Carl Nixon - Rocking Horse Road

  • Inhalt:
    Kurz vor Weihnachten 1980 wird die Leiche der 17jährigen Lucy Asher frühmorgens am Strand von The Spit gefunden . In der Mitte dieser schmalen Landzunge vor Christchurch verläuft die Rocking Horse Road. Lucys Eltern haben ein Milchgeschäft an dieser Straße, und Lucy arbeitete oft dort, angeschwärmt von einer Gruppe 15jähriger Jungen. Einer von ihnen findet die Leiche, die anderen sind bald ebenfalls zur Stelle. Lucy wurde erwürgt. Für die Jungen ist damit ihre Kindheit zu einem traumatischen Ende gekommen. Die Suche nach dem Mörder schweißt sie zusammen – über 25 Jahre später sind sie ihm noch immer auf der Spur. Im Jahr nach dem Mord, 1981, macht der Staat Neuseeland eine traumatische Erfahrung: Die Springboks, das südafrikanische Rugby-Team, touren durch das Land. Protest gegen das Apartheidsregime erhebt sich. Es kommt zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei, zum ersten Mal in der Geschichte des Landes. Die Jungen sind Rugby-Fans und erleben das Geschehen hautnah mit: »Wir hatten das Gefühl, daß da vor unseren Augen etwas sehr Wichtiges zerbrach. Wir konnten es nicht benennen, es war etwas, das uns zuvor selbstverständlich gewesen war und das, wie wir instinktiv wußten, niemals würde repariert werden können.«
    (Quelle: Verlagsseite)


    Der Autor:
    Carl Nixon (1967 in Christchurch geboren) verknüpft diese beiden Geschehnisse und webt sie in die Biographien seiner Protagonisten ein. Der sehr spannende Roman wird durchgehend in der Wir-Form erzählt, also von der Gemeinschaft der Jungen. Er ist Nixons erster Roman . Die Short story, aus der er hervorging, gewann 2007 den renommierten »Katherine Mansfield Short Story Contest«, und im selben Jahr erschien der Roman in Neuseeland.
    Derzeit wird er verfilmt.
    (Quelle: Verlagsseite)


    Originaltitel: Rocking Horse Road
    Aus dem Englischen von Stefan Weidle
    Weidle Verlag
    236 Seiten


    Meine Meinung:


    Zitat

    Es war Pete Marshall, der Lucys nackte Leiche am Strand fand, nicht weit vom Ende der Rocking Horse Road entfernt. Auch wenn seit diesem Morgen fast drei Jahrzehnte vergangen sind und ein Jahrtausend geendet hat, können wir noch immer ganz präzise sagen, wo Lucy gelegen hat." S. 14)


    Handlungsort dieses Romanes ist eine schmale Landzunge, The Spit genannt, nahe der Stadt Christchurch und New Brighton. Carl Nixon ist selbst in Christchurch geboren. Die "Rocking horse road" ist eine lange Straße und führt von Brighton über die Landzunge.


    Kurz vor Weihnachten 1980 wird die 17-jährige Lucy Asher von dem 15-jährigen Pete Marshall am Strand tot aufgefunden. Offensichtlich wurde sie ermordet. Fortan sammeln die pubertierenden Jungen alles über Lucy, stellen gar selbst Nachforschungen an. Ihre Sammlung wird so groß, dass sie später dafür einen Lagerraum anmieten müssen.
    Der Mord ist für Pete Marshall und seine Freunde ein Wendepunkt in ihrem Leben und bleibt nicht der einzigste.
    Nach weiteren Vorfällen bildet sich eine Bürgerwehr, die mit Baseballschlägern bewaffnet, durch die Straßen patrouilleren.
    In diesem Jahr touren die Springboks, das südafrikanische Rugby-Team, durch das Land und es kommt zu Protesten und Demonstrationen gegen das Apartheidsregime.
    Diese beiden Vorkommnisse werden von Carl Nixon miteinander verknüpft.
    Die Geschichte wird im Rückblick erzählt, mittlerweile sind über 25 Jahre vergangen. Erzählt wird aus der Wir-Perspektive der Freunde.
    Carl Nixon erzählt atmosphärisch dicht; oft glaubt man, das Meeresrauschen zu hören. Der Roman ist recht spannend geschrieben.
    Dem Roman vorangestellt sind einige Farbphotos der Gegend, am Ende des Romans findet man eine Schwarz-Weiß-Aufnahme von The Spit und der Rocking Horse Road.

    So many books so little time.

    (Zappa)

    Einmal editiert, zuletzt von Conor ()

  • Danke für diese Vorstellung, Conor, wie immer interessant.


    Inhalt:
    Für die Jungen ist damit ihre Kindheit zu einem traumatischen Ende gekommen. (...)


    Die Suche nach dem Mörder schweißt sie zusammen – über 25 Jahre später sind sie ihm noch immer auf der Spur. Im Jahr nach dem Mord, 1981, macht der Staat Neuseeland eine traumatische Erfahrung: Die Springboks, das südafrikanische Rugby-Team, touren durch das Land. Protest gegen das Apartheidsregime erhebt sich. Es kommt zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei, zum ersten Mal in der Geschichte des Landes. Die Jungen sind Rugby-Fans und erleben das Geschehen hautnah mit: »Wir hatten das Gefühl, daß da vor unseren Augen etwas sehr Wichtiges zerbrach. Wir konnten es nicht benennen, es war etwas, das uns zuvor selbstverständlich gewesen war und das, wie wir instinktiv wußten, niemals würde repariert werden können.« (Quelle: Verlagsseite)


    (...)Diese beiden Vorkommnisse werden von Carl Nixon miteinander verknüpft.


    Ich fragte mich, inwieweit diese Ereignisse zusammengehören und was sie wohl zerstört haben. Und dann fiel mir in einer Assoziation ein: "Neuseeland = Paradies". Ich war mir nicht mehr ganz sicher und googelte mit diesen beiden Worten; es kamen über eine Millionen Einträge...:


    http://www.google.fr/#q=neusee…39650382&biw=1024&bih=674


    Siehst Du bei diesem (Selbst- und Fremd-) Bild von Neuseeland und der Dramatik des hier Geschehenen einen eventuellen Zusammenhang oder bin ich nur einfach etwas zu phantasiereich?

  • Zitat

    von tom leo:
    Siehst Du bei diesem (Selbst- und Fremd-) Bild von Neuseeland und der Dramatik des hier Geschehenen einen eventuellen Zusammenhang


    Diese Frage habe ich mir nach dem Lesen auch gestellt und gegoogelt. Dabei habe ich folgenden link gefunden, wo es heißt:


    Zitat:
    "In die (fiktive) Handlung eingewoben ist ein weiteres einschneidendes Ereignis, dieses allerdings real und von sehr viel größerer Dimension: 1981 tourte das Rugbyteam Südafrikas – damals ein Apartheidregime, das erst wenige Jahre zuvor Proteste im Johannesburger Stadtteil Soweto blutig niedergeschlagen hatte – durch Neuseeland. In vielen Städten protestierten Neuseeländer dagegen, dass das Team in ihrem Land empfangen wurde, es kam zu Ausschreitungen und gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Auch die Jungenclique gerät in diese Ereignisse, als sie ein Rugbyspiel in Christchurch besuchen."


    Vielleicht ging es dem Autoren einfach um einschneidende Erlebnisse, Wendepunkte.
    Die Freunde haben diese Proteste miterlebt.


    Ich hoffe, ich konnte deine Frage beantworten, tom.


    Liebe Grüße

    So many books so little time.

    (Zappa)

    Einmal editiert, zuletzt von Conor ()

  • Inhalt

    Die Rocking Horse Road, so wie sie noch auf dem Luftbild am Ende des Romans die Landzunge The Spit durchschneidet, gibt es nicht mehr. Als Folge der Erdbeben 2010/2011 in Neuseeland musste die Hälfte der Häuser abgerissen werden. Farbfotos am Beginn des Buches vermitteln das Lebensgefühl des an drei Seiten vom Meer umgebenen Ortes. Die Bäume stemmen sich gegen den ständigen Wind und wachsen dabei schräg und gedrungen. Wer auf einer Nehrung lebt, baut besser eine Garage für sein Auto; denn Wind, Sand und Salz würden den Autolack bis auf die Karosserie abschmirgeln. Carl Nixon verknüpft in seinem Roman zwei reale Ereignisse miteinander, den Mordfall des Jahres 1980 und die Antiapartheids-Demonstration, die sich am Besuch eines südafrikanischen Rugby-Teams entzündete. Das Mordopfer, Lucy Asher, hatten alle auf The Spit gekannt; Lucy arbeitete nach der Schule im Milchgeschäft ihrer Eltern. Für die Gruppe von Jungen, die aus der Wir-Perspektive erzählen, markiert der Mord an Lucy ungewollt das Ende ihrer Kindheit. "Wir sind es Lucy schuldig." Anfangs ist die Suche nach Lucys Mörder ein von Erwachsenen weitgehend unbehelligtes grandioses Detektiv-Abenteuer. Tätigkeit hilft der Clique, mit der Trauer der Angehörigen umzugehen. Zwischen dem großen Unbekannten oder einer nahestehenden Person als Täter pendeln Verdächtigungen der Hobby-Detektive hin und her. Inzwischen sind die Jungs Anfang vierzig und halten noch immer ihr Archiv auf dem Laufenden, das sie damals zum Fall Lucy angelegt haben. Äußerlich sind die Männer zwar gealtert, doch der ungelöste Mordfall hält sie in ihrer Rolle als Teenager fest.


    Das Handwerkliche

    Der Weidle Verlag steuert mit diesem Roman auffällig gegen den Trend, mit immer dünneren und softeren Buchdeckeln gebundene Bücher im Kleid edler Softcover auf den Markt zu bringen. Die Erlebnisse von Eric und den Jungs sind von stabilen Deckeln umschlossen und außen mit kräftig gerasterten Pressefotos illustriert. Der Schutzumschlag vermittelt in Blautönen maritime Stimmung, gedruckt wurde in Newzald, den Lettern eines neuseeländischen Schriftschneiders.


    Fazit

    Für einen Kriminalroman mäandern die Ideen der Jungen und ihre Ermittlungen sehr spontan hin und her. Faszinierend als Tatort finde ich die Landzunge, die einen beinahe geschlossenen Raum darstellt. Die Ermittler (ob professionell oder laienhaft) müssten nur herausfinden, wer in der Tatnacht im Ort war. Als Krimi-Plus verbindet Nixons Romans die Entwicklung einer Jungen-Clique mit einem gelungenen Stimmungsbild der 80er Jahre in Neuseeland, das ich gern gelesen habe.


    (3.11.2012)


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