Kurzbeschreibung von Amazon.de:
Seit Generationen leben die Menschen unter der Erde. Was aber, wenn das Leben im Silo nicht das ist, was es zu sein scheint? Was, wenn der Blick nach draußen nicht durch eine Scheibe, sondern auf einen Bildschirm fällt? – Dann wird Neugier lebensgefährlich. Selbst für Juliette Nichols, die für die Sicherheit im Silo verantwortlich ist ... Drei Jahre nach dem mysteriösen Tod seiner Frau Allison setzt Sheriff Holston seiner Aufgabe ein Ende und entschließt sich, die strengste Regel zu brechen: Er will das Silo verlassen. Doch die Erdoberfläche ist hoch toxisch, ihr Betreten bedeutet den sicheren Tod. Holston nimmt das in Kauf, um endlich mit eigenen Augen zu sehen, was sich hinter der großen Luke befindet, die sie alle gefangen hält. Seine Entdeckung ist ebenso ungeheuerlich wie die Folgen, die sein Handeln nicht zuletzt für seine Nachfolgerin Juliette hat … Hugh Howeys verstörende Zukunftsvision ist rasanter Thriller und faszinierender Gesellschaftsroman in einem. »Silo« handelt von Lüge und Manipulation, Loyalität, Menschlichkeit und der großen Tragik unhinterfragter Regeln.
Handlung / Meine Meinung:
„Ich will raus.“ Das sind die Worte, die im Silo verboten sind. Spricht diese Worte tatsächlich jemand aus, dann wird er zur sogennanten Reinigung verurteilt. Derjenige muss das Silo durch die Luftschleuse verlassen und draußen die Linse der Kamera reinigen, die das einzige Bild der Außenwelt, das die Silobewohner zu sehen bekommen, ins Innere wirft. Kurz darauf stirbt derjenige wenn sein Schutzanzug zerfressen wird, denn die Luft ist mit schwer ätzenden Gasen verseucht, die ein Leben an der Erdoberfläche unmöglich machen.
Wenn man sich nur den Klappentext durchliest, ist es schwer zu verstehen, was das Silo wirklich ist, welche Ausmaße es hat und was es für die Menschen, die darin wohnen, bedeutet. Ich habe einige Zeit gebraucht, damit warm zu werden und mich hineinzuversetzen. Allerdings habe ich später einige Male zurückgeblättert, worauf mir ein Licht aufgegangen ist, da ich es beim ersten Lesen nicht für wichtig erachtet oder nur unterbewusst wahrgenommen habe. Das Silo existiert seit vielen Generationen und es gibt keinerlei Aufzeichnungen mehr wie das Leben an der Erdoberfläche in früheren Zeiten gewesen ist. Es ist sogar verboten, darüber zu sprechen. Daran hält sich auch jeder, ausgenommen die Ehepaare, denen es stillschweigend gestattet ist, in der vertrauten, heimischen Kammer darüber zu philosophieren. Aber öffentlich sagt so gut wie niemand etwas darüber, da man sonst in Gefahr geraten könnte, zur Reinigung verurteilt werden zu können. Es gibt ja eigentlich auch keinen Grund, sich darüber Gedanken zu machen, denn die Luft draußen ist verseucht und nach wenigen Sekunden würde man elendig zu Grunde gehen.
Die Menschen kennen nichts anderes als das Silo. Es ist gigantisch groß und besteht aus 144 in die Erde eingelassenen Stockwerken gigantischen Ausmaßes. Die Menschen bewegen sich über eine spiralförmige Treppe ab- und aufwärts. Jedes Stockwerk hat eine andere Funktion. Es gibt z.B. die IT-Abteilung, die Versorgung, Wohnetagen, die Mechanik, Speisesäle, Stockwerke für Nahrung, für Hydrokulturen, Krankenstationen und alles, was sonst noch benötigt wird um eine Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Auf den ersten Blick erscheint alles eher wie eine Demokratie und nicht wie eine Diktatur, die hier herrscht und es gibt auch nur sehr wenig Polizei. Die Struktur erinnert eher an die eines Großkonzernes. Die Leute haben ja nichts anderes als diesen unterirdischen Wohnraum, jedoch kam es in der Vergangenheit schon zu einigen Aufständen, die alle erfolgreich niedergeschlagen wurden, über die aber auch wenig Informationen vorliegen. Jeder Bewohner hat einen Beruf und eine feste Aufgabe. Viele haben auch einen sogenannten „Schatten“, einen Jugendlichen, der sie auf Schritt und Tritt verfolgt und somit jeden Handgriff, der in diesem Beruf erforderlich ist, von der Pike auf erlernt und eines Tages diese Aufgaben übernehmen soll. Somit soll gesichert sein, dass keinerlei Wissen verloren geht. Es gibt einen Bürgermeister, der die Verantwortung für alles trägt und der gewählt wird. Zusätzlich ist das Silo in drei Bereiche zu je 48 Stockwerken aufgeteilt, wobei jedes einen Sheriff und einen Deputy hat.
Die Welt, die Hugh Howey hier geschaffen hat, ist einfach überragend. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit will man immer mehr von der Geschichte des Silos wissen, wie das Leben der Menschen aussieht, wie ihr Tagesablauf aussieht, welche Strukturen herrschen usw. Nichts wirkt an den Haaren herbeigezogen wie es manchmal in diversen Dystopien der Fall ist, es hat alles Hand und Fuß.
