Leon de Winter - SuperTex

  • Klappentext:
    „Was macht ein Jude am Schabbesmorgen in einem Porsche!“ – bekommt Max Breslauer zu hören, als er durch die Amsterdamer Innenstadt gerast ist und einen chassidischen Jungen angefahren hat. Eine Frage, die andere Fragen auslöst: “Was bin ich eigentlich? Worum dreht sich mein Leben?“ Max, 36 Jahre alt und 90 Kilo schwer, Erbe eines Textilimperiums namens SuperTex, landet auf der Couch einer Analytikerin, der er sein Leben erzählt. (von der Verlagsseite kopiert)


    Zum Autor:
    Leon de Winter wurde 1954 in ’s-Hertogenbosch als Sohn niederländischer Juden geboren. Er arbeitet seit 1976 als freier Schriftsteller und Filmemacher in Holland und den USA. Seine Romane erzielten überwältigende Erfolge; einige wurden für Kino und Fernsehen verfilmt, so ›Der Himmel von Hollywood‹ unter der Regie von Sönke Wortmann. Der Roman ›SuperTex‹ wurde von Jan Schütte verfilmt. (von der Verlagsseite kopiert)

    Allgemeine Informationen:
    Originaltitel: SuperTex
    Erstmals erschienen 1991 bei De Bezige Bij Amsterdam
    Aus dem Niederländischen übersetzt von Sibylle Mulot
    1996 im Diogenes-Verlag erschienen
    Erzählt aus der Ich-Perspektive von Max
    13 nummerierte Kapitel auf 265 Seiten


    Inhalt:
    Die Globalisierung auf dem Textilmarkt hat begonnen. Max’ Vater hat, nachdem er als Jude die Naziverfolgung überlebte, einen Kleider-Großhandel, SuperTex, gegründet, pflegt Wirtschaftsbeziehungen zu Ländern in Asien und Nordafrika und baut sein Imperium immer weiter aus. Max, Jurist, stand schon als Jugendlicher in ständiger Konfrontation zu dem übermächtigen Vater. Nach dem Studium arbeitet er zunächst in einer Rechtanwaltskanzlei, dann wechselt er in die Firma des Vaters. Trotz seines Erfolges fühlt er sich vom Vater erdrückt. Nach dessen Tod wird er Chef der Firma. Schnelle Autos, schöne Frauen, viel Geld – das ist Max’ Leben. Anders sein Bruder Boy, der Max’ Leistungen nie das Wasser reichen konnte: Er scheint zufrieden auf seinem untergeordneten Buchhalterposten in der Firma.


    Eigene Meinung / Bewertung:
    Max, groß und schwer übergewichtig, ist kein angenehmer Zeitgenosse. Weil sich eine Lieferung aus Fernost verspätet, gerät er in Wut, entlässt seine Sekretärin, die schon Jahrzehnte in der Firma arbeitet, und rast mit seinem Porsche durch Amsterdam zu seinem Büro. Dabei fährt er einen jüdischen Jungen an, der mit seiner Familie zur Synagoge unterwegs ist.
    Max fühlt sich überfordert, steckt in der Krise und legt sich auf die Couch seiner Therapeutin, obwohl er seine Behandlung vor einem Jahr abgebrochen hatte.
    Im Gespräch mit der Therapeutin erzählt Max sein Leben, das bis heute im Zwiespalt zwischen Judentum und bequemer Agnostik steckt.


    Max kann machen, was er will, weglaufen, eigene Entscheidungen treffen, sich ein eigenes Leben aufbauen, immer wird er eingeholt von den Traditionen seiner Familie und seiner Religion. Der Vater scheint sein böser Geist, der Vater mit seinen jiddischen Sprüchen und Lebensweisheiten. Der Leser erkennt es schneller als Max: Er ist in Wirklichkeit die zweite Ausgabe seines Vaters, ebenso machtbesessen, ebenso diktatorisch und rechthaberisch. Zweifelsohne wirkt er stark und selbstbewusst, und doch ist er unselbstständig wie ein Kind, wenn irgendetwas Unerwartetes passiert oder die Menschen seiner Umgebung ihn nicht mit dem versorgen, was er zu brauchen glaubt.


    Im Gegensatz zu Max steht Boy, der verweichlichte kleine Bruder, der sich nie gegen den Vater stellte und der mit seinem untergeordneten, aber auskömmlichen Beruf zufrieden scheint. Und doch ist es Boy, der sein Leben in die Hand nimmt und sich aus der Firmen-Tradition und der Familie löst und eine zukunftsweisende Entscheidung trifft. Was während der Kindheit und Jugendzeit eindeutig schien, Max’ Stärke und Boys Schwäche, verkehrt sich ins Gegenteil.


    Mit leichter Hand, Sprachwitz und gewürzt mit komischen Wendungen erzählt der Autor Max’ Geschichte. Doch er erzählt auch vom jüdischen Leben, lässt die Anfänge der fragwürdigen Textilproduktionen einfließen, er erzählt von großer Liebe und Schmerz, von Verrat und Besinnung.


    Fazit:
    Ein leicht zu lesender Unterhaltungsroman über eine Identitätssuche, mit Tiefgang, aber locker und ohne moralische Zeigefinger.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)