Roger Willemsen - Die Enden der Welt

  • Kurzmeinung

    Aladin1k1
    Willemsens Reiseerfahrungen von 30 Jahren
  • Kurzmeinung

    Hypocritia
    oft uninteressante Details, meist sprachlich bis ins Unerträgliche überpoetisiert, wirkt nicht authentisch auf mich
  • Inhalt:


    Roger Willemsen entführt den Leser in 22 kurzen Reisegeschichten an seine persönlichen Enden der Welt. Diese finden er manchmal gleich um die Ecke, manchmal nimmt er weite Wege in Kauf, um an ein weiteres Ende zu gelangen. Dort angekommen erfährt man viele kleine Einblicke von außergewöhnlichen Landschaften und den Menschen darin.


    So begegnet man zum Beispiel einer alten Frau am Fuße des Himalajas, die in ihrem Leben noch nie um die nahegelegene Biegung gelaufen ist, dies somit das Ende ihrer Welt darstellt. In Indonesien besucht Willemsen ein Dorf am Ende einer Straße, die ins Nichts führt. Oder er nimmt den Leser mit auf eine Reise nach Portugal, wo einst für viele Skalven das Ende ihres bisherigen Lebens angebrochen war.


    Bewertung:


    Konzept:


    Willemsen entführt den Leser in viele neue Welten, die in der Tat irgendwie ein Ende darstellen. Wer jedoch hier einen reinen Reisebericht vermutet, der wird beim Lesen schnell feststellen, dass Mehr dahinter steckt. Zum einen ist Willemsen bei seinen Reisen auf der Suche nach kleinen Nischen gewesen, nicht nach dem großen Ende. Andererseits stellt er nicht nur die Landschaft als Ende dar, sondern bringt immer auch die dort Lebenden ins Blickfeld. Und so sind seine Enden der Welt immer Enden für spezielle Menschen, nie ein großes Ende.


    Seine Reiseberichte sind trotz der Fokusierung auf die Menschen nie oberflächlich. Ganz im Gegenteil. Willemsens gut recherchierte und geschichtlich fundierte Berichterstattung überzeugt. Hier wurde nicht um des Schreibens willens irgendetwas aufgeschrieben. Ganz im Gegenteil. Hier wurde versucht, eine Landschaft oder eine Historie möglichst facettenreich darzustellen, wohlgemerkt ohne auszuufern.


    Besonders gelungen finde ich die Reiseberichte, die eingebettet sind in eine kleine persönliche Geschichte, die Geschichte eines Briefes, einer Bekanntschaft, einer Liebelei. Diese Geschichten eröffnen Einblicke in den Menschen Willemsen, der beinahe die ganze Welt bereist und eine die Vorliebe für Nischen und Details hat.


    Sprache und Stil:


    Man muss sagen, dass Willemsens Schreibstil schon ein besonderer ist, der sicherlich so manchem Leser schwer zugänglich ist. Er ist detailverliebt und ausschweifend. Aufzählungen über mehrere Zeilen hinweg sind keine Seltenheit. Genauso liebt er aber auch Einwortsätze. Er schreibt raffiniert, gewählt, überrascht durch außergewöhnliche Vergleiche und er hat ein Gefühl für das tragende Wort:


    Zitat

    Nur in Tangkiling, jenem Dorf, zu dem die Straße von Palangkaraya führt, da gibt es nichts, und nicht einmal die Straße findet einen anständigen Abschluss. Sie endet, ohne zu enden, sie verläuft sich einfach, als sei sie bloß zu erschöpft, weiterzumachen, Was sie versammeln konnte, das hat sie versammelt, nun ist sie müde wie der Boden. (218 )


    Fazit:


    Roger Willemsen ist mit “Die Enden der Welt” ein außergewöhnlicher Reisebericht gelungen, der uns die Nischen dieser Welt und deren Geschichte näherbringt.

  • Vielen Dank für die sehr gut geschriebene Rezi.


    Ich habe das Lesen des Buches immer wieder vor mir hergeschoben, weil ich schon ahnte, dass ich das Buch nicht wie meine sonst übliche Lesekost als Unterhaltung konsumieren kann.


