Kai Meyer - Das Gelübde

  • Inhalt:
    Es ist das Jahr 1818: In Dülmen herrscht ein ungewöhnlicher Herbst, Laub wird von überall in die Stadt geweht und verstopft die Straßen und Plätze. Der Dichter und Schriftsteller Clemens Brentano wird von seinem Bruder Christian darum gebeten, die bettlägerige Anna Katharina Emmerick zu besuchen. Brentano, seines Zeichens Atheist, soll sich selbst davon überzeugen, dass die Augustinerin Anna Katharina von Gott auserwählt wurde.
    Sie hat Wunden am Körper die beinahe identisch mit denen des Herrn Jesu am Kreuz sein sollen. Brentano macht sich also auf den Weg zu der jungen Frau und muss schon bald feststellen, dass sie einen ganz anderen Eindruck auf ihn macht, als er es erwartet hat.


    In einem kleinen Gasthofzimmer steht eine Korbkrippe, ein kleiner Tisch und eine Truhe. Damit scheint der Raum auch schon überfüllt zu sein. Doch mehr braucht Anna Katharina nicht. Seit vielen Jahren kann sie das Bett nicht mehr verlassen und wird sowohl von ihrer mürrischen Schwester Gertrud, dem Arzt Dr. Wesener und Pater Limberg gepflegt und bewacht. Keiner der drei ist sehr glücklich über den Ungläubigen, der nun etwas verloren in der kleinen Kammer steht und auf die gebrechliche Person in der Krippe schaut. Vom ersten Augenblick an fühlt er sich zu Anna hingezogen. Sie scheint die Güte in Person zu sein, nimmt ihm keinen Fettnapf übel und hat auch für die Menschen in ihrer Umgebung nur gute Worte.
    Als Anna ihm ihre Wunden zeigt ist er geschockt und verdächtigt sofort den Doktor und Pater Limberg ihr diese angeblichen Zeichen zuzufügen. So ganz kann er sich von seinem Unglauben nicht lossagen, auch nicht nach den vielen Tagen die er an ihrer Seite weilt und ihren Visionen lauscht. Ist die junge Anna Katharina wirklich von Gott auserwählt worden die Sünden anderer auszuhalten?


    Meinung:
    Kai Meyer hat in seinem Buch Das Gelübde die 2004 von Papst Johannes Paul II. selig gesprochene Augustiner-Nonne Anna Katharina Emmerick beleuchtet. Hauptsächlich geht es um die Begegnung Annas mit dem ungläubigen Brentano.
    Der Schriftsteller Clemens Brentano weilte ganze sieben Jahre am Bett der jungen Frau und schrieb Unmengen an Texten. Unter anderem auch die Visionen, die Anna ihm anvertraute. Er versuchte eine komplette Aufzeichnung der biblischen Geschichte von ihren Erzählungen abzuleiten. Doch Kai Meyer gab den Visionen Annas eine Richtung, die sehr wahrscheinlich so nicht in den alten Schriften und Texten auftritt ;)


    Ich bin bisher kein Freund stark kirchlich-angehauchter Literatur gewesen - und werde es durch dieses Buch auch sicherlich nicht werden - dennoch hat der Autor es wunderbar geschafft hier Erzählung und Überlieferung miteinander zu verknüpfen. Der Schreibstil ist unvergleichbar und nach nur 3 Sätzen ist man gefangen in der Geschichte.


    Es gibt immer wieder Mythen um Menschen, die die Leiden des Christi selbst erleben, doch die meisten sind schlichtweg ein Versuch berühmt zu werden. Auch Anna Katharina musste sich viele Untersuchungen gefallen lassen. Am Ende glaubte man ihr noch immer nicht, doch die unzureichenden Aufzeichnungen konnten es dennoch nicht ganz Wiederliegen.


    Kai Meyers Buch Das Gelübde diente 2007 dem Regisseur Dominik Graf sogar als Filmvorlage.


    Fazit: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Der Dichter Clemens Brentano ist ein ungewöhnlicher Besucher am Krankenlager von Anna Katharina Emmerick. In kirchlichen Kreisen gilt die ehemalige Nonne vielen als Mystikerin, die wundersamerweise mit den Stigmata Christi gesegnet ist und die Male nebst anderen schweren körperlichen Leiden mit engelhafter Geduld erträgt. Clemens jedoch ist Atheist und glaubt nicht an von Gott gesandte Visionen, geschweige denn Wundmale. Eigentlich will er sich hauptsächlich davon überzeugen, dass die Wunden höchst irdischen Ursprungs sind und der Wirbel um Anna nur aufgebauschtes christliches Brimborium.


    Umso überraschter ist er, als er die junge Frau kennenlernt und sich zwischen den beiden trotz aller Verschiedenheit auf den ersten Blick tiefe Sympathie einstellt. Die Faszination ist so stark, dass Clemens keine Umstände scheut, um Anna immer wieder zu besuchen und mehr über sie zu erfahren. Die Kleriker vor Ort, Annas Arzt und auch ihre Schwester und Pflegerin sind davon nicht erbaut, doch Clemens lässt sich nicht beirren.


    Die Geschichte der Anna Katharina Emmerick ist mir erstmals als Kind in einem christlichen Buch aus den 50er Jahren begegnet, in dem natürlich alles für bare Münze genommen wurde. Meyer schildert sie hier aus einem ganz anderen Blickwinkel und greift dabei auf ein historisches Tatsachengerüst zurück. Brentanos Faszination ist tatsächlich belegt, er hat wirklich viel Zeit mit ihr verbracht und auch recht ausführlich über sie geschrieben.


    Vielleicht hätte ich mir lieber ein Sachbuch zum Thema zu Gemüte führen sollen, denn das Buch beginnt zwar recht stimmungsvoll, hat aber von Anfang an einen etwas seltsamen übersinnlichen Touch und strotzt vor kitschigen Formulierungen. Auch die Dialoge zwischen Clemens und Anna wirken oft gekünstelt. In der zweiten Hälfte driftet das Buch dann endgültig in wirren Mystery-Kram und peinliche erotische Phantasien ab, teilweise ist kaum unterscheidbar, was wirklich passiert und was sich nur in Clemens' Fieberträumen oder Annas Visionen abspielt.


    Ein spannendes Thema, aber leider gar nicht überzeugend umgesetzt.


    Ein hübscher Bonus meiner Ausgabe waren allerdings die stimmungsvollen Illustrationen.