• Russland, am Don 1912 – 1920. Grigori Melechow ist Kosak, jung und verliebt in Aksinja, die Ehefrau seines Nachbarn Stepan Astachow. Die Eltern wollen dieser Beziehung ein Ende bereiten und verheiraten ihn mit Natalja. Daraufhin fliehen Grigori und Aksinja. Inzwischen tobt der 1. Weltkrieg und Grigori kämpft in einem Kosakenregiment auf der Seite Russlands. Daheim wendet sich Aksinja dem Sohn des Gutsbesitzers zu, bei dem sie bei ihrer Flucht Arbeit und Unterschlupf fanden. Als Grigori während eines Fronturlaubes davon erfährt, kehrt er zurück zu seiner Ehefrau Natalja. Aber auch die beiden gemeinsamen Kinder können nicht verhindern, dass Grigori immer wieder die Beziehung zu Aksinja aufnimmt. Die Jahre vergehen, es sind Jahre des Krieges, der Oktoberrevolution und des Aufstandes der Weißen gegen die Bolschewiki. Grigori ist stets ein Kämpfer für die Kosaken, mehrfach wurde er verletzt, er nahm aufgrund seiner Verdienste inzwischen den Rang eines Offiziers ein. Er ficht den Kampf aber auf wechselnden Seiten aus. Weder den Weißen noch den Roten fühlt er sich wirklich zugehörig.


    Vor vielen Jahren, in meiner Jugendzeit habe ich „Der stille Don“ zum ersten Mal gelesen. Damals rückte dieses Buch sofort in die erste Reihe meiner Lieblingsbücher auf. Wie ist das aber, wenn man zu einem solchen Roman ungezählte Jahre später wieder greift? Man verfügt über eine ganz andere Weltsicht, viele Dinge haben sich verändert, man wurde reifer und auch anspruchsvoller, was die Lektüre betrifft. Wird das Werk den hohen Erwartungen immer noch gerecht werden?


    Im Zentrum von Michail Scholochows Epos steht der Kosak Grigori Melechow, anhand dessen Geschichte, der seiner Familie und seines Kosakendorfes lässt der Autor eine Zeit aufleben, die gekennzeichnet ist durch Krieg, Revolution und Bürgerkrieg. Diese von großen Umbrüchen geprägte und vom Autor historisch korrekt, detailliert und verständlich beschriebene Zeit bildet den großen Hintergrund dieses 1.816 Seiten umfassenden Romans.


    Der Protagonist dieses monumentalen Romans ist Grigori Melechow. Er ist ein einfacher Kosak, der mit seiner Scholle tief verwurzelt und ein mutiger Kämpfer ist und dem der Rausch von Liebe und Alkohol nicht fremd ist. Aufgrund seiner Verdienste im Kampf wurde er Offizier, der von der Truppe geachtet und von den ausgebildeten Offizieren aufgrund seiner Herkunft verachtet wird. Als Kosak steht er zwischen den Weißen und den Roten und ebenso wie im Kampf steht der Mann Grigori zwischen zwei Frauen. Er ist innerlich zerrissen und letztlich ein Gescheiterter.


    Der Roman entstand in der Zeit von 1928 bis 1940. Das lässt vermuten, dass sich der Autor, der als linientreu gilt, in diesem Werk zum Agitator der Kommunisten aufschwingen würde – aber weit gefehlt. Er beschreibt die politische Situation weitgehend neutral, analysiert die Schwächen auf beiden Seiten und bringt stellenweise recht unverblümte Kritik an. Er unterscheidet nicht nach gut und böse, weder bei den Menschen noch bei den Ideologien. Er lässt seine Figuren durch ihr Handeln zeigen, welche Position sie einnehmen und überlässt die Wertung dessen dem Leser. So bringt der Autor seinem Leser die russische Seele ohne viel Pathos und Propaganda nahe und zeichnet ein äußerst gelungenes Zeit- und Sittenbild. Denn es sind die kleinen Dinge des Alltags und der Natur, auf die Michail Scholochow den Blick des Lesers lenkt und die er so wunderbar beschreibt, sei es das Wasserholen am Brunnen oder die Schönheit der Donsteppe an einen Sommerabend. Genau das sind die Szenen, die der Leser benötigt, um von den harten Kriegsszenen Abstand zu gewinnen. Diese schildert er schonungslos, ungeschönt und vor allem sehr glaubhaft. So hat Scholochow mir Menschen nahe gebracht, von denen ich weiß, es sind fiktive Figuren, von denen ich aber auch sagen kann, genau diese Menschen hätten zu dieser Zeit im Dongebiet leben können. Trotzdem war ich als Leser nur ein stiller Beobachter der Szenerie. Für mich hat dieser Roman keinen Helden, nur Menschen, die liebten und litten.


    Der Tod ist ein ständiger Begleiter in diesen 4 Bänden. Krankheiten und Kriege lassen viele Menschen zu zeitig sterben, wieder andere legen selbst Hand an sich oder werden hinterrücks von fremder Hand aus Rache getötet. Trotzdem ist „Der stille Don“ ein Roman, der den Leser nicht traurig, sondern eher nachdenklich stimmt. Der Roman ist gezeichnet von ungeheurer Sprachgewalt und Inhaltsfülle, er lebt von vielen kleinen Details, die der Autor sehr bewusst in die Romanhandlung eingebaut hat.


    Michail Scholochow erhielt für diesen Roman den Nobelpreis für Literatur. Allerdings stehen auch ungeklärte oder auch nicht zu klärende Plagiatsvorwürfe im Raum. Dazu kann ich mich nicht äußern, aber egal wie, der Roman selbst ist dieser hohen Auszeichnung würdig.

    Mein Fazit:
    Mich hat „Der stille Don“ auch als Wiederholungslektüre wieder voll in seinen Bann gezogen. Leser, die fiktive Geschichten vor historischer Kulisse in Monumentalform mögen und die für diese historische Epoche mit ihren aufeinanderprallenden Ideologien offen sind, werden an diesen Roman ihre Freude haben. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:


    Über den Autor (Quelle: amazon.de)
    Michail Scholochow (1905 – 1984) begann 1923 seine literarische Karriere mit Erzählungen aus dem Kosakenleben. ›Der stille Don‹, erschienen 1928 – 1940, machte ihn zu einem der populärsten russischen Schriftsteller. 1965 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.