Jean-Christophe Grangé - Der Ursprung des Bösen / Le Passager

  • Kurzbeschreibung von Amazon.de:
    Mathias Freire leidet unter einer rätselhaften Krankheit: Sobald er in Stress gerät, verliert er das Gedächtnis. Und wenn er das Bewusstsein wiedererlangt, ist er ein anderer: Ein neues Ich hat sich formiert, mit einer neuen Vergangenheit, einem neuen Lebensschicksal. Währenddessen sucht die Polizei nach dem Täter einer Serie von Ritualmorden, die allesamt in der Nähe Freires verübt wurden, ohne dass man diesem etwas nachweisen kann. Und wenn nun doch er der Mörder ist? Freire gerät zunehmend in Panik. Auf sein Gedächtnis ist kein Verlass. Also muss er einen anderen Weg finden, um seine Vergangenheit zu rekonstruieren. Doch die Suche nach seiner wahren Identität wird schon bald zu einem entsetzlichen Albtraum, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Ein Albtraum, der in einem dunklen Geheimnis um Freires Herkunft begründet liegt


    Handlung:
    Mathias Freire ist Psychiater an einer Klinik in Bordeaux. Er ist vor kurzem aus seinem alten Leben geflüchtet, denn er hat den größten Fehler gemacht, den man in seinem Berufsstand machen kann: Er hat sich mit einer sich auf Station befindlichen Patientin eingelassen. Nach dem Sex ist er eingeschlafen und währenddessen hat sie sich mit seinem Gürtel erhängt. Wem dieser gehört wurde nie aufgeklärt. Er lebt nun ein zurückgezogenes Leben und gibt sich ganz seiner neuen Aufgabe hin. Eines Nachts wird ein Mann bei ihm eingeliefert, der sein Gedächtnis verloren hat. Der große, stämmige Mann wurde in der Nähe des Bahnhofs gefunden mit einem Schraubenzieher und einem Telefonbuch in der Hand, die mit Blut besudelt waren. Freire zeigt ein ungewohnt großes Interesse an diesem Fall und will ihm unbedingt helfen, seine Identität wiederzuerlangen. Der Namenlose, bei dem nach und nach Erinnerungen hochzukommen scheinen, wird allerdings auch schnell zu einem Verdächtigen. Denn in der gleichen Nacht ist ganz in der Nähe seines Auffindens ein Mord geschehen. Ein junger Obdachloser wurde tot gefunden und über sein Haupt wurde der abgehackte Kopf eines Stiers gestülpt. Dies ist der erste große Fall für die junge, engagierte Polizistin Anais Chatelet, die sich beweisen will, aber gleichzeitig mit persönlichen Problemen zu kämpfen hat und mit ihrer Vergangenheit hadert. Freire und Chatelet wollen sich gegenseitig bei der Polizeiermittlung bzw. bei der Identitätssuche unterstützen. Aber als Freire mit dem Mann, der sich mittlerweile langsam an seine Vergangenheit erinnert, zurück zu dessen Wohnort fährt, überschlagen sich die Ereignisse und die Welt von Mathias Freire bricht zusammen. Er beginnt an seiner eigenen Identität und seiner Zurechnungsfähigkeit zu zweifeln…


    Meine Meinung:
    „Der Ursprung des Bösen“ ist ein Thriller, der so ziemlich alles in sich vereint, was dieses Genre ausmacht: Psychospielchen, Polizeiermittlungen, Mord und Totschlag, düstere Atmosphäre, Verschwörungen. Die Spannung war kaum auszuhalten und der Autor schafft es immer wieder mit seinen Büchern, mich zu fesseln und über eine hohe Seitenanzahl die Spannung aufrechtzuerhalten. Dieses Mal waren es 860 Seiten ohne auch nur einer Spur von Langeweile und so etwas schafft bei mir außer dem großartigen Franzosen eigentlich nur ein Stephen King.


