Ursula Schröder: Alles auf Anfang, Marie

  • Die Autorin:
    Ursula Schröder, geboren 1957, studierte Englisch und Geschichte in Bonn. Sie veröffentlichte Kurzgeschichten, Sachtexte und mehrere erfolgreiche Frauenromane bei dtv. Seit 2000 arbeitet sie in ihrer eigenen 'Text&Ideenwerkstatt'. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder. (amazon.de)


    Klappentext:
    Die Kinder sind aus dem Haus, der Mann viel unterwegs. Was soll Marie Overbeck, bisher "Nur-Hausfrau", nun mit ihrem Leben anfangen? Golf und Kaffeeklatsch mit ihren Freunden sind der Mittfünfzigerin ein Graus. Da schickt ihr der Zufall eine neue Aufgabe in Gestalt des fünfjährigen Kevin und seiner chaotischen Familie. Ein Engagement mit ungeahnten Folgen...


    Inhalt:
    Marie ist über fünfzig, dank des Jobs ihres Mannes Henning gut situiert und jahrelang war sie vollauf mit der Erziehung der Kinder und der Organisation des Familienlebens beschäftigt. Aber nun sind die Kinder erwachsen und verlassen das Elternhaus, um zu studieren. Was soll Marie um Himmels Willen mit der all der freien Zeit anfangen? Vielleicht einen Job suchen… aber das ist etwas schwierig, wenn man seit 1986 nicht mehr in seinem Beruf gearbeitet hat. Vielleicht ein Hobby? Aber was denn nur? Golf oder Töpfern kommen nicht in Frage…
    Da spielt das Schicksal Marie eine echte Aufgabe zu. Bei einem Termin für die Tageszeitung ihrer Stadt trifft sie auf den todtraurigen kleinen Kevin, der von seiner Mama das Geld für den Zoobesuch nicht bekommen hat und der nun Angst hat, nicht mitfahren zu dürfen. Kurz entschlossen macht Marie mit ihm einen Deal, der ungeahnte Folgen hat und der dann auch noch dafür sorgt, dass sie schnell mit den familiären Verhältnissen rund um evin konfrontiert. Die Nowakowskis sind ganz anders als alle Familien, die Marie so kennt, und so hat sie zunächst Mitleid mit Nicole, die bereits drei Kinder von drei verschiedenen Vätern hat und die nun vierten schwanger ist. Die Wohnung sieht aus, als sei sie seit Monaten nicht geputzt, der Kühlschrank ist leer. Marie entschließt sich, das Leben der Nowakowskis neu zu sortieren und ihnen zu helfen. Doch so einfach, wie das im Fernsehen immer aussieht, ist das Ganze nicht…


    Meine Meinung:
    “Alles auf Anfang, Marie” überzeugt vor allem durch Ursula Schröders Erzählstil. Marie, die Ich-Erzählerin, hat einen trockenen Humor und einen guten Blick für alles um sie herum. Dadurch fliegen die Seiten nur so dahin und auch wenn die Genre-Bezeichnung “ChicLit” schon allein durch das Alter der Protagonistin nicht recht passen will, ist “Alles auf Anfang, Marie” ein gelungener “Frauenroman”, der endlich mal aus diesem Genre heraussticht, weil es hier nicht darum geht, die große Liebe zu finden. Die hat Marie nämlich schon längst gefunden, auch wenn sie und ihr Mann Henning sich schon manches Mal ordentlich streiten. Ich denke, dass es der Autorin dabei aber wirklich gelungen ist, Beziehungs- und Familienstrukturen authentisch und lustig darzustellen, mir hat das gefallen.
    Natürlich könnte man sagen, dass “Alles auf Anfang, Marie” ein bisschen klischeelastig ist. Gut situierte Frau Anfang 50 mit entsprechenden champagnertrinkenden Freundinnen, die jedes Kleidungsstück auf seine Marke hin analysieren und von Beruf Ehefrau sind, trifft auf sozial schwache Familie – und die Nowakowskis sind im Prinzip auch genauso, wie es das Vorurteil will: unordentlich, faul, unstrukturiert. Die Kinder kennen keine regelmäßigen Mahlzeiten, es gibt in der Wohnung keinen Esstisch, aber einen riesengroßen Fernseher. Trotzdem hat man nicht das Gefühl, dass Ursula Schröder sagen will: es gibt nur die Maries und die Nicoles auf dieser Welt, die beiden Familien sind einfach, wie sie sind, und der Kontrast ist schon durchaus auch Teil der Handlung und dafür nicht unwichtig.
    Was mir gut gefallen hat, ist, dass Marie nicht die Heldin der sozial Schwachen wird. Dies ist kein Roman, in der eine Art Supernanny-Schuldnerberaterin-Wohnungsdekorateurin mal eben das Leben einer Familie neu ordnet und ihnen einen neuen Lebenssinn gibt. Und gerade deswegen lässt sich dieser Roman auch einfach gut weglesen.
    Gute Unterhaltung für einen Sommernachmittag!
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Danke für die schöne Rezension, Strandläuferin. Ich studiere jetzt schon seit einem Jahr Soziale Arbeit und mir wird immer mehr bewusst, wie stark dieses Entweder-Oder-Denken doch in unseren Köpfen verankert ist:


    Zitat

    Trotzdem hat man nicht das Gefühl, dass Ursula Schröder sagen will: Es gibt nur die Maries und die Nicoles auf dieser Welt, die beiden Familien sind einfach, wie sie sind, ...

    Zitat

    Dies ist kein Roman, in der eine Art Supernanny-Schuldnerberaterin-Wohnungsdekorateurin mal eben das Leben einer Familie neu ordnet und ihnen einen neuen Lebenssinn gibt

    Das finde ich gut und wichtig. Deswegen wandert das Buch auch gleich auf meine Wunschliste. :thumleft:

    merveille.


    It was that kind of a crazy afternoon, terrifically cold, and no sun out or anything,
    and you felt like you were disappearing every time you crossed a road.


    Catcher in the Rye. ♥

  • "Frauenromane" sind ja eigentlich nicht so mein Fall, aber das Buch klingt ganz nett. Danke für deine Vorstellung, Strandläuferin, ich werde das Buch mal auf meine Merkliste setzen (bzw. ich glaube, da steht es schon). :D

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de