Dieser wunderbare, einfühlsam und mit großer und tief empfundener Menschlichkeit geschriebene Roman des Iren Steve Galloway führt den Leser zurück an den Beginn der neunziger Jahre, als im Herzen Europas ein Krieg tobte, der an Brutalität alles in den Schatten stellte, was man damals, kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Europa noch für möglich gehalten hätte. Durch die Halbdiktatur Titos über Jahrzehnte in Schach gehalten, brachen im ehemaligen Jugoslawien nach 1989 die jahrhundertealten Konflikte zwischen den verschiedenen Ethnien wieder auf, und Nachbarn wurde nicht nur zu Feinden, sondern fielen wie die Tiere übereinander her. Massenmorde geschahen von beiden Seiten, den Christen und den Moslems, wie sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr in Europa stattgefunden hatten. Dieser Krieg, der sogar die Grünen unter Joschka Fischer von ihrem strikten Pazifismus abbrachte, war für den umgebremsten Friedens- und Fortschrittsglauben nach dem Fall der Berliner Mauer ein harter Dämpfer, der bei denen, die Geschichte nicht so schnell vergessen, bis heute als eine Art historischer Skeptizismus weiter wirkt.
Das vorliegende Buch von Steve Galloway trägt sein Eigenes dazu bei, dass dem Vergessen gewehrt wird. Der Autor tut es auf eine poetische und literarische Weise, indem er eine wahre Begebenheit zum Ausgangspunkt nimmt, eine beeindruckende und bewegende Geschichte aus Sarajevo zu erzählen. Er beginnt mit einer Szene, als ein Musiker im belagerten und aus den umliegenden Bergen von Scharfschützen permanent beschossenen Sarajevo aus seinem Fenster auf den gegenüberliegenden Bäckerladen blickt, vor dem eine lange Schlange von Menschen nach dem endlich wieder erhältlichen Brot ansteht und Zeuge wird, wie durch eine Explosion einer Mörsergranate zweiundzwanzig Menschen den Tod finden. Der Musiker war vor dem Krieg der Erste Cellist des Philharmonischen Orchesters von Sarajevo und er beschließt, von nun an zweiundzwanzig Tage lang jeden Tag nachmittags um vier, angetan mit seinem Frack und seinem Cello in der Hand, sich vor sein Haus zu setzen und das Adagio von Albioni zu spielen.
Normalerweise ist das der sichere Tod für den Musiker, doch für sein Leben haben bestimmte Kräfte, die die Stadt verteidigen, die ehemalige Sportschützin und jetzige Scharfschützin Strijela ( der Pfeil) abkommandiert. Sie ist eine von mehreren Personen, aus deren Blickwinkel nun eine Geschichte erzählt wird, die mitten in der Gewalt und der Hoffnungslosigkeit des belagerten Sarajevo von Hoffnung und Zukunft erzählt, von Liebe und Menschlichkeit.
Es ist eine Geschichte über die grenzüberschreitende Wirkung von Musik und ein Beispiel, wie mitten in Situationen des Todes und der absoluten Dunkelheit, Leben wachsen und Hoffnung gedeihen kann.