    Ich habe jetzt die ersten 4, 5 Kapitel gelesen und im Grunde habe ich das Gefühl, ich müsste sie jetzt nochmal bewußter lesen. Also mit schnell drüber lesen ist nicht. Aber es macht mir auch Spaß zwischendurch immer mal wieder ein Buch zu lesen, wo man voll und ganz da sein muss um folgen zu können. Wenn man sich drauf einlässt, kann man mitreisen im Kopf... Man merkt das Willemsen auf keinen Fall irgenwas mainstreammäßiges schreiben möchte, Historisches was er beschreibt ist meist was kurioses oder unabdingbar für seine persönlichen Bericht.
    Es ist eine Mischung aus Reisebericht, Roman und Autobiographie...
    Willemsen ist ein Intellektueller und so schreibt er halt auch, was zum Teil schon ermüdent sein kann (wie gesagt keine Lektüre zum schlafen gehen und wegdämmern...) Und trotzdem hält er nicht mit seiner Intellektualität die Leser auf Distanz, sondern wird immer wieder sehr menschlich, wenn er zum Beispiel schreibt


    Willemsen macht in dem Buch so schön klar, wie sich das Reisen auf einen selbst auswirkt, wie die Veränderung von außen einen Anstoß nach Innen gibt....
    Ich lese mal weiter und werde dann eventuell noch mal abschließend was beitragen.
    Viel Spaß und frohe Ostern,
    Ranke


    :flower: "Wenn Du einen Umweg gehst, findet Dein Leben trotzdem statt. Keine Zeit ist verloren!" Frank Schätzing `Der Schwarm´

  • Mir haben Willemseen Geschichten sehr gefallen. Interessante Blickwinkel der Welt eines klugen Mannes und Einblicke in außergewöhnliche Lebensgeschichten.. Klug beschreibt ihn nur unzureichend. Ich würde sogar soweit gehen ihn "weise" zu nennen. Ein sehr empfehlenswertes Buch.


    Grüße von missmarple

  • Über Reisen aus 30 Jahren schreibt Roger Willemsen in diesem Buch, Reisen an Orte, die man aus den verschiedensten Gründen unter dem titelgebenden Aspekt "Die Enden der Welt" zusammenfassen kann. Darunter sind exotische Ziele wie Mandalay, God's Window in Südafrika, das Inselreich Tonga, Toraja in Indonesien, Birma oder Nepal, aber auch Kamtschatka, Gibraltar, Minsk der Fuciner See in Italien (der eigentlich gar kein See mehr ist) und, als vielleicht buchstäblichstes Ende der Welt, der Nordpol.


    Darum, was er auf diesen Reisen erlebt hat, geht es aber gar nicht immer unbedingt primär, auch wenn er natürlich über abenteuerliche Fahrten über Passstraßen im Himalaya oder in vollgestopften Bussen in Borneo berichtet, vom Opiumrauchen in Chiang Mai oder Picknicks in Russland. Auch Land und Leute stehen nur teilweise im Fokus - wenn, dann meist in Form persönlicher Begegnungen, die er schildert. Es sind tiefsinnige Betrachtungen über das Reisen und das, was es mit dem Reisenden macht, die das Buch ebenso prägen, manchmal aber auch recht ermüdend wirken können.


    Sprachlich kann das Buch ebenfalls etwas anstrengend sein. Willemsen war natürlich ein eloquenter, gebildeter Mensch, was er auch in seinen Fernsehauftritten vermittelte, dort wirkte es aber auf mich ungezwungener. Sein Schreibstil ist sehr blumig, voller ungewöhnlicher Metaphern (gerne aus der Welt der Musik), mit einem sehr breit gefächerten Vokabular. Wahrscheinlich einfach seine Art, sich auszudrücken, doch teilweise war mir das etwas zu viel des Guten.


    Die Kapitel, in denen er konkrete Begegnungen und Erlebnisse beschreibt, konnten mich dann auch mehr überzeugen als die, die versponnen und philosophisch bleiben und deren Sinn sich mir nicht immer ganz erschlossen hat.


    Womöglich ein Buch, dass sich besser zum häppchenweisen Lesen eignet, weil der Stil dann weniger anstrengt. Als "Augenöffner" für Ecken der Welt, die sich sonst eher den Blicken der breiten Öffentlichkeit entziehen, ist es nämlich durchaus empfehlenswert. In dem Zusammenhang ist auch die abgedruckte Weltkarte hilfreich, auf der die bereisten Orte markiert sind.

  • Ich muss zugeben, dass es mir schwer fällt, dieses Buch adäquat zu bewerten. Eines vorweg: Schreiben konnte Roger Willemsen, das steht für mich außer Frage. Seine Sprache in "Die Enden der Welt" ist stark beschreibend, mit langen Aufzählungen und manchmal schon fast poetisch. In einigen der Geschichten gelingt es ihm sehr gut, diese Grenzsituationen an den verschiedensten Orten der Welt einzufangen. Zum Beispiel dann, wenn er von einer Frau spricht, die ihr ganzes Leben lang eine bestimmte Straßenkurve nicht umrundet hat. Da warte das Unglück, sagt sie. Und Willemsen, ganz der aufgeklärte Europäer glaubt, sie überreden, ja sogar überzeugen zu können. Am Ende ist er jedoch nur der dumme Tourist, als die Frau ihm sinngemäß klar macht: "Sie glauben doch nicht, dass ich nur auf einen Touristen wie Sie gewartet habe, um etwas zu tun, was ich mein Leben lang aus guten Gründen vermieden habe."


