Edgar Allan Poe - Unheimliche Geschichten

  • Der Autor:
    Edgar Allan Poe gilt als Urvater der Kriminal- und phantastischen Literatur und als Meister des Grauens. Die unheimlichen Geschichten des amerikanischen Schriftstellers sind geprägt von einem starken Hang zum Makabren und zum Übersinnlichen, und sie jagen Menschen jeden Alters kalte Schauer über den Rücken. Da werden physische Anomalien Auslöser für einen tödlichen Hass, stehen Totgeglaubte plötzlich wieder auf und werden schöne junge Frauen lebendig begraben. (Quelle: amazon.de)


    Der Illustrator:
    Benjamin Lacombe, studierte grafische Künste an der Pariser École nationale supérieure des arts décoratifs und arbeitete parallel als Werbe- und Comiczeichner. Er arbeitet für internationale Verlage und hat Bilderbücher illustriert und geschrieben. Benjamin Lacombe lebt in Paris. (Wikipedia.de)


    Inhalt und meine Meinung:
    Unzählige Sammlungen und Ausgaben gibt es von den unheimlichen Geschichten, die wir Edgar Allan Poe zu verdanken haben, und ich gestehe, dass ich nicht alle kannte, die Benjamin Lacombe hier versammelt hat. Natürlich kennt man irgendwie “Der Fall des Hauses Ascher” (ja, die Übersetzung der Geschichten stammt auch noch aus einer Zeit, in der man auch Namen schon mal “übersetzte” oder zumindest eindeutschte), und mit “Das verräterische Herz” dürfte Lacombe vielleicht die bekannteste Geschichte Poes ausgewählt haben, aber die anderen kannte ich zum Teil nicht oder ich halte sie für weniger bekannt (“Berenice”, “Der schwarze Kater”, “Das Eiland und die Fee”, “Das ovale Porträt” und “Morella”). Die schönsten Neuentdeckungen waren für mich “Das ovale Porträt” und “Morella”, wirklich sehr unheimliche Geschichten, deren Eindrücke sich durch die wirklich gelungene Aufmachung des Buches noch verstärkt haben.
    Die Geschichten haben natürlich alle gemeinsam, dass sie tief in menschliche Abgründe schauen, unheimliche Begebenheiten erzählen, fast immer von einem Ich-Erzähler, dem man eigentlich auch nicht über den Weg trauen kann. Schnell wird man in diese grusligen Geschichten hineingezogen und das macht wirklich Spaß. Auch der Gedanke, dass Lacombe diese Geschichten ausgewählt hat, weil er gerade zu ihnen bestimmte Bilder im Kopf hatte, finde ich interessant. Hier wird deutlich, wie ausgeprägt das vielzitierte Kopfkino bei einem Illustrator einfach veranlagt ist – während ich häufig eher empfänglich für Stimmungen und Bilder aus dem Text bin, entstehen in Lacombes Kopf ganz konkrete und sehr unheimliche Bilder, die zu betrachten sich absolut lohnt.
    Sprachlich sollte man wissen, worauf man sich einlässt: die Übersetzung ist sprachlich sehr anspruchsvoll (Übersetzer sind Arno Schmidt und Hans Wollschläger), aber wirklich schön und gerade dadurch, dass es sprachlich auch so eindeutig ein älterer Text ist, ergänzt sich dieser umso mehr mit den Bildern, die Benjamin Lacombe dazu gezeichnet hat.
    Ich denke, bei diesem Buch ist es wirklich auch besonders wichtig, etwas zur Aufmachung zu sagen. Die Geschichten sind abwechselnd auf weißem Hintergrund mit schwarzer Schrift und auf schwarzem Hintergrund mit weißer Schrift gedruckt. Jede Geschichte hat ihr eigenes Deckblatt mit einer Vignette und einem Zitat. Wirklich eine wunderschöne Idee und sehr stimmungsvoll. Die Bilder sind absolut tolle Ergänzungen zum Text und zeigen, wie Lacombe Poes Charaktere sieht und wie er die Stimmung der Geschichten wahrnimmt und sie in seinen Bildern umsetzt. Hier spielen Bild und Text wirklich zusammen und wirken absolut stimmig – gerade weil die Bilder nicht reißerisch oder aufdringlich sind, gleichzeitig aber sehr unheimlich und aussagekräftig. Ich brauche in einem Roman nicht unbedingt Illustrationen, aber wenn Bücher illustriert sind, dann bitte so fantastisch wie dieses hier!
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Und das Original heißt: "Les contes macabres"


    Mir ist natürlich klar, dass das Original der Poe-Geschichten nicht auf Französisch sein kann, aber es geht hier um diese Sammlung, und die erschien erstmals auf Französisch, übrigens in der Übersetzung von Charles Baudelaire.

