John Boyne - Das Vermächtnis der Montignacs / Next of Kin

  • Inhalt (Klappentext):
    London, 1936. Owen Montignac, der attraktive, charismatische Spross aus gutem Haus, erwartet bang die Testamentsverlesung seines unlängst verstorbenen Onkels.
    Doch er wird nicht berücksichtigt. Die Alleinerbin ist seine schöne Cousine Stella, zu der er eine etwas fragwürdige Zuneigung empfindet. Zudem plagen ihn hohe Spielschulden - und so ersinnt Owen einen teuflischen Plan.......


    Autor:
    John Boyne, geboren 1971 in Dublin, wo er auch heute lebt, studierte Englische Literatur und Kreatives Schreiben. Seine Bücher wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Der internationale Durchbruch gelang ihm mit seinem Roman "Der Junge im gestreiften Pyjama". Zuletzt erschien sein ebenfalls höchst erfolgreicher Roman "Das Haus zu besonderen Verwendung".


    Meine Meinung u. Bewertung:
    Keine große Einleitung, man ist gleich mittendrin.
    Owen der Schwarm aller Schwiegermütter, gut aussehend, gebildet, seriös, Vertrauens erweckend und sympathisch. So wirkt er. Doch hinter der Fassade sieht es anders aus. Er hat enorme Spielschulden und der Betreiber der Spielbank macht Druck. Doch das wäre alles kein Problem gewesen, hätte sein Onkel ihn wie erwartet als Alleinerben eingesetzt. Sein Onkel hielt viel von Traditionen, darum konnte man nicht damit rechnen, dass er Owen nicht berücksichtigen würde. Stattdessen erbt nun seine Cousine Stella, obwohl er doch von Geburt an der einzig wahre Erbe des Besitzes ist.
    Doch ein Montignac gibt nicht auf, es gilt einen einfallsreichen Plan zu schmieden, der auch vor Mord nicht zurückschreckt.
    Und was damit die Affäre von König Edward VIII mit der verheirateten Amerikanerin Mrs. Wallis zu tun hat, der Leser darf sich überraschen lassen.
    Täuschung, Intrigen, Vertrauensbruch, ein Hauch von Liebe und tiefsten Hass - in über 500 Seiten verwandelt sich ein eigentlich angenehmer Zeitgenosse in den wahren Teufel. Skrupel scheint er kaum zu kennen, befindet er sich doch im Recht, das es durchzusetzen gilt. Da bleibt so mancher auf der Strecke oder bleibt hängen in dem wohl durchdachten Netz der Gemeinheiten. Zu naiv und harmlos sollte man Owen nicht begegnen, sonst könnte die Zukunft doch erheblichen Schaden nehmen. Mancher ahnt etwas, könnte vielleicht auch Beweise liefern, aber da steht ja noch der eigene Vorteil im Raum. Jeder ist sich selbst der nächste. :mrgreen: Und so fügt sich ein Mosaiksteinchen zum anderen.
    Gut eingesetzte Charaktere, politische Interessen, Geldgier und eine große Portion Selbstvertrauen. Immer wieder denkt man, das kann auf Dauer nicht gut gehen und doch will die Gerechtigkeit nicht siegen oder doch?
    John Boyne ist erneut ein rundum fesselndes Buch gelungen, schnell in seinen Abläufen, bewegend, raffiniert, verblüffend logisch und auf die menschlichen Schwächen zugeschnitten. Heutzutage könnte man wahrscheinlich einiges widerlegen, aber das Ganze spielt 1936, wo die Beweiskraft noch Mängel hat, aber dumm war man auch damals nicht. :wink: Fast ein Krimi und eine Studie über einen aalglatten Typ, super spannend, ein pageturner! :thumleft:
    Ich vergebe amüsierte :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Danke für die schöne Rezi. :thumleft: Jetzt steht für mich fest, dass ich mir demnächst die englische Ausgabe (siehe unten, :winken: Mara) kaufen werde.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Schön €nigma! Wie gesagt ich fand es ein gelungenes Boyne Buch, das ich nur unwillig aus der Hand legte, und nun zu gerne zu meine anderen Boyne Büchern stelle. :D