    Oft schildert Roger Willemsen auch Situationen, über die man herzlich lachen muss, eben weil er den Finger gekonnt in die Wunde legt. Er trifft den Ton der verschiedenen Typen von Reisenden perfekt, manchmal fühlt man sich sogar selbst ein wenig ertappt. Er analysiert die leidenschaftlichen Souvenirkäufer, die Armutstouristen, die Kreuzfahrtsehepaare und noch viele mehr. Immer kritisch charakterisierend, aber nicht abwertend oder verletzend. So reist der Autor mit uns quer durch die Welt, von Kontinent zu Kontinent springend. Seinen Anfang macht er in seiner Heimat, der Eifel, zu der er am Ende auch nochmals einen Bogen schlagen wird.


    Nun zum Negativen: Manche Geschichten sind einfach unheimlich dröge. Entweder sie strotzen nur so vor ellenlangen Beschreibungen eines bestimmten Details oder eines historischen Hintergrundes, während sich handlungstechnisch rein gar nichts tut. Oder sie münden am Ende in eine verworrene Liebesgeschichte oder Sexszene. Wie viel von diesen Dingen biografisch ist, das möchte ich gar nicht wissen, aber scheinbar flogen Herrn Willemsen auf der ganzen Welt die Herzen und die BHs gerade nur so zu. Und das sind dann auch die Momente, wo ich mich frage: was lese ich da?


    Einen Reisebericht? Dazu bieten manche Geschichten einfach zu wenig Fakten oder Beschreibungen über den eigentlichen Ort. Eine Sammlung von Liebesgeschichten? Von Liebe ist hier nur selten die Rede, maximal von Sexualität und unterschiedlichen Lebensentwürfen. Am besten bedient ist wohl, wer dieses Buch als das akzeptiert, was es ist: eine ungeordnete Sammlung von Kurzgeschichten, die sich den "Enden" unserer Welt annähern, mal kurz und knapp, mal ausufernd. Mal poetisch, mal banal. Mal sachlich-historisch, mal emotional. Nicht jede Geschichte hat zu mir gesprochen, aber das muss sie ja auch gar nicht.


    Fazit: Geschichten von wechselnder Qualität, die sich gut "immer mal wieder" lesen lassen :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Schön zusammengefasst. Mir ging es ja ganz ähnlich damit. Nur die merkwürdigen Liebesgeschichten hab ich offenbar unterschlagen (die fand ich aber auch alle ziemlich furchtbar).

  • ### Inhalt ###

    Roger Willemsen fasst hier seine Reiseerfahrungen der letzten 30 Jahre vor dem Erscheinen dieses Buches zusammen. Zu den bereisten und hier besprochenen Orten, denen er jeweils ein eigenes Kapitel widmet, gehören:


    - Die Eifel

    - Der Himalaya

    - Minsk

    - Timbuktu

    - Borneo

    - Tonga

    - Chiang Mai

    - Kamtschatka

    - Mandalay

    - Bombay

    - Patagonien

    - Kinshasa

    - Hongkong

    - Indonesien

    - Gibraltar

    - Senegal

    - Der Nordpol



    ### Meinung ###

    Man hört Roger Willemsen in seinen Texten förmlich raus sprechen. Agil, manchmal hektisch und poetisch wie bei seinen Fernsehauftritten spricht er über das Erlebte. Mit jedem Kapitel gelingt es ihm immer besser mit kurzen Hinweisen über Details der bereisten Orte ein klares Bild zu erzeugen. Dabei beschreibt er gnadenlos präzise auch wenn es manchmal auf ihn selbst kein gutes Licht wirft. Treibendes Motiv seiner Texte sind Enden in jeder erdenklichen Sichtweise: Geografische, persönliche und gefühlsmäßige. Er verwebt geschickt persönliche Erlebnisse mit örtlichen geschichtlichen und geografischen Hintergrundinformationen und macht diese dabei auch erlebbar. Besonders beeindruckend fand ich diesem Zusammenhang das wiedererweckte Leid der Sklaven, die in Gorée verschifft wurden. Auch für alle anderen Kapitel gilt, dass seine Beschreibungen wie ein Brennglas Menschliches und Unmenschliches zutage fördern, die manchmal begeistern und manchmal auch schmerzen.



    ### Fazit ###

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Willemsens Reiseerfahrungen von 30 Jahren an Orten, die für ihn Enden in allen erdenklichen Formen darstellten. Gnadenlos präzise, interessant, manchmal erheiternd, manchmal peinlich, manchmal erschütternd.

    Der ideale Tag wird nie kommen. Der ideale Tag ist heute, wenn wir ihn dazu machen. -- Horaz


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