Jeanette Winterson, Warum glücklich, statt einfach nur normal?

  • Ich persönlich bin der britischen Schriftstellerin Jeanette Winterson zum ersten Mal im vergangenen Jahr begegnet, als ich ihr wunderbares Bilderbuch „Der Löwe, das Einhorn und ich“ las und besprach. Dort erzählt sie die Weihnachtsgeschichte aus der Sicht eines kleinen Esels, der als niedrigstes Tier den Heiland der Welt trägt.


    Entsprechend positiv war ich gespannt auf ihre Autobiographie „Warum glücklich, statt einfach nur normal“, in der sie ihr Leben beschreibt im Spannungsfeld zweier Mütter. 1954 in Manchester geboren, kommt sie bald zu einer Adoptivmutter, eine frömmelnde und bigotte Pfingstlerin, deren Ehemann nicht weniger hart drauf ist. Da werden neben anderen strengen Erziehungsmaßnahmen und permanentem Beten und heilig sein immer mal wieder Bücher verbrannt und diverse Teufel ausgetrieben. Schon in ihrem Debütroman „Orangen sind nicht die einzige Frucht“ hat Jeanette Winterson von dieser außergewöhnlichen Kindheit erzählt.


    Nun kehrt sie mit viel Witz und auf eine gewisse Weise mit ihrem Schicksal versöhnt noch einmal zurück zu dieser Kindheit, in der sie die Adoptivmutter schon bald dazu bestimmte, einmal Missionarin zu werden. Doch Jeanette übersteht das alles, sie sieht klar, was Sache ist: „Ich wollte nicht in ihrer Nähe sein. Mein Vater war unglücklich. Meine Mutter war durcheinander. Wir waren wie Flüchtlinge in unserem eigenen Leben.“


    Sie schafft sich so etwas wie einen Schutzraum, indem sie ihre eigene Persönlichkeit entwickelt. Mit 16Jahren verliebt sie sich in eine Frau und als sie auszieht, sagt die Adoptivmutter jenen Satz, der der Autobiografie ihren Titel gab: „Warum glücklich, statt einfach nur normal?“


    Doch sie geht unbeirrt ihren Weg weiter, beginnt zu schreiben und auch nach ihrer leiblichen Mutter zu suchen. Als sie sie spät findet, schließt sich für sie so etwas wie ein Kreis, denn sie spürt, was beide Frauen, die leibliche und die Adoptivmutter für ihr Leben bedeuten. Sie wäre ohne sie nicht das geworden, was sie ist.


    Jeanettes Wintersons Autobiografie ist die bewegende Geschichte eines Ankommens, eines Heimischwerdens in der eigenen Lebensgeschichte.