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









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  • Oja, das kam ja wie gerufen! Ich habe vor einer halben Stunde mit dem Buch begonnen.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • So funktioniert Macht - damals wie heute


    Vor einiger Zeit habe ich erstmals einen Roman des irischen Schriftstellers John Boyne gelesen. Dieser begeisterte mich und der Name des Verfassers blieb mir im Gedächtnis. Der 1971 in Dublin geborene Autor, der Englische Literatur und Kreatives Schreiben studierte, hat bislang 13 Bücher veröffentlicht von denen bereits sieben ins Deutsche übersetzt wurden. (Quelle Wikipedia) Die neueste Übersetzung „Das Vermächtnis der Montignacs“ entdeckte ich kürzlich bei Amazon Vine. In Originalsprache erschien der Roman im gleichen Jahr wie sein Weltbestseller „Der Junge im gestreiften Pyjama“.


    Das Vermächtnis der Montignacs


    London 1936. Nach dem Tod von Peter Montignac rechnete Owen Montignac eigentlich felsenfest damit, dass das Familienvermögen wie es die Tradition besagt, an ihn geht, dem einzigen männlichen Nachkommen des Geschlechts. Doch bei der Testamentseröffnung muss er erleben, dass der Onkel die Tradition gebrochen und das riesige Vermögen seiner Tochter, Owens Cousine Stella überschrieb. Stella, das Verhältnis zu ihr ist kompliziert und sein Stolz lässt es nicht zu, als armer Verwandter von ihr auch nur einen Cent zu leihen. Um seine hohen Spielschulden zu begleichen, muss er nun andere Wege gehen. Skrupellos und gerissen setzt er dann seine Pläne auch in die Tat um…

    Packend von der ersten bis zur letzten Seite


    Erneut hat mich ein Werk von John Boyne gefesselt. Mit einer an die Zeit der Handlung angepassten Sprache versteht er es flüssig und bildhaft in der dritten Person zu erzählen. Dazu nutzte er anfangs verschiedene Handlungsstränge, deren Zusammenhang sich für mich als Leserin erst nach einiger Zeit erschloss. Darin führte er auch die wichtigsten Protagonisten ein. Eine meiner Meinung nach geniale Mischung aus historisch belegten Persönlichkeiten und Fiktions-Charakteren.


    Geschickt wechselte Boyne auch später immer wieder die Schauplätze, steigerte damit die Spannung und vermittelte gleichzeitig einen interessanten Einblick in das Leben der höheren Gesellschaft im damaligen England. Die aktuellen Konstellationen in der Familie des Hauptprotagonisten wurden von Anfang an klar dargestellt. Kurze, wie beiläufig eingestreute Erinnerungen der agierenden Charaktere an die Vergangenheit, warfen bei mir dann abwechselnd Fragen und Erkenntnisse auf. Obwohl kaum eine der Erkenntnisse im Endeffekt wirklich überraschend kam, verblüfften sie mich immer wieder.


    Gleichzeitig befand ich auch ständig in einem Wechselbad, wie ich selbst gefühlsmäßig zum Hauptprotagonisten stehe und trotz der Tatsache, dass er mir keinesfalls sympathisch ist, faszinierte er mich letztendlich genauso wie das in sich stimmige und glaubhaft erzählte Gesamtwerk – ein gelungener Genre-Mix aus Historischem, Familiendrama und Krimi - für das ich hier sehr gern eine Leseempfehlung abgebe.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • 2006 schrieb Boyne das Buch, im selben Jahr wie „Der Junge im gestreiften Pyjama“. Etliche Erfolge und sieben Jahre später erschien das Buch jetzt in der deutschen Übersetzung, und es beweist einmal mehr, dass Boyne sich inzwischen zu Recht in der Riege der preisgekrönten irischen Geschichtenerzähler einreiht.


