Eine neue literarische Stimme macht sich erfolgreich auf dem hart umkämpften deutschen Krimimarkt bemerkbar. Während viele Jahre lang erfolgreiche Serien wie etwa Donna Leons Romane um den Commissario Brunetti aus Venedig schon seit langem an Langeweile und immer mehr von dem Gleichen nicht zu überbieten sind, hat der in Deutschland und in Frankreich lebende Autor unter dem Pseudonym Jean Luc Bannalec sich mit seinem ersten Roman, seinen ersten Fall für Kommissar Dupin mit einem sogar von der etablierten Literaturkritik beachteten Paukenschlag zu Wort gemeldet.
„Bretonische Verhältnisse“ und auch der nun vorliegende zweite Band „Bretonische Brandung“ sind Kriminalromane, die uns nicht nur einen kantigen, menschlich authentischen Kommissar mit einer eigenen, kritischen Meinung präsentieren, sondern auch eine überaus spannende und anspruchsvolle Handlung. Daneben glänzen beide Bücher mit ganz wunderbaren Beschreibungen der einzigartigen Natur des Finstere und des Atlantiks.
Dieses atemberaubende Meer und die der Südküste des Finestere vorgelagerte Inselgruppe der Glenans sind der Schauplatz des neuen Romans „Bretonische Brandung“.
Wieder ermittelt Kommissar Dupin mit seiner Mannschaft auf seine ureigene Weise. Im Büro hat er mit Nolwenn eine Mitarbeiterin, die ähnlich wie Brunettis Sekretärin nicht nur eine Unmenge an Beziehungen und Ortskenntnissen hat, sondern über die Bannalec seinen Lesern auch immer wieder interessante kulturgeschichtliche Informationen über bretonische Geschichte und Kultur vermittelt.
Dupin ist ein eher introvertierter Ermittler, der ein, zwei Tage lang alles, was er sieht und beobachtet, einem dicken Notizbuch anvertraut. Seine Mitarbeiter und erst recht den Präfekten lässt er bis zur Lösung des Falles im Unklaren über sein Vorhaben, das ihm irgendwann in den letzten Stunden vor der endgültigen Auflösung glasklar vor Augen steht. So auch hier in dem neuen Fall, in dem drei Tote am Strand zunächst große Rätsel aufgeben. Doch nach und nach werden Beziehungen und Abhängigkeiten deutlich, die weit in die Vergangenheit zurückreichen.
Ging es im ersten Band der Reihe viel um Kunst, um Gauguin und seine Bilder, aber auch um eine konfliktbeladene Vater-Sohn-Beziehung, um Familiengeheimnisse und wie so oft in Krimis um enttäuschte Liebe und um Habgier, so taucht der zweite tief ein in eine sagenumwobene Geschichte einer Inselgruppe und ihrer eigensinnigen Bewohner, die durch die Launen der Natur eine ganz eigene Lebensweise entwickelt haben, die aber nicht ohne Neid und Habgier ist und wiederum viele Familiengeheimnisse birgt.
Dupin hat eine an Maigret erinnernde Art zu ermitteln, die seine Mitarbeiter fast zur Verzweiflung bringt, und seine Vorgesetzten erst recht. Jean-Luc Bannalec nimmt mit dieser Figur jeden Leser sofort gefangen. Er überzeugt in der Charakterologie seiner Personen ebenso wie in der Kunst, einen langen Spannungsbogen zu halten, der den Leser auf zahlreiche Spuren führt, bevor endlich das Geheimnis gelüftet wird.
Während Donna Leon schon lange nichts mehr Neues schreibt, und auch Martin Walker nach fünf Bänden seines Chef de police Bruno etwas schwächelt, macht Andrea Camilleri mit seinem Montalbano vor, wie man über fast zwei Jahrzehnte ein immer hohes Niveau halten kann.
Nach dem zweiten Band der Dupin- Reihe kann man noch kein endgültiges Urteil abgeben, zu welcher Gruppe er einmal gehören wird. Aber „Bretonische Brandung“ steht dem ersten Band in nichts nach.
Bannalecs Bücher sind so etwas wie Reisebeschreibungen und Kulturführer im Gewand eines unterhaltsam daherkommenden Kriminalromans. Hart gesottene Krimifreunde enttäuscht so etwas, aber Leser, die die Gegend kennen, in der das Buch spielt oder sie kennenlernen wollen, sind verständlicherweise sehr begeistert.
Man darf auf den dritten Band gespannt sein.