Als Leser denkt man natürlich das Offensichtliche und ich muss gestehen, schon beim Lesen der Kurzbeschreibung habe ich wissend genickt: „Ja, hier wird den Menschen etwas vorgegaukelt mit der verseuchten Luft und sie befinden sich vermutlich in einer Art Labor unter Beobachtung.“ Aber schon nach wenigen Seiten wird man Lügen gestraft. Denn Holston, der Sheriff des obersten der drei Bereiche, spricht die Worte aus, vor denen sich jeder fürchtet: „Ich will raus!“ Er hat scheinbar den Lebensmut verloren und will seiner Frau nach draußen folgen. Sie hat vor drei Jahren aus unerklärlichen Gründen das Silo ebenfalls verlassen und das obwohl das Paar zu den Glücklichen gehören sollten, die Kinder haben dürften. Holston hat nun lange Zeit darüber nachgesinnt, warum das so gewesen ist, aber ein plausibler Grund ist ihm nicht eingefallen. Er denkt allerdings, dass seine Frau, die als Computerspezialistin galt, etwas herausgefunden hat, das sie dann regelrecht den Verstand verlieren ließ.
Als Holston an die Oberfläche geht, traut er zunächst seinen Augen nicht, denn das graue, düstere Bild, das er von der Außenwelt kennt, ist ganz anders. Stattdessen sieht er das blühende Leben: Vögel, grüne Wiesen, blauer Himmel. Von Euphorie überwältigt macht er sich daran, die Linse zu reinigen um wieder ein freies Bild für die Menschen im Silo herzustellen. Doch als er danach weitergeht um die fremde Welt zu ergründen, merkt er, dass er einem Schwindel aufgesessen ist und ihm dieses Bild nur in seinen Helm eingespeist worden ist. Das ist dann vermutlich auch der Grund, warum bisher jeder, der zur „Reinigung“ verurteilt worden ist, die Linse anstandslos gesäubert hat. Sein Schutzanzug zersetzt sich langsam, die giftigen Gase umgeben ihn und Holston stirbt einen schrecklichen Tod.
Mit dieser Szene gleich zu Anfang wurde erst einmal meine anfänglichen Gedanken zunichte gemacht und ich begann, mich auf das Silo stärker einzulassen. Ich achtete nicht mehr auf Unregelmäßigkeiten und Auffälligkeiten um den angeblichen Schwindel aufzudecken und konzentrierte mich stärker darauf, was das Silo auch für die Menschen darin ist: nämlich der einzige noch vorhandene Lebensraum auf der Erde.
Durch den Tod Holstons ist die zwar schon alte, aber von allen geschätzte und beliebte Bürgermeisterin Jahns nun gezwungen, einen Nachfolger für ihn als Sheriff zu finden. Zusammen mit Holstons Deputy Marnes begibt sie sich auf den langen und beschwerlichen Abstiegen in die unteren Stockwerke. In der Mechanik arbeitet eine Frau namens Juliette, die von ihnen als angemessene Nachfolgerin betrachtet wird. Sie hat vor einigen Jahren bei der Aufklärung eines Mordes geholfen und dabei Scharfsinn bewiesen. Sie scheint charakterlich einwandfrei zu sein und dazu noch sehr intelligent. Der Abstieg durch das riesige Silo wurde fast wie eine epische Reise in einem Fantasyroman beschrieben und dadurch wurden mir die Ausmaße des Silos erst so richtig bewusst. Auf ihrem Weg nach unten besuchen die beiden alten Weggefährten u.a. Juliettes Vater, der als Arzt tätig ist und vor allem die Zeit in der IT-Abteilung war hochinteressant. Denn gerade diese Abteilung scheint eine Art schon immer da gewesene Sonderstellung zu haben. Was sie genau machen, weiß man zunächst gar nicht, aber sie sind sehr machtvoll. Auch wenn Jahns Rang über dem des unsympathischen Leiter der IT Bernard angesiedelt ist, merkt man sofort, dass es nicht gerade gut für das Klima ist, dass Bernard nicht einverstanden mit Juliette als Sheriff ist, da dieser schon selbst eine Auswahl für diesen Posten getroffen hat.
Wir lernen nun bald die Auserwählte Juliette kennen und ab diesem Zeitpunkt ist die Geschichte vor allem aus ihrer Sicht geschrieben und sie wird zur Protagonistin. Sie ist ein toller Charakter, mit dem man sich sofort identifizieren kann.
Auch alle anderen Personen wie z.B. Jahns wurden vom Autor mit großer Sorgfalt angelegt und waren eine weitere Stärke dieses wunderbaren Buches.
Viel mehr will ich zur Handlung gar nicht sagen, da es so großen Spaß macht, jeden kleinen Winkel dieser hervorragend durchdachten Welt, die uns Hugh Howey da geschenkt hat, ohne allzu viel Vorwissen zu durchforsten
„Silo“ muss man ein bisschen Zeit geben. Wer ausschließlich viel Action und eine sehr rasante Handlung sucht, wird hier zunächst nicht fündig werden. Später gibt es zwar schon ein wenig davon, das Hauptaugenmerk Howeys liegt aber auf anderen Gesichtspunkten. Wem der Schreibstil von Autoren wie Justin Cronin oder Stephen King zusagt und wer den oft langsamen, aber sehr lohnenswerten Aufbau ihrer Geschichten mag und wer Wert auf Charakterzeichnungen uns sorgfältig angelegte Plots legt, der sollte unbedingt zu „Silo“ greifen und wird definitiv nicht enttäuscht werden.
Fazit:
Eine großartige Mischung aus Endzeitroman, Gesellschaftsstudie, Dystopie (nicht im Sinne von Jugendbüchern wie „Panem“!) und Science-fiction wartet darauf, verschlungen zu werden.