    Ähnlich wie in „Das Haus zur besonderen Verwendung“ greift der Autor zu einem realen historischen Ereignis und spinnt eine Geschichte rundherum. Hier geht es um die Abdankung Edward VIII. wegen seiner Beziehung zur zweimal geschiedenen Wallis Simpson. Es dauert eine geraume Zeit, bis man dahinter kommt, was die private Geschichte Owen Montignacs mit der Entscheidung des Königs zu tun hat. In einem diffizilen, leicht reißbaren Netz verwebt der Autor seine Figuren miteinander und mit der Politik, und die Konstruktion ist ebenso absurd und übertrieben wie kunstvoll.
    Als Protagonist gehört Owen zu der ambivalenten Sorte: Man weiß nicht, ob man auf seiner Seite steht, man folgt ihm gebannt, obwohl seine Ich-Bezogenheit und sein Handlungen abstoßen.


    Doch immer wieder lenkt Boyne den Blick auf die anderen Figuren, einen Richter, der vor der Entscheidung „Todesurteil oder Haft“ steht, dessen Sohn, der nach den Universitätsabschluss vor sich hin faulenzt, den Geldeintreiber, der Owen unter Druck setzt, und nicht zuletzt Stella, Owens große Liebe und Gegenspielerin um das Erbe. Zunächst laufen diese Personen und ihre Geschichten vielfach ohne Bezug zum Protagonisten nebenher, bis man ihren Platz und ihre Rolle im Gesamtgefüge und in Owens (ist es wirklich Owens?) perfidem Plan erkennt.


    Ihre Spannung verdanken Boyds Romane den Wendungen, mit denen die einzelnen Erzählstränge zusammengefügt sind. Obwohl der Autor diese Wendungen meist vorbereitet und ihnen damit die große Überraschung nimmt, wird das Lesevergnügen nicht beeinträchtigt; vielmehr wartet man gebannt darauf, ob es für die Figuren tatsächlich so schlimm wird wie befürchtet.


    Wieder ein gut zu lesender, spannend aufgebauter und an der Historie orientierter Roman des Autor, und man hofft, dass seine Bücher, die noch nicht übersetzt sind, auch bald in Deutsch vorliegen.

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  • Ich habe gerade die englische Ausgabe bei amazon bestellt, obwohl ich eigentlich erst im zweiten Quartal wieder etwas Neues kaufen wollte. :uups:

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  • Ich habe im Rahmen der Monats-Challenge die Originalausgabe dieses Romans vom SuB geholt, hier die Kurzbeschreibung von amazon dazu:



    1936: London is abuzz with gossip about the affair between Edward VIII and Mrs. Simpson. But the king is not the only member of the aristocracy with a hard decision to make. Owen Montignac, the handsome and charismatic descendent of a wealthy land-owning family, is anxiously awaiting the reading of his late uncle's will. For Owen has run up huge gambling debts and casino boss Nicholas Delfy has given him a choice: find £50,000 by Christmas - or find yourself six feet under.



    So when Owen discovers that he has been cut out of the will in favour of his beautiful cousin Stella, it is time to prove just how cunning he can be... And Owen is nothing if not inventive - even a royal crisis can provide the means for profit. And for murder...


    Mir hat auch dieser Roman von John Boyne gut gefallen, selbst wenn es ein bisschen gedauert hat, bis mich die Handlung so richtig fesselte. Sehr gut fand ich den realen historischen Bezug um die Abdankung von König Edward VIII wegen seiner Affäre, bzw. dann folgenden Eheschließung mit der zweifach geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson. Erst nach und nach wurde der Zusammenhang dieser Angelegenheit mit der Handlung des Romans deutlich.

    Diese Handlung ist gut und komplex konstruiert. Keine der Hauptfiguren ist ein/e Sympathieträger/in, dennoch kann man sich gut in sie hineinversetzen. Owen ist ein Krimineller, doch er hat ein gewisses Recht, sich übervorteilt zu fühlen. Margaret hat ihr Leben für die Familie Montignac geopfert, man kann es nachvollziehen, dass sie im fortgeschrittenen Alter vor allem an ihre persönliche Zukunft denkt, auch wenn sie sich dabei als "unlauterer" Charakter outet. Am interessanten fand ich die Eltern des Mordverdächtigen Gareth Bentley, Roderick und Jane, - hier wird eindrücklich aufgezeigt, wie auch im Grunde gesetzestreue und integre Menschen bis aufs Äußerste geprüft und zu Löwen/Löwinnen werden, wenn es um ihre Kinder geht. Vermutlich werden sich zumindest diejenigen unter den Lesern, die selbst Kinder haben, in dieses - eigentlich - respektable Paar einfühlen können. Lediglich Stella blieb für mich etwas verschwommen, ich konnte ihren Charakter nicht richtig ausloten.


