Raik Thorstad - Zenjanischer Lotus

  • Story:
    Der Meisterassassine Sothorn ist in ganz Sunda bekannt und gefürchtet, arbeitet er für seinen Herrn Stolan von Meerenburg bereits seit über 10 Jahren. Für einen Assassinen ist dies eine lange Zeit, werden er und seine Brüder und Schwestern doch mit dem Zenjanischen Lotus gefügig gemacht, einer Droge die ab einem gewissen Zeitpunkt mit körperlichem Verfall einhergeht.
    Auch Sothorn spürt, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt und so hat er sich mit seinem Schicksal abgefunden. Als eines Tages der Wargssolja Geryim mit seinem Tiergefährten auftaucht und ihm nachstellt, glaubt Sothorn, dass ihm sein letzter Kampf bevorsteht. Doch der Fremde hegt kein Interesse daran Sothorn einen würdigen Abschied zu gewähren. Stattdessen stellt er ihn ruhig und bringt ihn in eine abgelegene Festung, in der mehrere Assassinen ohne Herren und in Freiheit leben. Janis, der Anführer der Bruderschaft, macht Sothorn ein verlockendes Angebot – ein menschenwürdiges Leben ohne Herrn und weitestgehend befreit von der Sucht nach dem Zenjanischen Lotus, der sie gefühlstechnisch abstumpft und zu willenlosen Werkzeugen macht. Im Gegenzug dazu muss sich Sothorn einem dreiwöchigen Entzug stellen, der mit unvorstellbaren körperlichen und geistigen Schmerzen einhergeht, der Bruderschaft seine Treue schwören und die Gemeinschaft unterstützen und versorgen, indem er Aufträge annimmt, die der Bruderschaft erteilt werden.


    Nachdem Sothorn mit Geryims Hilfe den Entzug hinter sich gebracht hat, steht ihm ein neues Leben bevor. Er wird mit offenen Armen in die Bruderschaft aufgenommen und lernt sich selbst und seine Umgebung vollkommen neu kennen. Dabei entdeckt er, dass er eher Männern als Frauen zugetan ist und fühlt sich mehr und mehr von Geryims schroffer und undurchdringlicher Art angezogen. Zudem versagt er bei seinem ersten Auftrag, da er sich außerstande sieht in vollem Bewusstsein Menschen zu töten. Doch was ist ein Meisterassassine, der nicht mehr töten kann? Welchen tieferen Sinn hat sein neues Leben? Und was soll er mit seinen Gefühlen für Geryim anfangen, der seine Meinung schneller wechselt, als Sothorn lieb ist?


    Eigene Meinung:
    Mit „Zenjanischer Lotus“ legt Raik Thorstad ihren ersten Fantasyroman vor, hatte sie mit ihrem Debüt „Leben im Käfig“ einen gänzlich anderen Ton angeschlagen. So entführt sie den Leser dieses Mal in ihre Fantasywelt Sunda und macht Assassinen zu Hauptcharakteren.


    Die Handlung ist grundsätzlich nicht uninteressant, wirkt jedoch ein wenig unausgegoren und an einigen Stellen ein wenig unlogisch (Assassinen, die man mühsam ausbildet und aufgrund der Droge nur knapp 10 Jahre einsetzen kann, erscheint ein wenig an den Haaren herbeigezogen). Zudem zieht sich das Buch nach dem ersten Drittel, was daran liegt, dass einfach nichts Spannendes passiert. Nach Sothorns Entzug und den ersten Tagen, in denen er seine wiedergewonnene Freiheit und Körperlichkeit entdeckt, dümpelt das Buch vor sich hin. Sicher kommt es immer wieder zu kleinen Spannungskurven (Sothorns erster Auftrag, die Probleme mit dem jungen Assassinen Enes, das ewige Hin und Her mit Geryim etc), aber als Fantasyfan fehlt mir einfach der rote Faden, der im Hintergrund die Geschichte vorantreibt. Ein Fantasybuch sollte nicht komplett von den Gefühlen und Handlungen der Charaktere bestimmt werden, sondern immer eine Rahmenhandlung mit Intrigen, Geheimnissen und Kämpfen bereithalten. Das fehlt leider beim „Zenjanischen Lotus“, obwohl Potenzial vorhanden gewesen wäre, denn Sunda und Charaktere wie Stolan von Meerenburg bietet viele Möglichkeiten für Abwechslung und Spannung. Hier verschenkt die Autorin leider etliche Möglichkeiten und verpasst es, ihren Figuren einen passenden Rahmen zu geben. Das hat zur Folge, dass Raik Thorstads Welt trotz aller Fantasie und Details ein wenig unfertig wirkt – lediglich die Festung der Assassinen und Balfere sind gut durchdacht und lebendig, der Rest wirkt zu stark konstruiert, egal wie gut die Autorin die Städte und Landstriche beschreibt.


    Leider wirken auch die Charaktere hin und wieder ein wenig aufgesetzt und schwer nachvollziehbar. Sothorn ist hierbei der typische Hauptcharakter, durch dessen Augen der Leser Sunda und die anderen Assassinen kennenlernt. Er ist nicht unbedingt unsympathisch, doch an einigen Stellen wirkt er leider ein wenig unselbstständig und trägt seinen Teil dazu bei, dass die Geschichte nur schleppend vorangeht. Zudem denkt er meist mit nicht mit seinem Kopf (sondern mit anderen Körperteilen), was auf Dauer ermüdet. Einzig die Andeutungen auf seine wahre Natur und seine ungewöhnlichen Fähigkeiten, die sich erst am Ende bruchstückhaft offenbaren, machen Sothorn zu einer interessanten Figur. Es ist schade, dass Raik Thorstad dies nicht vertieft und den Leser mit Fragen und Vermutungen zurücklässt. So wünscht man sich, dass sie das Ende in die Mitte gelegt hätte, um sich endlich den interessanten Hintergründen zu widmen.
    Mit Geryim als Gegenpol zu Sothorn ist Raik Thorstad ein interessanter, aber auch sehr ermüdender Charakter gelungen. Sein ewiges Hin und Her und seine Reizbarkeit gehen einem mit der Zeit doch ein wenig auf die Nerven. Der Grund für Geryims Verhalten, der dem Leser erst ganz am Ende verraten wird, wirkt leider wenig überzeugend.


    Die übrigen Charaktere sind teils gut ausgearbeitet (Szaprey, Janis, Enes), teils schmückendes Beiwerk. Dennoch gelingt es der Autorin einige interessante Figuren zu erschaffen, die man lieb gewinnt und gerne in weiteren Abenteuern sehen würde.


    Raik Thorstadt hat einen sehr blumigen, detailverliebten Schreibstil, der den Leser Sunda mit all seinen Facetten näherbringt. Man taucht tief in die Fantasywelt der Autorin ein und erlebt die Charakter hautnah. Positiv ist auf jeden Fall die sprachliche Gewandtheit, der große Wortschatz und das Talent Raik Thorstads mit Worten zu jonglieren. Ihre Beschreibungen sind lebendig und ausufernd, so wie es bei einem Fantasyroman sein sollte. Zudem versteht sie es die Gefühle und die Gedanken ihrer Protagonisten zu umschreiben, so dass man einen tiefen Einblick in Sothorns Innenleben erhält. Dafür sind die Kampfszenen ein wenig zu kurz und spannungsarm, da man teilweise den Überblick verliert, was geschieht.
    Die erotischen Szenen sind ebenfalls sehr ausführlich und umfassen teilweise gut und gerne 30 Seiten, was doch ein wenig viel ist. Nichts gegen Erotik, zumal sie beim „Zenjanischen Lotus“ gut umschrieben ist, aber mit der Zeit ist man versucht die Stellen zu überblättern, um mit der eigentlichen Handlung fortzufahren. Hier muss der Leser selbst entscheiden, ob er schwule Erotik mit Fantasyelementen („Zenjanischer Lotus“) bevorzugt oder ein Fantasyepos mit schwulen Helden („Schattengilde“-Reihe von Lynn Flewelling). Denn dies ist ein gewaltiger Unterschied, liegt bei Raik Thorstad das Hauptgewicht auf der erotischen Beziehung von Geryim und Sothorn, während Lynn Flewellings Augenmerk auf der Handlung liegt. Zudem sollte man im Vorfeld bedenken, dass sich „Zenjanischer Lotus“ an erwachsene Männer und Frauen richtet. Die erotischen Beschreibungen sind hart, realistisch und bis auf Sothorns romantisch -verblümte Gedanken, weder kitschig, noch klischeeüberladen. Auch entsprechen die Charaktere optisch eher dem typisch männlichen Bild, sprich androgyne Charaktere wird man hier kaum vorfinden.


    Leider häufen sich im Laufe der Zeit einige Wörter und Satzkonstellationen und es schleichen sich vermehrt Rechtschreibfehler ein. Manchmal fehlen ganze Worte, so dass man sich fragt, ob der Verlag ein gutes Lektorat durchgeführt hat. Es ist einfach schade, wenn man mitten aus einer Beschreibung oder einem Dialog gerissen wird, weil Wörter oder Buchstaben fehlen.


    Fazit:
    Alles in allem hinterlässt „Zenjanischer Lotus“ ein gespaltenes Gefühl. Auf der einen Seite ist es schade, dass soviel Potenzial verschenkt und sich zu sehr auf die Beziehung zwischen Sothorn und Geryim konzentriert wurde, auf der anderen Seite macht das Buch durchaus Lust auf mehr. Raik Thorstad hat einen mitreißenden und detailverliebten Schreibstil und erschafft eine spannende Welt, die man mit Freuden in einer Fortsetzung näher kennenlernt.


    Insgesamt ist „Zenjanischer Lotus“ für Leser geeignet, die schwule und erotische Charakterfantasy mögen und eher an den typischen Beziehungskrisen, als an Weltrettungsmaßnahmen interessiert sind. Wer klassisches High Fantasy sucht, hat hier leider schlechte Karten, da es an passender Rahmenhandlung mangelt. Ansonsten einfach reinleisen, antesten und dann entscheiden …

  • Gestern habe ich das Buch beendet. Zum Inhalt hat meine Vorrezensentin ja schon alles gesagt, deshalb möchte ich hier nicht darauf eingehen. Anders als @koriko habe ich den Roman als echte Fantasy empfunden, auch, wenn gegen Ende vermehrt Sexszenen auftreten. Doch die Geschichte, die fantastischen Elemente verliert die Autorin nach meinem Empfinden nie aus den Augen.


    Die Welt ist gut durchdacht und in sich stimmig, ich habe mich schnell in ihr zu Hause gefühlt.


    Die Charaktere und ihre Entwicklung haben mich schlichtweg begeistert. Im Mittelpunkt stehen Sothorn und Geryim - der auf dem Cover abgebildet ist - doch auch die Nebenfiguren sind so facettenreich und interessant gezeichnet, dass sie mir lebendig und greifbar vor Augen standen.


    Die Sexszenen sind immer geschmackvoll und mit Worten beschrieben, wie ich sie in der Art noch nie gelesen habe. Sprachlich betritt Rauk Thorstad da wirklich neue Pfade. Es ist erfrischend, erotische Szenen zu lesen, die den Geschlechtsverkehr mal nicht mit den immer gleichen stereotypen Worten beschreiben.


    Raik Thorstad hat einen detailreichen, atmosphärischen Stil, treffsicher, präszise und doch blumig. Dsa Buch hat wirklich all meine Sinne angesprochen, und die Figuren sind ausgesprochen einfühlsam gezeichnet.


    Im Fantasy-Bereich ist es eines meiner Highlights in diesem Jahr und ein neues Lieblingsbuch.