Brissa Wudy: Schiffbruch … und das Leben ist doch vollkommen

  • Taschenbuch, 228 Seiten


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    Die alleinerziehende Lehrerin Brissa Wudy ist nach einem Unfall auf einen Rollstuhl angewiesen. In ihrem Buch Schiffbruch erzählt sie von diesem lebensumwälzenden Geschehen.


    Was mich gleich eingangs sehr berührt hat, ist eine Form der Demut, die man eher selten erlebt. Wudy bedankt sich für all das Gute, das ihr seither widerfahren ist. Für Dinge, von denen sie weiß, dass sie nicht selbstverständlich sind. Dies und der Untertitel … und das Leben ist doch vollkommen deuten bereits das an, was sich im Buch noch genauer herauskristallisiert: Brissa Wudy hat sich von den Folgen ihres Unfalles nicht unterkriegen lassen. Das heißt nicht, dass sie nicht mental zu Boden gegangen ist. Auch wenn sie es nicht explizit schreibt, spürt man es mehrfach zwischen den Zeilen. Doch sie hat sich jedes Mal wieder aufgerichtet.


    Da sie in ihrem Buch überwiegend auf die Zeit nach dem Unfall eingeht, kann man sich nur ausmalen, wie stark ihre Persönlichkeit, wie groß ihre Lebenslust oder wie ausgeprägt ihr soziales Engagement zuvor gewesen sein muss. Und in diesem Bereich hat sie keine Lähmung erfahren. Allerdings musste sie ihre Grenzen neu kennenlernen und definieren.


    Schiffbruch … und das Leben ist doch vollkommen liest sich sehr flüssig, obwohl das Geschriebene nicht immer leicht und auch nicht konsequent linear aufgebaut ist. Die Autorin erzählt zum einen die fiktive Geschichte einer Gruppe Gestrandeter. Die pflegt auf einer einsamen Insel nicht nur ihre Wunden, sondern hält ebenso nach dem Leben außerhalb der Insel Ausschau, wie sie versucht, Gegebenes zu akzeptieren. Dabei wechselt Wudy die Perspektiven, lässt ihre LeserInnen immer wieder aus der Sicht eines anderen Schiffbrüchigen an den Ereignissen dort teilnehmen. Das Bild der einsamen Insel, die Machtlosigkeit der Gestrandeten nach dem Schiffbruch, ihre Sorgen, Nöte und Ängste aber auch ihre zarten Hoffnungen korrespondieren synonym mit dem, was Wudy zum anderen über sich selbst schreibt.


    Wer eine autobiografische Erzählung über die erlittenen Verletzungen und die daraus resultierenden Behandlungen und expliziten Spätfolgen, erwartet, wird sehr schnell mit etwas anderem überrascht. Mit Wudys deutlich spürbarer spiritueller Einstellung etwa oder ihren philosophischen Betrachtungen verschiedener Dinge. Genauere Schilderungen über die Folgen ihrer Lähmung im täglichen Leben gehen darüber fast unter. Eher beiläufig erfährt man, wie sie nach einem Umzug in eine eigentlich barrierefreie Wohnung vom zuständigen Architekten hören muss, dass sie doch bloß aufstehen und wenige Schritte gehen muss, um in die überhaupt nicht barrierefreie Dusche zu gelangen. Nur ganz zaghaft blitzen solche Erlebnisse auf und werden sofort von etwas anderem übertüncht.


    Verdrängung? Dieser Verdacht drängt sich durchaus auf. Manches im Buch kam mir zu distanziert vor. Fast, als ob Wudy sich selbst keinen genaueren Blick auf bestimmte Gedanken gestatten würde. Doch wesentlich öfter offenbart sich die Stärke einer Frau, die gelernt hat, sich in Krisenzeiten einem Schilfrohr im Sturm gleich bis zum Boden zu neigen und dann wieder aufzurichten. Allenfalls geknickt, aber nicht gebrochen. Die ihre Lebensfreude trotz allem nicht verliert, weil neben ihr auch ihre Freunde und Verwandten sie weiterhin als Frau und Mutter und nicht nur als Behinderte sehen. Genauso bezeichnend wie berührend fand ich in diesem Zusammenhang, dass sie dank und mit einer Freundin zu einer Bauchtanzgruppe stieß und ihre Freude am Tanzen wiederfand.


    Wudy beschränkt sich in ihrem Buch aber nicht nur auf das Schildern ihrer Erlebnisse bzw. ihrer Reaktionen und Gefühle darauf. Sie macht sich auch Gedanken um andere. Versucht sich in diese im Bezug auf ihre eigene körperliche Einschränkung hineinzufühlen. Erklärungen für bestimmte Verhaltensweisen zu finden, ohne diese zu verurteilen. Gleichzeitig sieht sie immer noch andere Männer und Frauen, denen es offensichtlich deutlich schlechter geht als ihr selbst. Auch an den sich daraus ergebenden Gedanken lässt die Autorin ihre LeserInnen teilhaben.


    Fazit: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Man merkt dem Buch an, dass es geschrieben werden musste. Zur Bewältigung des Erlebten. Dennoch entstand auch ein Buch über den Wert einer positiven Lebenseinstellung. Eines, das den eigenen Blick auf das persönliche Umfeld verändern kann. Ein Buch, das zeigt, dass ein Schiffbruch im Leben nicht das Ende sein muss. Und dass neue (Lebens-)Wege, so unbekannt und erschreckend sie auch erscheinen mögen, immer noch Wege sind, die es sich zu beschreiten lohnt. Ein Buch, für das ich vier von fünf Punkten vergebe. Und eine Autorin, der ich an dieser Stelle und von ganzem Herzen weiterhin so viel Kraft und Lebensfreude wünsche.


    Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

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