Renate Ahrens - Ferne Tochter

  • Renate Ahrens hat ein ganz wunderbares Buch geschrieben. Ich habe angefangen zu lesen und konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Innerhalb von zwei Tagen hatte ich es durchgelesen.


    Die in dem Buch behandelten Themen sind schwere Kost, keine Frage. Renate Ahrens schafft es aber durch ihren Schreibstil und die Art zu erzählen den Leser mitzunehmen und die schwere Kost leicht zu servieren. Von der ersten Seite an war mir die Hauptperson, Judith, sympathisch. Ich konnte sie förmlich vor mir sehen und mit ihrer Begeisterung für die Freseke, die sie gerade restauriert, steckte sie mich an, obwohl mich dieses Thema noch nie vorher beschäftigt hat. Richtig los ging es dann mit ihrer Reise nach Hamburg, bei der ich mit ihr gefühlt habe. Sie wirkt oft traurig, was auch kein Wunder ist und man möchte sie am liebsten in den Arm nehmen und trösten. Die Autorin schafft es, die ganze Zeit den Spannungsbogen zu halten, aber ihn nicht zu überreizen. Sie hält den Leser in der Geschichte gefangen.


    Gut gelöst fand ich die Rückblenden, die uns die Geschichte von Judith erzählen. Nicht zu lang, nicht zu kurz und immer an den richtigen Stellen eingestreut, so dass sie nicht störend wirkten.


    Die Autorin machte mir als Leserin mal wieder bewusst, welchen Stellenwert im Leben die Familie hat oder haben sollte. Sie macht außerdem klar, dass man seine Vergangenheit nicht auf Dauer verleugnen kann, sondern sich ihr irgendwann stellen muss. Auf Seiten 272 sind dann auch Tränen geflossen. So schön und so traurig zur gleichen Zeit… Lest selbst…



    Etwas befremdlich fand ich zunächst, dass das Handy in diesem Buch immer italienisch “telefonino” genannt wird. Ich muss aber gestehen, dass es mir schnell nicht mehr auffiel und es im Nachhinein auch sehr gut passte. Das Buch schlägt so leise Töne an, dass das englische Wort Handy sogar störend gewirkt hätte.


    Ich kann dieses Buch nur jedem empfehlen. Ein Buch welches mich total in seinen Bann gezogen hat und von mir verdiente 5 Sterne bekommt.

    Gruß
    Yvonne

    Nicht die haben die Bücher recht lieb, welche sie unberührt in den Schränken aufheben, sondern, die sie Tag und Nacht in den Händen haben, und daher beschmutzet sind, welche Eselsohren darein machen, sie abnutzen und mit Anmerkungen bedecken.
    (Erasmus von Rotterdam)

  • Sorry, ich dachte, ich hab den Klappentext mit kopiert, hatte ich aber vergessen.


    Klappentext:
    Judith hat alle Brücken zu ihrem früheren Leben hinter sich abgebrochen und lebt seit langem in Rom, wo sie sich als Restauratorin von Fresken der Renaissance einen Namen gemacht hat; Engel sind ihre Spezialität. Sie führt eine glückliche Ehe mit Francesco, nur Kinder sind ihnen versagt geblieben. Als Judith eines Tages einen Anruf aus ihrer Heimatstadt Hamburg erhält, muss sie sich einer Vergangenheit stellen, mit der sie nie mehr konfrontiert werden wollte. Denn sie hütet seit Jahren ein Geheimnis, das ihre Ehe zerstören könnte.


    Was ganz genau die "schwere Kost" ist konnte ich nicht sagen, dass wäre dann ein Mega-Spoiler, da es darum in dem Buch geht. Also, lesen des Spoilers auf eigene Gefahr, danach braucht man das Buch fast nicht mehr lesen:

    Gruß
    Yvonne

    Nicht die haben die Bücher recht lieb, welche sie unberührt in den Schränken aufheben, sondern, die sie Tag und Nacht in den Händen haben, und daher beschmutzet sind, welche Eselsohren darein machen, sie abnutzen und mit Anmerkungen bedecken.
    (Erasmus von Rotterdam)

  • Wie lange benötigt man, um ein Leben ins Wanken zu bringen? Bei Judith sind es genau drei Minuten. Drei Minuten, so lange dauert ein Anruf aus Deutschland, der ihr Leben verändert und ihr dunkles Geheimnis wieder ans Tageslicht befördert. Zwanzig Jahre lang konnte Judith alles verdrängen, nahezu vergessen, und ihr neues Leben in Rom genießen. Doch jetzt muss sie erfahren was es heißt, wenn man von der Vergangenheit eingeholt wird. Eine Vergangenheit, die nun ihre Gegenwart beeinflussen wird, denn ihre Ehe basiert auf einer Lüge und Judith wird sich den vergangenen Ereignissen in Hamburg stellen müssen.


