Erastes ~ Mere Mortals [Engl.]

  • Kurzbeschreibung Amazon: Orphaned Crispin Thorne has been taken as ward by Philip Smallwood, a man he's never met, and is transplanted from his private school to Smallwood's house on an island on the beautiful but coldly remote, Horsey Mere in Norfolk. Upon his arrival, he finds that he's not the only young man given a fresh start. Myles Graham, and Jude Middleton are there before him, and as their benefactor is away, they soon form alliances and friendships, as they speculate on why they've been given this new life. Who is Philip Smallwood? Why has he given them such a fabulous new life? What secrets does the house hold-and what is it that the Doctor seems to know?


    Düster, geheimnisvoll, in abgeschiedenen Gegenden in einer anderen Zeit, unerwartete Wendungen und rätselhafte, aber psychologisch gut ausgebaute Protagonisten - solche Geschichten liebe ich! Allein schon das Cover von "Mere Mortals - in gediegenden Brauntönen gehalten - hat mich neugierig gemacht. Eigentlich bin ich kein Fan von englischer Lektüre, weil mir häufig die Wörter fehlen, aber dieses ist so fantastisch und ausgeklügelt geschrieben, dass ich etwas verpasst hätte, hätte ich es nicht gelesen.


    Handlung: Norfolk, England, 1846. Der reiche Philip Smallwood lebt abgeschieden auf einer Insel in einem großen, verwinkelten Haus, umgeben von Luxus und Dienern. Der Ich-Erzähler Crispin Thorne, 17 Jahre alt und Waise, wird dorthin eingeladen, um von dem ihm unbekannten Smallwood unter dessen Fittiche genommen zu werden. Überrascht stellt er fest, dass er nicht der Einzige ist: zwei weitere Jungen in seinem Alter, Jude Middleton und Myles Graham, erwarten ihn und erklären ihm, von dem Hausherrn aus demselben Grund "adoptiert" worden zu sein. Smallwood selbst zeigt sich den Jungen selten - häufig ist er nicht zuhause, achtet jedoch darauf, dass den Jungen Manieren beigebracht werden und alles, was sie gesellschaftlich weiter bringt: Reiten, Fechten, Tanzen, Smalltalk auf Partys, die er um ihretwillen veranstaltet. In dem alten Haus, das wundervoll beschrieben wird, stoßen die Jungen auf viele Rätsel, und auch Philip Smallwood gibt ihnen manch harte Nuss zu knacken: jeder erhält den Namen "Dominic" nach ihren Rufnamen, sie finden eine Taschenuhr, die identisch denen ist, die Philip ihnen als Willkommengeschenk gemacht hat, und zudem entdecken sie ein völlig zerspittertes Boot im lange nicht benutzten Bootshaus. Spekulationen werden geschürt. Hatte Smallwood einen Sohn, der im Alter der Jungen ums Leben kam und ertrank, und sucht er einen Ersatz für den Verlust? Fast scheint es so.


    Zwischen Crispin und Jude entsteht eine Anziehungskraft und sexuelle Annäherungen, die von letzterem bald verneint und brüsk zurückgewiesen werden. Währendessen kümmert sich Smallwood rührend um alle drei Jungs, jedoch stets einzeln. Außer den gemeinsamen Mahlzeiten sieht er sie nie zusammen. Als Crispin von einer Migräne-Attacke heimgesucht wird, lässt Smallwood den Doktor kommen. Zwischen ihm und Smallwood herrscht eine Antipathie, die sich die Jungen nicht erklären können, jedoch nicht unbegründet ist.


    Waren die drei zu Beginn immer zusammen, kapselt sich Jude allmählich ab, und Crispin beginnt ein Verhältnis mit Myles. Irgendwann erzählt ihnen Jude stolz, er sei derjenige, der Dominics Platz einnehme - es stellt sich heraus, dass Dominic Waise wurde wie die drei und von Philip Smallwood als Freund der verstorbenen Eltern unterichtet wurde - in sämtlichen Bereichen.


    Die Lage spitzt sich zu, als Philip Smallwood die drei Jungs im "Queen's Favour" überrascht, dem "verbotenen" Zimmer, das einst Dominic gehörte. Der sonst so beherrschte und freundliche Gastgeber reagiert auf den Vertrauensbruch in schockierender und unvorhergesehener Weise.


    Meinung: Selten habe ich ein so spannendes Buch gelesen, das mich einfach nicht mehr losgelassen hat und bei dem ich vor Aufregung herumgezappelt habe. Anfangs war es nicht ganz einfach, den teilweise etwas langatmigen Ausführungen zu folgen, doch entschädigt wurde ich mit einem großartigen Kopfkino, wozu die detailreichen Beschreibungen erheblich beigetragen haben. Merkwürdigerweise wurde ich mit Jude "dear boy" Middleton und Philip Smallwood erst recht spät warm. Aber dann wurde mir die Tragik von Smallwoods Geschichte bewusst; seine Trauer um den tödlich verunfallten Dominic hat etwas unbeschreiblich Rührendes. Und man kann ihn in seiner Wut und Verzweiflung sogar verstehen, als er im Affekt etwas tut, das die Idylle zwischen Mentor und seinen "Zöglingen" auf immer zerstört.


    Fazit: Kein Happy End, traurigerweise, das ich dem Protagonist Philip Smallwood und auch den drei Jugendlichen so gegönnt hätte. Aber ein wirklich toller Roman, der so überraschend wie ungewöhnlich ist, dass ich ihm viele Leser wünsche. Obwohl die Thematik wohl nicht jeden anspricht und ein wenig heikel ist für empfindsame Gemüter, versteht es die Autorin, die unter Pseudonym im Genre m / m schreibt, in Andeutungen zu erzählen, ohne dass man sich dabei langweilt, sondern große Sympathie für ihre Figuren entwickelt und empfindet. Volle Punktzahl! :thumleft:


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