Marie Rossi (Hrsg.) - Menschen am Meer

  • Klappentext:


    Einhundertfünfzig Autorinnen und Autoren aus sieben Ländern präsentieren Geschichten, Haiku, Gedichte, Akrostichon und Elfchen rund um die Faszination Meer.


    Rezension:


    Ebbe und Flut – Stimmen des Meeres.


    Einzutauchen in ein Buch, das den Titel "Menschen am Meer" trägt, bedeutet einhundertfünfzig Mal den Strom des Lebens mit dem inneren Auge zu durchleuchten. Und dort, am Grunde des Seins, bereiten sowohl tiefe, weit verzweigte Gedanken als auch keck und fröhlich ins Licht schnellende Einfälle den Nährboden dieser Meeresanthologie. Denn ebenso zahlreich wie die Unter- und Überwasserblicke derer, die dieses Werk mit dem Elixier ihrer Faszination getränkt haben, bieten die literarischen Ausdrucksformen eine enorme Vielfalt dar.
    Seit nunmehr vierzehn Jahren bewohne ich ein kleines, lachsfarbenes Haus, lediglich einen Steinwurf von der Ostseeküste entfernt; ob an schwelend heißen Sommertagen, ob in den unwirklichen Nebelbänken des Winters, stets ist das Rauschen der Brandung mein Begleiter. Die Stimme des Meeres wird nimmer müde, der Fantasie neue Geschichten einzuflüstern: Wer das blau ummantelte Gemeinschaftswerk aufschlägt (dank einiger Fotos und Illustrationen atmosphärisch dicht geschmückt), wird spontan die Schreie der Möwen vernehmen, den Sand unter seinen Füßen verspüren, oder gar die Segel setzen, um noch unbekannten Gestaden entgegenzustreben. Bei jedem Umblättern gibt das "Meer der Geschichten" ein weiteres Geheimnis preis. Jede Autorin, jeder Autor offenbart sein Inneres dem Leser und teilt seine Gedanken mit, gleich einem Netz voller Austern, die sich schließlich öffnen und ihre wertvollen Perlen freigeben. Bald ist es die Ebbe, bald ist es die Flut und wieder ein anderes Mal die Unergründlichkeit des Gewässers, von denen – konkret bis metaphorisch gesprochen – die einhundertfünfzig Autoren berichten. Wir spiegeln uns im Meer, wir sehnen uns nach seiner Tiefe ... schrecken wiederum davor zurück, lassen uns auf das Spiel der Wellen ein. Heimweh, Fernweh, Freude, Leid, Melancholie, die Brandung trägt jedwede Gefühlsstimmung heran. Mit einem erstaunlichen Einfallsreichtum zeichnen die Menschen ihre Spuren in den Sand. Und wie ein Entdecker begibt sich der Leser auf die Reise und sein Vorstellungsvermögen streift den Saum des Ozeans. Er findet ebendort Wiederklang, wo alles Leben einstmals seinen Anfang nahm. Reich beschenkt, Perlen in den Taschen, Tang in den Haaren, kehrt der Leser heim. "Menschen am Meer" strahlt noch lange nach, die umfassende Anthologie flüstert uns ihre Geschichten hinterher, Geschichten, die aus der Tiefe kommen und geradewegs ans Licht unseres Daseins dringen.


    Peter Pitsch