Maryanne Becker - Wie eine Feder im Wind: Gedichte, Geschichten, Gedankenbilder

  • Über die Autorin:


    Maryanne Becker, Jahrgang 1952, in Ostbelgien geboren und aufgewachsen, ist Soziologin und Audiotherapeutin mit langjähriger Erfahrung in der klinischen Beratung Hörgeschädigter und als Dozentin an Kranken- und Altenpflegeschulen. Sie veröffentlichte Sachbücher, Kurzgeschichten und Lyrik.


    Rezension:


    Mehr als eine Feder.


    An und für sich sind die Gedichte und Prosatexte von Maryanne Becker keine schwere Kost, dahingegen lyrische Gedankengebilde, die um sehr abgründige Themen kreisen wie zerbrechliche Sonden um eine Anomalie. An solchen Übergängen zu den dunkleren Seiten des Seins möchte der Mensch nicht lange verweilen, und doch kann das Auge nicht lassen von dieser Handvoll Texte, die das Vorhandensein von – metaphorisch gesprochen – "schwarzen Löchern" wiedergibt. Eine kurze Passage aus Exubérys "Der kleine Prinz" steht Beckers Poesie voran, und noch ehe die Autorin ihre Feder in die Essenz aller Ängste tunkt und daraufhin existentielle Anschauungen in Worte fasst, ist ihr meine Sympathie gewiss. Dass einige bildliche Impressionen von Peter Strobel, dessen Schwarz-Weiß-Fotografien die gefühlvolle Stimmung vertiefen, Himmelsphänomene widerspiegeln, ist bei weitem kein Zufall. Der Schwerkraft zum Trotz möchte die Autorin ihre Stimme erheben, den Schritt wagen auf das dünne Seil hinaus, welches unsere Realität auf schwindelerregende Weise überspannt. Für sie sind die Gegensätze "oben" und "unten" gleichermaßen ersichtlich, und jedem heftigen Windstoß begegnet Maryanne Becker mit Worten, die keiner Bodenhaftung bedürfen, um in der Ungewissheit zu bestehen. Mitunter schwingt in den atmosphärischen Zeilen ein wenig Pathos mit, allerdings weist die Dichterin kraft ihrer Prosastücke eindringlich darauf hin, wie weit ihr lyrisches Ich tatsächlich zu gehen bereit ist. Nämlich bis an den Rand des Wahnsinns; hervorgerufen durch eine plötzliche und unwiderrufliche Verzerrung des ureigenen Weltbildes. Den Verlust des Gehörs und den damit einhergehenden Schock anhand eines symbolhaften Traums zu schildern, erfordert mehr als eine leichte Feder, es erfordert jedes Gran Selbsterkenntnis und das Vermögen, ein Gedankenseil auch zwischen die Absurditäten unseres Daseins mit gezielter Hand spannen zu wollen. Bedauerlich nur, dass dieses Buch, um nicht zu sagen dieses Büchlein, innerhalb kurzer Zeit durchgelesen ist. Andererseits ein Grund mehr, weitere Werke von Maryanne Becker dem Bücherschrank zu entnehmen und einer genauen Betrachtung zu unterziehen.


    Peter Pitsch