    Die Erzählung ist anschaulich und durch den ständigen Perspektivwechsel trotz der Länge (638 Seiten der englischen Ausgabe) kurzweilig zu lesen.

    Ein Buch, das mich nach einem etwas spannungsarmen Einstieg zunehmend fesselte und für das ich eine Leseempfehlung und :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: vergebe!

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    (Francis Bacon)
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  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „John Boyne, Das Vermächtnis der Montignacs“ zu „John Boyne, Das Vermächtnis der Montignacs / Next of Kin“ geändert.
  • Owen Montignac ist nach dem Tod seiner Eltern bei seinem Onkel in England aufgewachsen. Inzwischen ist er ein charmanter junger Mann, der allerdings eine ganz große Schwäche hat: das Glücksspiel. Er hat nicht nur einen ordentlichen Schuldenberg an der Backe, sondern auch noch einen unerbittlichen Gläubiger, denn natürlich hat er sich das Geld nicht bei der Bank geliehen.


    Also hofft er nach dem Tod seines Onkels im Jahr 1936 auf dessen reiches Erbe, mit dem er fein heraus wäre und sich ein für allemal freikaufen könnte. Doch bei der Testamentseröffnung platzt die Bombe: Alleinerbin ist Owens Cousine Stella, Owen selbst bekommt keinen roten Heller. Und dann erfährt Owen auch noch, dass Stella ihren langweiligen Verlobten heiraten will, ausgerechnet einen Landschaftsgärtner. Gar nicht standesgemäß.


    Als Owen die Beteiligung an einem spektakulären Kunstraub angetragen wird, braucht er gar nicht lange zu überlegen - und setzt damit eine Kette von Ereignissen in Gang, ohne Rücksicht auf all die Menschen zu nehmen, denen er damit schaden könnte.


    Die 500 Seiten des Spannungsromans fliegen blitzschnell dahin, während man ungläubig zuschaut, wie Owen kaltblütig seinen eigenen Zwecken den Vorrang vor allem anderen einräumt und seinen Charme gnadenlos zu seinem Vorteil einsetzt. Mich hat er damit allerdings nicht um den Finger gewickelt. Was sich hinter dem attraktiven Äußeren verbirgt, wird recht früh im Buch klar, und ich fand Owen ziemlich schnell ziemlich unsympathisch - aber trotzdem habe ich teilweise mitgefiebert, ob es ihm gelingt, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.


    Mehr gefesselt haben mich aber andere Teile der Handlung, etwa die gemeinsame Vergangenheit von Stella und Owen (wobei ich einiges da recht vorhersehbar fand) oder die Geschichte eines unbescholtenen, idealistischen Richters am Londoner "Old Bailey", der für Schlagzeilen gesorgt hat, indem er einem entfernten Verwandten der Royals die volle Härte des Gesetzes zuteil werden ließ, und dessen Sohn nun in den Dunstkreis von Owen Montignac geraten ist, während hinter den Kulissen beraten wird, wie mit der Mesalliance zwischen König Edward VIII. und Wallis Simpson umzugehen sei. Diese politischen Ränkespielchen fand ich wirklich spannend.


    Insgesamt ein unterhaltsamer und flott lesbarer Roman aus einer bewegten Zeit, der mich aber nicht vollkommen überzeugen konnte, weil er mir stellenweise zu konstruiert erschien und mir Owen so zuwider war.

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „John Boyne, Das Vermächtnis der Montignacs / Next of Kin“ zu „John Boyne - Das Vermächtnis der Montignacs / Next of Kin“ geändert.