Harriet Evans: Das Buch der verborgenen Wünsche

  • Die 1974 in London geborene Autorin sandte 2003 die ersten Seiten eines Manuskripts unter einem Pseudonym an einen Agenten. Damals arbeitete Sie hauptberuflich, z. B. als Lektorin, in der Buchbranche, unter anderem bis 2003 bei Penguin. Doch nachdem gleich fünf ihrer Romane bei Harper Collins verlegt wurden, kann sie sich spätestens seit 2008 ganz dem Schreiben widmen. Ihre Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt und Evans zählt mittlerweile zu den ganz Großen der Frauenunterhaltung. Mit entsprechend großen Erwartungen ging ich denn an Das Buch der verborgenen Wünsche heran, die deutsche Übersetzung von Love always und mein erstes Buch der Autorin.


    Darin geht es um Natasha. Deren Leben bricht gerade auseinander. Ihre Beziehung ist kaputt und die Schmuckdesignerin steht kurz vor dem Bankrott. Dann stirbt auch noch ihre Großmutter. Ausgerechnet die Frau, die so etwas wie ein Fels in der Brandung war. Ihr Vorbild. Ihr sicherer Halt, den sie bei ihrer unbeständigen, rastlosen und augenscheinlich lieblosen Mutter und ganz ohne Vater dringend benötigte.


    Als Auszüge eines Tagebuchs auftauchen, ergeben sich Fragen. Summercove, das bisher nicht nur Feriendomizil, sondern auch so etwas wie Heimat für sie war, wird verkauft und ihre eigenen Erinnerungen erscheinen vor dem, was sie erfährt, falsch zu sein. Obwohl Natasha es sich angesichts ihrer momentanen persönlichen Situation gar nicht leisten kann, geht sie auf Spurensuche und findet letztlich etwas, womit sie gar nicht gerechnet hat.


    Evans erzählt die Geschichte bildhaft detailliert, was für eine dichte Atmosphäre, allerdings auch für einzelne Längen sorgt. Das Haus der verborgenen Wünsche spielt auf verschiedenen Zeitebenen. Die Autorin springt zwischen den 1960er-Jahren und der Gegenwart hin und her, lässt teilweise Natasha selbst und dann wieder einen Erzähler zu Wort kommen. Teils siedelt sie das Geschehen in Cornwall, dann wieder in London an. Und offenbart Stück für Stück die brüchige Fassade einer scheinbar respektablen Familie, Lügen und Mutmaßungen, Vorwürfe und Ausgrenzungen. Ein Jahrzehnte zurückliegender Todesfall, über den selten gesprochen wird, änderte alles. Sorgte für Gefühle, die lange unterdrückt, und Schuldgefühle, die nie überwunden wurden.


    Kann eine unaufgeregte Geschichte dramatisch sein? Evans Roman ist sowohl das eine wie das andere. Zusätzlich wartet sie auch noch mit einer dezent eingefügten Liebesgeschichte auf, die das Ganze abrundet. Sie passt sich genauso harmonisch dem übrigen Geschehen an, wie sie glaubwürdig wirkt. Vermutlich, weil sie von lebensecht wirkenden Charakteren erlebt wird. Insgesamt offenbaren sich Evans Figuren teils liebenswert oder unsympathisch und berechnend, teils hilflos oder wütend, aufmüpfig oder mutlos, kalt- oder warmherzig, facettenreich und immer authentisch. Ihre Handlungen wirken glaubwürdig.


    Während der Teil, der die Vergangenheit betrifft, zwar wie bereits erwähnt dramatisch aber doch eher distanziert auf mich wirkte, war ich begierig zu lesen, alles zu lesen, was die Gegenwart und Natasha betraf. Sie durchläuft eine Entwicklung, die mich mit ihr fühlen ließ, gleichzeitig ließ mich das Schicksal ihrer Mutter nicht kalt.


    Am Ende alles rosarot und wieder gut? Jein. Das Ende ist der Geschichte angepasst. Unaufgeregt erwachsen könnte man sagen. Nicht einfach schöngefärbt, nicht unwahrscheinlich, aus der Handlung heraus betrachtet das einzig mögliche konsequente Ende, das es für diesen Roman geben kann.


    Fazit: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Berührender Roman mit Tiefgang. Er lässt sich leicht lesen, ohne einfach nur seicht-leichte Unterhaltungslektüre zu sein. Das Buch der verborgenen Wünsche bekommt vier von fünf Punkten von mir.


    Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

    Fantasien sind die Flügel unserer Seele. Auf Ihnen tragen wir in Worten und Bildern unsere Wünsche und Träume in die Welt.

    Einmal editiert, zuletzt von Ati ()

  • Englischer Originaltitel Love Always


    Sieht irgendwie hoffnungsfroher und fröhlicher aus, als das Buch inhaltlich ist.

    Fantasien sind die Flügel unserer Seele. Auf Ihnen tragen wir in Worten und Bildern unsere Wünsche und Träume in die Welt.

  • Ich habe das Buch heute beendet und möchte kurz einen Leseeindruck hinterlassen.
    Zum Inhalt hat meine Vorposterin ja schon das Wichtigste gesagt.


    Eine junge Frau auf der Suche nach ihrer eigenen Identität, Ihrem Lebensweg sowie auf der Spur eines Familiengeheimnisses.
    Fasziniert vom Tagebuch ihrer sehr jung verunglückten Tante muss sie allerdings merken dass oftmals in der Familie nicht alles so ist und war wie es nach aussen hin scheint.
    Die einzelnen Charaktere und ihr Verhalten früher und heute fand ich sehr interessant geschildert. Wobei ich die Mutter von Natasha nervig fand. Auch und gerade wenn man dann aufgrund des Tagebuchs etwas hinter die Kulissen der Vergangenheit schauen kann.


    Die Erzählperspektive wechselt sich ab. 1963 und 2009. Im Gegensatz zu meiner Vorposterin fand ich die Schilderungen von 1963 sehr viel interessanter als die der Gegenwart welche sich oftmals, gerade in der Mitte des Buches, doch recht zogen.
    Ich kann das Buch auch schlecht einer Kategorie zuordnen. Es ist weder ein typisches Frauenbuch noch ein Mysteryroman geschweige denn ein Thriller. Es ist ein ruhiges, oft nachdenklich und manchmal auch betroffen machendes Buch. Aber ohne deprimierend zu wirken. Ein Buch über menschliche Beziehungen, über Neid, Lebenslust und -frust ohne je kitschig zu sein. Gewürzt mit einigen Prisen Humor und auch Situationskomik ein wunderbares Lesevergnügen. Oftmals auch very british aber das mag ich gerade sehr.
    Mich hat das Buch sehr gut unterhalten. :applause: Einen halben Stern ziehe ich ab aufgrund der manchmal auftretenden Langatmigkeit im Gegenwartsteil und vergebe damit 4,5 Sterne. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb: