppelt gekauft hatte :uups: ). Von den anderen vier werde ich mir bei Gelegenheit mal eins holen, weil ich eigentlich lieber auf Englisch lese.


    Es sind folgende Bände auf Englisch vorrätig:
    A question of blood
    Beggar´s banquett
    Doors open
    Resurrection man


    Welches davon sollte ich mir nach Meinung der Rankin-Kenner zuerst ausleihen :?:

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    Einmal editiert, zuletzt von €nigma ()

  • Na da warst du aber schnell, nun zu deiner Frage, das sind späte Rebus und eines ist ein Bamd mit Kurzgeschichten.


    14. Resurrection Man
    Ian Rankin : Die Tore der Finsternis
    15. Beggar´s Banquett (Stories)
    Ian Rankin - Der Tod ist erst der Anfang / Beggars´Banquet
    16. A Question of Blood
    Ian Rankin - "Die Kinder des Todes"


    Doors Open – das ist kein Rebus sondern ein Einzelband
    Ian Rankin - Der Mackenzie-Coup


    UND HURRA ES GIBT EINEN NEUEN RANKIN
    Saints of the Shadow Bible (2013)


    Liebe Grüsse Mara

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

    Einmal editiert, zuletzt von Mara ()

  • Doors Open – das ist kein Rebus sondern ein Einzelband
    Ian Rankin - Der Mackenzie-Coup

    Das werde ich dann weglassen.
    Das einzige Buch von Rankin, das ich schon gelesen hatte, muss zu den älteren gehören: "Knots and Crosses" (dt."Verborgene Muster"), das ich mir 1994 in Dubai gekauft hatte. Vor ein paar Jahren habe ich es hier in Deutschland nochmal gekauft, nachdem es mit einem anderen Cover neu aufgelegt wurde. :-,

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  • Doors Open habe ich als eines meiner ersten Bücher von Ian Rankin auf Englisch gelesen, und kann mich noch daran erinnern, dass ich diesen Band auch sehr mochte. Er fällt aber in der Erzählform ziemlich stark aus dem Rahmen, was Krimis betrifft.


    €nigma: schön, dass Du vielleicht ein weiteres Ian Rankin-Buch lesen möchtest. Inwieweit Rebus realistich sein kann - wahrscheinlich nicht allzu realistisch, würde ich sagen, schon den Punkt des Sich-Behauptens in seiner Karriere halte ich ihn für unwahrscheinlich. Männer, die im Beruf so starke Tendenzen zum Aufmucken und so schwache Tendenzen zum Sich-Einfügen zeigen, werden doch immer und überall zur Seite gedrängt, sodass sie an bemerkenswerte Arbeiten gar nicht herangelassen werden, und auf dumpfen unspektakulären Posten ihr berufliches Dasein fristen. Dabei ist es eher ein bisschen die "schriftstellerische Gerechtigkeit", die mir an Ian Rankin's Rebus-Figur zusagt. Enorme Siege lässt er seinen Helden ja auch nie feiern, aber er hat gerade genug Erfolg, um als Leser nicht frustriert zu sein.

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Männer, die im Beruf so starke Tendenzen zum Aufmucken und so schwache Tendenzen zum Sich-Einfügen zeigen, werden doch immer und überall zur Seite gedrängt, sodass sie an bemerkenswerte Arbeiten gar nicht herangelassen werden, und auf dumpfen unspektakulären Posten ihr berufliches Dasein fristen.

    In "Mädchengrab" versucht man ja auch, Rebus auf das Abstellgleis zu schieben, aber er lässt das nicht mit sich machen und kommt mir wie ein Terrier vor, der sich in etwas verbissen hat und nicht loslassen will. Erstaunlich, dass Kollegin Clarke soviel für ihn riskiert, aber auch dazu gibt es wahrscheinlich eine entsprechende Vorgeschichte.

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  • Erstaunlich, dass Kollegin Clarke soviel für ihn riskiert, aber auch dazu gibt es wahrscheinlich eine entsprechende Vorgeschichte.

    Ja, die zwei verbindet einiges, was schwierige Fälle und empfindlichen Umstände aus früheren Bänden angeht.

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