    "Ferne Tochter" ist nach "Fremde Schwestern" der zweite Roman von Renate Ahrens, der im Knaur Verlag erschienen ist. Beider Male bedient sich die Autorin schwierigen Familiengeschichten. In ihrem aktuellen Buch geht es um komplizierte Mutter-Tochter-Beziehungen. Seit über 20 Jahren hat Judith nämlich jegliche Verbindung zu ihrem früheren Leben in Hamburg abgebrochen und wird erst durch einen Anruf daran erinnert, dass dieses Verdrängen vielleicht doch nicht die Lösung aller Probleme ist.


    Zitat

    "Ich wünschte, ich könnte noch mal von vorn anfangen.
    Womit?
    Mit allem."
    (Seite 24)


    Die Geschichte in "Ferne Tochter" hat mir sehr gut gefallen. Sie wird stets glaubhaft präsentiert und es herrscht kein eitler Sonnenschein, sondern die Charaktere müssen sich mit ernsthaften Problemen auseinander setzen. Die Handlung wird dabei einfühlsam präsentiert, die Autorin vermag den Leser zu berühren und auf eine emotionale Reise mitzunehmen (ohne dabei jemals schnulzig zu sein). Gut hat mir auch gefallen, dass das Familiengeheimnis keine exotische Tragödie ist, sondern etwas, dass etliche Menschen ereilt. Die Autorin versucht also keine Punkte durch extra außergewöhnliche Katastrophen zu sammeln, sondern will durch ihren Schreibstil überzeugen, was ihr auch gelingt.


    Zitat

    "Der Anruf hat etwas in mir zum Einstürzen gebracht, mein mühsam errichtetes Konstrukt, das die Vergangenheit von mir fernhalten sollte."
    (Seite 32)


    Zu diesem Schreibstil möchte ich noch etwas erwähnen, denn ich habe ihn als besonders empfunden. Ich bin normalerweise kein Freund von Romanen, in denen kurze Sätze dominieren, denn meistens wirkt dieses abgehackt und führt dazu, dass man keine Verbindung zum Roman aufbauen kann. Anders bei Renate Ahrens. Sie bedient sich sehr oft kürzeren Sätzen, erzählt schnörkellos und sehr direkt, aber trotzdem kommen die Emotionen beim Leser an und ihre Worte hallen nach. Der Leser wird nicht erschlagen von ellenlangen Beschreibungen und bekommt genug Raum für eigene Gedanken geboten. Es mag natürlich trotzdem sein, dass das nicht jedermanns Geschmack ist (einfach mal die Leseprobe testen), aber ich finde, dass die Autorin das perfekt umgesetzt hat. Geschildert wird die Handlung übrigens aus Judiths Perspektive (Ich-Erzählerin) und ihre Erinnerungen werden sehr oft eingeblendet, um dem Leser ein Gesamtbild vermitteln zu können.



    Fazit: Ein toller Schicksalsroman mit einem Familiengeheimnis, das bewegt. Daher meine Empfehlung: Selbst lesen und Renate Ahrens' ungewöhnlichen Schreibstil erleben. 5/5 Sterne.


  • Fazit: Ein toller Schicksalsroman mit einem Familiengeheimnis, das bewegt. Daher meine Empfehlung: Selbst lesen und Renate Ahrens' ungewöhnlichen Schreibstil erleben

    Das kann ich nur unterstreichen. Auch dieses Buch von Reante Ahrens hat mich sehr bewegt und ich kam nicht mehr davon los.
    Sie hat eine Art zu schreiben die mir sehr gefällt.
    Von mir auch hier :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::thumleft: