Peter Pakulat - Verkehrte Welt. Die Abenteuer des Ilot Packeiser.

  • Klappentext (Auszug):


    Ein Buch "für alle, die sich kein aufgetanktes Privatflugzeug leisten können zur rechtzeitigen Flucht in die idyllische Nische außerhalb der Tagesschau".


    Rezension:


    Er will doch kein Eisbär sein am kalten Polar.


    Die Normalität liefert eine tröstliche Vorhersehbarkeit, jedoch sind die dunklen und originellen Verrücktheiten am Rande der Inszenierung weitaus kostbarer als die beleuchteten Artefakte eines Massenwahns. Oder wie der Autor es ausdrückt: "Seitdem sein Körper vogelfrei ist, ist sein Schädel ein Käfig". Peter Pakulat ist ein moderner Geschichtenerzähler, dem die Gabe der freien Assoziation als Vehikel für neue Raumgewinnung dient, auf den Spuren seines vorauspreschenden Intellekts. Sein Buch "Verkehrte Welt – Die Abenteuer des Ilot Packeiser" ist eine Verdichtung surreal-verdrehter Alltagsphänomene. Dass ich sein Werk bereits vor dreißig Jahren erstmals gelesen hatte (ein Umstand, der mir erst nach wenigen Seiten der Lektüre bewusst wurde), fügt meiner Beziehung zu dem Text heuer eine weitere Dimension hinzu. Wer war ich damals, als ich zwischen den quirligen Gedanken auf Erkundung ging; wer bin ich jetzt angesichts der Gedankenbilder, die mir wie neu ersonnen und frisch entdeckt entgegenfliegen?
    Anfang der Achtziger gibt es drei Fernsehprogramme und eine Menge A-Bomben, deren Sprengkraft die höher entwickelten Lebensformen mehrfach austilgen könnten. Vor dieser Hintergrundbedrohung breitet Peter Pakulat seine Gegenentwürfe zu unserem Dasein aus: seine innerliche Vielfalt gegen die kursierende Verallgemeinerung des Lebensgefühls. Fantasie kontra Banalität. Dank seines Ideenreichtums und seiner Empfindungsfähigkeit nehmen kleine Alltagsepisoden weitreichende Auswirkungen an. Oftmals vertauschen das Unterbewusste und das Bewusste ihre Bedeutung und das psychologische Moment folgt auf Augenblicke vermeintlich gewöhnlicher Beschaffenheit. Was hat sich seit Erscheinen des Buches in unserer Welt verändert? Statt dreier Fernsehprogramme geistern heute hunderte durch den Äther, die globale Vernetzung schreitet voran und die Egozentrik erweitert seine Kreise. Nie las ich treffender als bei Pakulat über die Entmenschlichung als Folge auferlegter Zwänge unserer Leistungsgesellschaft. Eine "Dompteuse in der Maschinenwelt", die Rache der Roboter, das sich drehende Karussell, die schleichende Symbiose. Entweder drosselt der Mensch seine Sehnsucht und zügelt das Verlangen, oder er vollzieht den Schritt aus der Inszenierung hinaus in eine scheinbar andere Welt. Doch die Welt ist in jederlei Hinsicht eine Kugel, sich drehend durch den leeren Raum. "Wo aber liegt das Abenteuer?", fragt Ilot Packeiser. Seine Gegenwelten belebt Pakulat mithilfe unorthodoxer Gedankengänge, seine Bilderfluten sind von poetischer Qualität. Dem Körper des Daseins fährt er mit seiner Schreibfeder tief in die Substanz, die Schnittstellen, die wohl oder übel dabei hervortreten, beschreibt er mit der Gewandtheit eines dichtenden Fantasten.
    "Wo aber liegt das Abenteuer?"
    Pakulat warnt vor einer Antwort, denn wer ein Rätsel errät, spricht gleichzeitig dessen Todesurteil aus.



    Peter Pitsch