  • Erst mal vielen Dank an Strandläuferin für die gelungene Rezension über dieses unheimlich tolle Buch und an Mara für den Originaltitel.


    Ich bin auf dieses Buch aufmerksam geworden durch Benjamin Lacombe, nicht durch Edgar Allen Poe, das muss ich vorweg sagen. Und ich muss auch sagen, dass ich froh bin, dass Deise79 und ich es in einer MLR gelesen haben. Sprachlich ist es für einen Leser wie mich (Gegenwartsliteratur) eine echte Herausforderung gewesen und ich hatte an einigen Stellen Problem mit dem Verständnis, die allerdings durch Deise79´s Beiträge verschwunden sind. Sprachlich muss man wissen auf was man sich da einlässt. Ich habe es nicht gewusst um ehrlich zu sein, aber im Nachhinein bin ich froh mich auf das Buch eingelassen zu haben.


    Illustriert ist das Buch einfach phantastisch, Benjamin Lacombe schafft es mit seinen Bildern dem Leser die momentane Situation der Geschichte ganz genau zu bebildern. Ich habe die Gänsehaut im Kontext der Geschichte manchmal nicht so gespürt, aber die Bilder haben es dann eindeutig geschafft, dass ich mich gruseln musste. Lacombes Art zu illustrieren ist einfach genial. Ich liebe die Formen und Farben, die er verwendet und mit der er die Bilder dazu bringt seine Sichtweise der Geschichte zu zeigen. Manchmal hätte ich mir gewünscht es als Film zu sehen und die Phantasie die in meinem Kopf lief, beruhte auf seinen Bildern und hat mir quasi einen Film aus dem Buch gemacht.


    Wie schon gesagt, als Lacombe Fan muss man wissen auf was man sich einlässt wenn man Edgar Allen Poe liest, aber die Bilder sind wie ich gefühlt schon tausend Male geschrieben habe, einfach klasse, daher von mir auch :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Edgar Allan Poe mag ich sowieso ... :drunken:
    Der Stil der Zeichnung auf dem Cover hat mich sehr an den Stil des Covers auf Die Mechanik des Herzens erinnert. Ich nehme an, dass auch dieses Cover aus der Feder Benjamin Lacombes stammt? Sehr hübsch, gefällt mir gut. :thumleft: Gerade habe ich ein bisschen gegoogelt, und das Cover zu Mechanik des Herzens stammt tatsächlich vom selben Zeichner. Hier zwei Links zum Illustrator: Benjamin Lacombe's Fantasy Net und www.benjaminlacombe.com

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Edgar Allan Poe ist ein Name, der mich schon immer fasziniert hat. Umso seltsamer, dass es nie eines seiner Werke in mein Bücherregal geschafft hat - bis jetzt. An Weihnachten lag diese wunderschöne Kurzgeschichtensammlung für mich unter dem Baum und schrie natürlich danach, gelesen zu werden.


    Was ohne Zweifel sofort ins Auge springt, sind die einzigartigen Verarbeitungen der einzelnen Erzählungen in den ebenso anmutig-schönen wie auch schaurig-bedrückenden Bildern Lacombes. Es hatte für mich schon etwas seltsam Erschreckendes an sich, wie tief er in die Geschichten Edgar Allan Poes eingedrungen sein muss, um die Hauptfiguren oder sogar ganze Szenen auf so perfekte Weise anfertigen zu können. Übrigens ist es mir nicht nur ein Mal passiert, dass ich ein Bild gern länger angeschaut hätte, als ich es am Ende getan habe. Manche von ihnen haben mich so in ihren Bann geschlagen, dass es mir eiskalt den Rücken hinunterlief. Wunderschön!


    Bevor ich dieses Buch bekam, war mir allein "Der Rabe" ein Begriff (hier leider nicht enthalten und von daher in jedem Fall ein Grund, nach weiteren Büchern von Poe Ausschau zu halten). Die Tiefe, die der Autor seinerzeit schaffte, ist atemberaubend, wenn auch beängstigend. Ich weiß noch, dass mir beim Lesen oft der Gedanke durch den Kopf ging: "Hier tun sich wirklich menschliche Abgründe auf". Kopfkino ist hier eher weniger von Vorteil, vor allem dann, wenn man abends liest und eigentlich kurz davor ist, ins Bett zu gehen. Doch auch das konnte mich nicht davon abhalten, zu Poes Kurzgeschichten zu greifen, da sie mich von der ersten Sekunde an einfach nur begeistert haben. Dabei hat mich besonders die Tatsache fasziniert, dass es keine Geschichte gab, die mir nicht "gefallen" hätte. Ja, ich setze das in Anführungszeichen, weil "gefallen" es halt bei gewissen Thematiken nicht ganz trifft. Tatsächlich sind die Geschichten, die ich geboten bekam, in meinen Augen oft mehr als brutal, aber dann auch wieder so faszinierend, eindringlich und fast schon malerisch in ihrer Düsternis. Eben Werke eines wahren Meisters.


    Ich glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass dieses Buch mehr als etwas Besonderes ist. Das Zusammenspiel aus Geschichten und begleitenden Bildern ist für mein Empfinden nahezu perfekt und ergibt eine dunkle, aber auch höchst unterhaltsame Komposition, die mir so noch nicht begegnet ist. Ja, ich habe den einen oder anderen Satz zwei- oder manchmal sogar dreimal lesen müssen, um zu begreifen, was genau Poe mit ihnen sagen wollte, aber alles in allem waren die Erzählungen trotz der manchmal ungewohnten Ausdrucksweise gut zu lesen und damit (mehr oder weniger) wunderbar atmosphärisch. Edgar Allan Poe war nicht nur ein Autor, sondern ein wahrer Künstler, ein dunkler Poet, der es bestens verstand, seine Protagonisten (und teilweise auch sicher den Leser) auf eine harte Probe zu stellen.


    Für dieses Leseerlebnis vergebe ich sehr gern :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: und bin fest davon überzeugt, dass dieses Buch nicht das einzige dieses Autors in meinem Regal bleiben wird.


    ~ Was mich im Alltag auffängt, ist die Möglichkeit, mich einfach mal fallen lassen zu können. ~

  • Autor: Edgar Allan Poe
    Titel: Unheimliche Geschichten:
    Seiten:
    ISBN: 978-3-423-28118-8
    Verlag: dtv
    Herausgegeben (ursprüngl.): Charles Baudelaire
    Übersetzer: Andreas Nohl


    Autor:
    Edgar Allan Poe wurde 1809 in Boston geboren.. Er war ein US-amerikanischer Schriftsteller, der vor allem das Genre der Kriminalliteratur, der Science-Fiction und der Horrorliteratur prägte. Zahlreiche Werke von ihm hatten astronomischen, physikalischen oder philosophischen Hintergrund. Er studierte an der Universität von Virginia/Charlottesville alte und neue Sprachen und lernte sowohl Spanisch, Französisch als auch Italienisch. Schon in seinen Studienjahren verschuldete er sich und begann zu trinken.1827 veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband und verpflichtete sich der US-Army für 5 Jahre, wurde dort mehrmals befördert. 1829 wurde Poe ehrenhaft entlassen und kehre nach Richmond, seinem Lebensmittelpunkt vor der Armee, zurück. Er kehrte jedoch zum Militär zurück und studierte an einer Militärakademie, von der er später wegen regelverstößen verwiesen wurde. zwischen 1831 und 1835 veröffentlichte er weitere Erzählungen, war weiterhin Verleger und Herausgeber mehrerer Zeitschriften. Er starb 1848 unter unbekannten umständen. Die Todesursache ist ungeklärt.


    Ursprünglicher Herausgeber:
    Charles Baudelaire wurde 1811 in Paris geboren und übertrug von 1845 an Poes werzählungen ins Französische, publizierte einen Band mit Erzählungen des amerikanischen Schriftstellers und machte ihn in seinem Heimatland bekannt. 1858 schloss er die Übertragung von Poes Geschichten ab und starb verarmt 1867. Seine Dichtungen, Kritiken über Kunstausstellungen und Übersetzungen machten ihn weithin über das literarische Paris hinaus beklannt.


    Übersetzer:
    Andreas Nohl wurde 1954 in Mühlheim an der Ruhr geboren und ist ein deutscher Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber. er studierte zunächst Philosophie in West-Berlin und Frankfurt am Main. Nach einem Studiumaufenthalt in San Francisco arbeitete er als antiquar und ist seit 1989 als freier Schriftsteller tätig, veröffentlichte jedoch bereits 1978 seine erste Erzählung. Dafür erhielt er den Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung. Als Essayist und Herausgeber hat sich Noehl vor allem für die amerikanische Literatur eingesetzt. Von 1990-2003 veröffentlichte er Literaturkritiken für die Zeitung Die Zeit und die Neue Zürcher Zeitung.


    Einordnung:
    Dies ist der erste Band einer, geplant, fünfbändigen Reihe. Sie enthält neben zahlreichen Kurzgeschichten Baudelaires Kommentare, Anmerkungen des Übersetzers, ein Nachwort und die editorische Nachbearbeitung des Ganzen.


    Inhalt:
    Poes Werk war und ist eine Provokation. Seine protagonisten, kühn und verwegen, gehen an die Grenzen des kognitiv Fassbaren, des physikalischen Raums, sie wandeln zwischen Leben und Tod: der nacht- und opiumsüchtige Detektiv Auguste Dupin, der seltsam überspannte Abenteuerer William Legrand, der Mondfahrer Hans Fall. Poe nimmt der angst alles Schauerlich-Beschaulische und legt ihre zuckenden Herzmuskeln bloß. (Klappentext)


    Auswahl der Geschichten:
    - Der Doppelmord in der Rue Morgue
    - Der entwendete Brief
    - Der Gold-Skarabäuas
    - Ente einer Ballonfahrt
    - Das beispiellose Abenteuer eines gewissen Hans Pfaall
    - "Manuskript in Flasche gefunden"
    - Ein Sturz in den Malstrom
    - Die Fakten im Fall von M. Valedemar
    - Mesmerische Offenbarung
    - Eine Geschichte aus den Ragged Mountains
    - Morella
    - Ligeia
    - Metzengerstein
    sowie Texte von Charles Baudelaire


    Rezension:
    Ich erinnere mich irgendwo noch eine ganz alte Ausgabe der Geschichten von Edgar Allan Poe zu besitzen. Der Einband beinahe zerfallen und die Schrift in Fraktur. Gelesen habe ich die Geschichten nie, da das Interesse nicht vorhanden war, dennoch war mir der amerikanische Schriftsteller als einer der großen Literaten bekannt. Besonders für seine Horror- udn Detektivgeschichten. Doch Poes Werke umfassen viel mehr. Andreas Nohl legt mit der nun vorliegenden Neuübersetzung den Lesern die ganze Bandbreite dieses schriftstellerischen Genies vor, der nicht nur mit einem erzählerischen Talent gesegnet war, sondern auch wissenschaftliche und philosophische Überlegungen in diese einfließen ließ. Entstanden ist dabei eine Sammlung von Geschichten, die in den kommenden Jahren im dtv-Verlag neu aufgelegt und damit einer noch größeren Masse an Lesern zugänglich gemacht wird.


    Dabei versucht Nohl Edgar Allan Poe gerecht zu werden und die Verdienste Baudelaires zu würdigen, dem es zu verdanken ist, dass sein idol nicht in Vergessenheit geriet. Und das ist vortrefflich gelungen, wenn auch in keiner Zeile Poes von einfach zugänglicher Arbeit die Rede sein kann. Vielmehr ist Poe hohe Literatur. Alleine schon der Sprache wegen, und des Erzählstils wegen, worauf man sich unbedingt konzentrieren sollte. Die wissenschaftlichen oder pseudowissenschaftlichen Überlegungen Poes, die sich in seinen Geschichten entlang des Erzählstrangs hangeln, sind ebenso nicht dazu angedacht, sich fallen zu lassen. Vielmehr fordern sie das Denken heraus, führen in die Irre und gestalten die Überlegungen seiner Protagonisten zu spannenden Abenteuern a la Jules Verne oder Krimiserien, ganz ohne Skalpell.


    Den Stil freilich, muss man mögen, was nicht immer gelingt. Gerade die "Messmerischen Offenbarungen" sind schwierig zu lesen und nicht immer zugänglich, ansonsten bleibt der Eindruck eines Tausendsassas, dem jedes Genre geglückt ist, in dem er sich versucht hat. Und das haben seither nur wenige mehr geschafft. Für Fans klassischer amerikanischer Literatur auf jeden Fall, für Bewunderer unterschwelligen Grusels sowie so, ist diese Ausgabe (und die da kommenden) ein Muss. Für alle anderen ein Weg, ihren Horizont dem Unglaublichen zu öffnen. es lohnt sich mit Dupin auf Spurensuche zu gehen oder Hans Pfaalls Reise zum Mond zu begleiten. Am Ende gilt aber auch hier, der Mond selbst strahlt nicht, doch ist nichts so wie es scheint. Was dahinter steckt, muss der Leser selbst herausfinden.