    Der Autor hat einen Stil mit sehr großem Wierderkennungswert und viele Details und Eigenschaften seiner Bücher findet man in allen seinen Romanen. Da wären z.B. die Hauptdarsteller, die alles andere als die üblichen Gutmenschen sind und meist eine bewegte Vergangenheit haben und mit sich selbst nicht wirklich im Reinen sind. Vor allem Anais konnte mich hier mehr als überzeugen. Ich mochte diese Frau eigentlich überhaupt nicht und sie war mir sehr unsympathisch. Aber trotzdem war sie sehr außergewöhnlich und sie zog mich vollends in ihren Bann. Sie ist 29 Jahre alt und geht mit übersteigertem Selbstbewusstsein und auch mit brutaler Härte vor. Zeugen, die nicht nach ihrer Pfeife tanzen oder Leute, die ihren Ermittlungen im Weg stehen könnten, werden bedroht und ihre Mittel sind das ein oder andere Mal auch nicht legal. Tief in ihrem Inneren sieht es allerdings ganz anders aus: Sie hat große psychische Probleme, leidet unter Panikattacken und trägt ein Trauma aus ihrer Kindheit mit sicher herum. Aber auch Mathias Freire war ein toller Charakter. Ich konnte wunderbar mit ihm mitfiebern und habe regelrecht mit ihm mitgezittert. Man merkte, er will ein guter Mensch sein und mit den geschehenen Gräueltaten nichts zu tun haben und das hätte ich ihm auch von ganzem Herzen gegönnt.


    Ich will gar nicht zu sehr auf die Handlung eingehen, da es zuviel von der Spannung vorwegnehmen würde. Der oben beschriebene Ablauf ist eigentlich nur ein Bruchteil von dem, was wirklich alles in diesem tollen Buch passiert. Erwähnt werden soll nur, dass man eine der beiden Hauptperson, Mathias Freire, auf einer höchst abenteuerlichen Reise durch mehrere Identitäten und durch ganz Frankreich begleitet. Man leidet mit ihm, ist immer in Bewegung und fragt sich die ganze Zeit ob wirklich alles so ist wie man es gerade gelesen hat oder ob man von Grangé an der Nase herumgeführt wird. Am Genialsten fand ich den Aufenthalt bei den Obdachlosen in Marseille. Was bei diesen Menschen abgeht und wie sich leben, war regelrecht beängstingend und brutal und wenn es in Wirklichkeit auch nur annähernd so zugeht wie hier beschrieben, sollte man jeden Tag dankbar sein wenn man ein behütetes Zuhause und ein geregeltes Leben hat.


    Dieser Thriller war zwar auf der einen Seite sehr verständlich geschrieben und er ließ sich sehr flüssig lesen. Der Handlung kann man somit ohne Probleme folgen. Auf der anderen Seite ist aber auch die für Grangé typische Komplexität vorhanden. Die Handlung ist wie das Zusammenfügen eines riesigen Puzzles, bei dem man erst ganz am Ende das Endprodukt erkennen kann. Es kommen sehr viele Personen vor, was manchmal etwas beschwerlich war, wenn man versucht, sich jeden einzelnen Charakter einzuprägen. Ein Tipp meinerseits: Dies ist hier gar nicht so wichtig, da viele auch nur einen Kurzauftritt haben und keinen immens wichtigen Teil zur Geschichte beitragen. Den Schreibstil würde ich für einen Thriller schon als ziemlich anspruchsvoll bezeichnen. Es gibt immer wieder Metaphern, bildliche Sprache und außergewöhnliche Wortverbindungen. Diese wirken allerdings nie gestellt oder überzogen, sondern fügen sich wunderbar ins Gesamtbild ein und passen wie die Faust aufs Auge zu dieser Geschichte.


    An "Choral des Todes" oder "Das schwarze Blut" reicht "Der Ursprung des Bösen" aber nicht ganz heran. Ich könnte zwar nicht sagen, dass das Buch Längen gehabt hätte, ganz im Gegenteil, aber ca. zur Mitte gab es eine kurze Phase, die nicht ganz mit dem genialen Anfang und dem sehr spannenden Ende mithalten könnte.


    Fazit: Einer meiner Lieblingsautoren hat hier ein weiteres episches und ausschweifendes Thrillerwerk erschaffen, das sich wunderbar in seine sowieso schon tolle Bibliografie einreiht. Wer Grangé liebt, wird auch hier begeistert sein. Dieser Autor hätte in Deutschland durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient.
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