Xinran - Die namenlosen Töchter

  • Klappentext:
    Wo Mädchen nicht einmal einen Namen wert sind.
    Sechs Mädchen und kein einziger Sohn – Li, der unglückliche Vater, schämt sich vor der Dorfgemeinschaft. So sehr, dass er ihnen nicht einmal Namen gibt und sie einfach durchnummeriert. Doch Sanniu, das „Dritte Mädchen“, will beweisen, dass sie mehr wert ist, und flieht in die Stadt.


    Autorin:
    Xinran, 1958 in Beijing geboren, arbeitete jahrelang als Radiojournalistin. Ihre Sendung „Words on the Night Breeze“ war in ganz China bekannt und berühmt. Auf der Grundlage der Sendung entstand ihr erstes Buch Verborgene Stimmen, Chinesische Frauen erzählen ihr Schicksal. Der Titel war international ein großer Erfolg. 2005 erschien der ebenfalls erfolgreiche Roman Himmelsbegräbnis. Die namenlosen Töchter ist ihr zweiter Roman. 1997 verließ sie China und lebt seither mit ihrem Sohn und ihrem Ehemann in England.


    Meine Meinung:
    Irgendwie hatte ich etwas ganz anderes erwartet von dem Buch. Ich dachte hier werden tragische Schicksale von Mädchen geschildert. Aber dem war nicht so. Es geht um drei Schwestern, die ihr Glück in der Stadt Nanjing suchen, dass sie zu Hause in ihrem Dorf nicht bekommen werden. Ihr Vater ist das Gespött des Dorfes, weil er nur sechs Töchter und keinen einzigen Sohn hat. „Drei“, die dritte Tochter wagt den ersten Schritt, weil sie sich ein Leben mit einem für sie ausgesuchten Mann nicht ertragen will und sie will auch ihren Vater beweisen, dass sie mehr wert ist. Sie fährt mit ihrem Onkel Zwei nach Nanjing. In dieser Stadt gibt es eine alte Weide, unter der sich alle möglichen Menschen aus verschiedenen Ecken Chinas treffen um eine Arbeit zu finden. Und auch Drei sucht unter dieser alten Weide und findet ihre erste Anstellung in dem Restaurant „Der glückliche Narr“. Alle sind sehr freundlich und nett zu ihr, aber sie gewöhnt sich nur langsam an das fremde Stadtleben, in dem vieles nicht so ist wie zu Hause. Zwei Jahre später folgen der großen Schwester „Fünf“ und „Sechs“. Fünf gilt in ihrer Familie als dumm und hässlich, Sechs, die einzige, die die Schule beenden durfte, beide finden durch Dreis Hilfe ebenfalls unter der alten Weide eine Arbeit. Auch Sechs wird freundlich aufgenommen und bekommt eine Anstellung im „Das Teehaus des Buchverkosters“. Fünf arbeitet im Wasserkulturzentrum „Drache“. Das Stadtleben verwirrt und verunsichert die drei Mädchen auch weiterhin, aber ihnen gefällt was sie tun, denn sie fühlen sich gebraucht und erwünscht.
    Der Leser erfährt einiges vom Leben der Chinesinnen und Chinesen auf dem Land sowie in der Stadt. Es ist zwar ein Land und ein Volk, aber die Unterschiede könnten nicht gravierender sein. Auf dem Land, wo keine Ein-Kind-Regel zu sein scheint, werden die Mädchen „Essstäbchen“ genannt und die Jungen „Dachbalken“. Ein Mann gilt dort als starker Versorger, der das Dach der Familie bildet, aber eine Frau wird als ein zerbrechliches Arbeitsgerät angesehen, das man benutzt und irgendwann wegwirft. Aber dieses Buch zeigt, dass mehr in einem Mädchen steckt und keinesfalls immer zerbrechlich ist, wie ihre Väter es behaupten und vermuten.
    Ich vergebe dem Buch :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: Sterne.

  • Dieses Buch habe ich mehr zufällig als gezielt gekauft. Hab’s mir bei einer Bestellung einfach mit in den Warenkorb gelegt. Das auffällige Buch mit dem grünen Cover blieb dann aber erst mal eine ganze Weile im Regal stehen. Denn eigentlich passt diese Art Lektüre nicht wirklich in mein Beuteschema. Vor ein paar Tagen nahm ich das Buch dann doch mal zur Hand und schnupperte ins Vorwort rein. Xinran erzählt hier von einer Begegnung mit einem Mann, die sie als Radiomoderatorin in Nanjing hatte. Dieser Mann bezeichnete chinesische Mädchen als Essstäbchen und Jungen als Dachbalken. Dieser Vergleich, der in ländlichen Gegenden Chinas offenbar ziemlich gebräuchlich ist, brachte Xinran zum Nachdenken und sie wollte mehr über diese Essstäbchen wissen. Die Schicksale, mit welchen sie im Zuge ihrer Recherchen konfrontiert wurde, hat sie dann in ihrem Roman Die namenlosen Töchter verarbeitet.


    Zugegeben, nach dem Vorwort ging es mir ähnlich wie der Autorin. Ich wollte mehr über diese Essstäbchen erfahren. Ich las also weiter und da hat’s mich gepackt. Xinran verpackt in diesem Buch wahre Schicksale in einen ruhigen und doch mitreissenden Roman. Ich habe Seite um Seite mit Drei und ihren Schwestern mitgefiebert und mitgelitten, ich habe mich mit ihnen gefreut und zusammen mit ihnen die Hoffnung gehegt, dass sich für sie und ihre Familie alles zum Besseren wenden wird. Für die Mutter empfand ich tiefsten Respekt und auch für den Vater entwickelte ich während dem Lesen immer mehr Verständnis. Überhaupt fand ich alle Charaktere sehr glaubwürdig. Xinran versteht es, ihren Protagonisten mit einer einfachen aber authentischen Sprache Leben einzuhauchen.


    Die Ähnlichkeit der Namen und die Zahlen, die da jeweils noch angehängt wurden (damit meine ich nicht die «durchnummerierten Schwestern»), erschwerten jedoch leider etwas meinen Lesefluss. Liegt wohl daran, dass ich mir derartiges nicht gewöhnt bin. Dennoch hat mir das Buch sehr gut gefallen. Dass die Rahmenhandlung zwar erfunden ist, aber der Geschichte dennoch Tatsachen zu Grunde liegen, trug sicherlich das Seine dazu bei. Ich bin nicht nur um eine berührende Geschichte reicher, ich habe auch einiges über China dazugelernt.


    Fazit
    Ein schönes, ruhiges Buch. Traurig und dennoch lebensbejahend. Ein Mutmach-Buch zum Empfehlen! :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: