Henning Mankell - Erinnerung an einen schmutzigen Engel / Minnet av en smutsig ängel


  • Manchmal ist es nur ein kleiner Hinweis, eine Nebenbemerkung, eine flüchtige Beobachtung, die einen Schriftsteller zu seinem nächsten Romanstoff führt. Bei Henning Mankell war es ein Hinweis seines Schriftstellerkollegen und Afrikafreunds Tor Sällström. Er sei in dem alten kolonialen Archiv von Maputo auf bemerkenswerte Dokumente gestoßen, denen er entnommen habe, dass Ende des 19. Jahrhunderts eine Schwedin Besitzerin eines der größten Bordelle der Stadt gewesen sei, die damals noch Lourenco Marques hieß. Sie fand in den Dokumenten Erwähnung, weil die über mehrere Jahre eine bedeutende Steuerzahlerin gewesen ist. Sie sei ebenso plötzlich dort aufgetaucht, wie sie einige Jahre später wieder spurlos verschwunden sie. „Wer war Sie? Woher kam Sie?“ Diesen Fragen ist Henning Mankell weiter gefolgt, hat aber nur wenig mehr herausgefunden, als das, was in den Dokumenten stand. „Meine Geschichte gründet sich also auf das wenige, was wir wissen, und all das, was wir nicht wissen.“

    Und so erzählt er die Geschichte von Hanna Renström, die als älteste von fünf Geschwistern nach dem Tod ihres Vaters ihr Elternhaus in Nordschweden verlässt, weil die Mutter nicht mehr alle allein ernähren kann. Dieser Vater hatte Hanna mit einer Stimme, die gegen Ende seines Lebens nur noch ein Flüstern war, liebevoll einen „schmutzigen Engel“ genannt, Worte, die sie lange begleiten und an die sie sich in der Folgezeit immer wieder erinnern wird.



    Das Buch erzählt nun, wie sich Hanna durchsetzt in einer Gesellschaft, die von Kolonialismus und Rassismus geprägt ist. Es erzählt davon, wie sie konfrontiert wird, mit einer bespiellosen Unterdrückung der Schwarzen durch die weißen Herren. Wie sie ganz langsam ein Bewusstsein gewinnt von dieser Ungerechtigkeit und auch öffentlich dazu Stellung nimmt.

    In ihrem Einsatz für eine schwarze Frau, die sie kennengelernt hat, begegnet sie eines Tages deren Bruder Moses. Zu ihm entwickelt sie eine zarte Liebesgeschichte, deren Ausgang offen bleibt. Offen bleibt auch, ob das ersehnte, aber eigentlich unmögliche gemeinsame Leben mit Moses der Grund ist für ihr spurloses Verschwinden. Es ist wohl vor allem die Begegnung mit Moses, die langsam eine tiefe Erkenntnis in ihr wachsen lässt:
    „Ich lebe in einer Welt, in der die Weißen ihre Kräfte dabei vergeuden, sich selbst und die Schwarzen zu betrügen, dachte sie. Sie glauben, die schwarzen Menschen hier würden ohne ihre Anwesenheit nicht zurechtkommen und ihr Leben sei weniger wert, weil sie glauben, dass Steine und Bäume Geister beherbergen. Aber die Schwarzen ihrerseits verstehen nicht, wie man einen Sohn Gottes so schlecht behandeln kann, dass man ihn an ein Kreuz nagelt. Sie wundern sich über die Weißen, die hierher kommen und es so eilig haben, dass sie bald der Herzschlag trifft, weil sie die Jagd auf Reichtum und Macht nicht verkraften. Die Weißen lieben das Leben nicht. Sie lieben die Zeit, von der sie immer zu wenig haben.“

    Ich halte diese Reflexionen Hannas für das Zentrum eines Buches, mit dem Henning Mankell nicht nur seinem beeindruckenden Werk einen weiteren Afrikaroman hinzufügt, sondern mit der dem auch in der Gestalt Hannas ein wichtiges Porträt zeichnet einer Frau, die ihrer Zeit weit voraus war.

    Obwohl es ein historischer Roman ist, ist seine Botschaft sehr aktuell. Er beschreibt sehr überzeugend das Verhältnis von Unterdrückern und Unterdrückten als eines von gegenseitiger Angst, die sie beide wie in einem Käfig gefangen hält. Und er zeigt auch hoffnungsvolle Wege, wie die unüberwindlich geglaubten Barrieren zwischen „Uns und den Anderen“ überwunden werden können.

    Aus einer kleinen Notiz in einem historischen Dokument hat Henning Mankell einen großen Roman gemacht, der erzählt von einem ungewöhnlichen Frauenschicksal und den nach wie vor ungelösten Fragen von rassistischer Unterdrückung und menschenfeindlicher Ungerechtigkeit.




  • @ Winfried,
    ich bin stinksauer. Heute habe ich dieses Buch angefangen, aber deine detaillierte Inhaltsangabe hat mir schon einige überraschende Wendungen verraten. Normalerweise bin ich gewohnt, Rezensionen hier im Büchertreff vor der Lektüre eines Buchs lesen zu können, weil die meisten Rezensenten die Spoiler-Funktion verantwortlich einsetzen. Aber diese hätte ich lieber nicht gelesen.
    Ich habe Brigitte gebeten, einen Großteil des Inhalts, den du erzählst, nachträglich zu spoilern. Für mich zu spät, aber für nachfolgende Leser hoffentlich nützlich.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • ... aber deine detaillierte Inhaltsangabe hat mir schon einige überraschende Wendungen verraten.
    ...
    Ich habe Brigitte gebeten, einen Großteil des Inhalts, den du erzählst, nachträglich zu spoilern. Für mich zu spät, aber für nachfolgende Leser hoffentlich nützlich.

    Tut mir leid für Dich, weil Herrn Stanzicks Informationspreisgabe diesmal Dich getroffen hat, Marie :friends: , aber mir hast Du damit einen Gefallen getan, weil ich auch schon mit diesem Buch geliebäugelt habe. Danke also.



    Obwohl es ein historischer Roman ist, ...

    @Herr Stanzick, warum haben Sie das Buch dann unter "Romane/Erzählungen" eingeordnet, wo der Büchertreff doch über eine gesondert ausgewiesene Kategorie für Rezensionen mit genau diesem Titel "Historische Romane" verfügt? ?(

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Klappentext:
    Schweden, Anfang 20. Jahrhundert: Die junge mittellose Hanna muss als älteste von fünf Geschwistern ihr Heimatland verlassen und kommt in die portugiesische Kolonie Mocambique. Sie wird dort ein Vermögen erben, ein Bordell leiten und einige Jahre später spurlos wieder verschwinden. Auf der Grundlage weniger überlieferter Dokumente hat Bestsellerautor Henning Mankell einen spannenden, farbenprächtigen Roman über eine außergewöhnliche Frau geschrieben, die ihren eigenen Weg zwischen den weißen Rassisten und der schwarzen Bevölkerung in Afrika finden muss. (von der Verlagsseite kopiert)


    Zum Autor:
    Henning Mankell, geboren 1948 in Härjedalen, Schweden, lebt als Theaterregisseur und Autor in Schweden und in Maputo (Mosambik). Seine Romane um Kommissar Wallander sind internationale Bestseller, u.a. Die fünfte Frau (1998 ) und Mittsommermord (2000). Zuletzt erschienen bei Zsolnay der Krimi Der Chinese (2008 ), der Roman Daisy Sisters (2009) und Der Feind im Schatten (2010). (von der Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Informationen:
    Erstmals erschienen 2011 beim Leopard Förlag, Stockholm
    346 Seiten, aufgeteilt in Prolog, vier Teile mit inhaltsbezogenen Titeln, Epilog, Nachwort des Autors und kleines Glossar
    Das Buch ist aus der personalen Perspektive Hannas erzählt, bleibt dicht bei ihr, ihren Gedanken, Handlungen und Entscheidungen. Der Schwerpunkt liegt auf der Handlungsebene, Reflexionen wendet sich Hanna vor allem dann zu, wenn sie Neues erlebt, eine Kehrtwendung ihres Lebens erfährt oder Beschlüsse fassen muss.

    Ab Teil IV ändert sich der Vornamen „Hanna“ in „Ana Branca“ = weiße Anna, um im Epilog wieder „Hanna“ zu werden.


    Eigene Meinung / Beurteilung:
    Nach „Das Auge des Leoparden“ (1990 / deutsch 2004) hat Mankell wieder einen Roman über einen Schweden geschrieben, den es nach Afrika verschlägt. War es dort ein Mann, der aus freiem Willen nach Afrika kommt, ist es hier eine Frau, die durch merkwürdige Wege des Schicksals und Zufälle nach Ostafrika gerät. Aber hier wie dort bleiben die Figuren nach einer Erbschaft im Land.


    Dass Hanna, ein Mädchen, das bis dahin außer dem heimatlichen Hof und dem Haus seines Arbeitgebers in Schweden keine Ecke der Welt kennt, sich so schnell zurechtfindet und dank eines gefundenen portugiesisch-schwedischen Wörterbuchs die fremde Sprache in kurzer Zeit beherrscht, dass sie innerhalb von Tagen das Selbstbewusstsein einer erfahrenen Geschäftsfrau erlangt, setzt hinter die Glaubwürdigkeit ein Fragezeichen.


    „Das Bordell ist ein grausamer Treffpunkt der Macht und der Machtlosen, an dem die Liebe zur Ware wird“, zitiert der Covertext den Autor. Doch ausgehend von diesem Zitat und dem Klappentext darf man nicht erwarten, dass die Ausnutzung der ausschließlich schwarzen Prostituierten durch ausschließlich weiße Kunden im Fokus steht. Die wohltuend sparsam eingesetzten Details, mit denen die Frauen das Treiben der Männer beklagen, würde man vermutlich aus jedem Bordell der Welt hören.
    Es scheint sogar, als seien die Frauen aus dem Bordell gegenüber anderen Schwarzen, die der Willkür der weißen Herren ausgeliefert sind, in einer privilegierten Lage, weil sie unter dem Schutz des Besitzers, später Hannas Schutz, stehen.
    Das alltägliche Leben wird bestimmt von der Rechtlosigkeit und der Unterdrückung der Schwarzen durch die portugiesischen Kommandanten und Kaufleute. Gemäß der Überzeugung der meisten Kolonialmächte stehen Schwarze auf derselben Ebene wie Tiere; freigegeben zur persönlichen Verwendung als Dienstboten, Abfallbeseitiger, Minenarbeiter oder Bettgefährten, der Beliebigkeit unterworfen, sie zu schlagen, zu strafen oder zu vertreiben.


    Aber: Mankell erzählt eine Geschichte aus der Historie. Der erhobene Zeigefinger in Richtung gegenwärtiger Ausbeutung fehlt. Das Weiterdenken überlässt Mankell dem Leser (der evtl. dazu bereits sein Buch „Der Chinese“ gelesen hat), obwohl er sicher weiß, wie er dessen gerechten Zorn auslöst.
    Denn: Selten findet man ein Buch, bei dessen Lektüre es sich so unterhaltsam empören lässt.


    Hanna erlebt, dass europäische und afrikanische Ansichten über Freundschaft, Gerechtigkeit, Dankbarkeit und Treue völlig verschieden sind. Doch wie soll man Maßstäbe finden, um sich selbst und seinem Gegenüber gerecht zu werden? Oder sind die Barrieren unüberwindbar?


    Am Schluss darf man gespannt sein, wie der Autor es schafft, eine historische Ungewissheit (niemand weiß, wie und wohin Hanna verschwand) nicht durch eine fiktive Tatsache zu verfälschen, um ihr einen klaren, aber historisch nicht gesicherten Weg zu ebnen. Mankell bietet eine zauberhafte „afrikanische Lösung“.


    Fazit:
    Ein weiteres Buch in Mankells Reihe der lesenswerten Afrikabücher, diesmal mit realem geschichtlichem Hintergrund und einer historischen Protagonistin.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


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  • Ich bemerke gerade es hat Vorteile, wenn man mit dem Rezi lesen etwas hinterherhinkt. :wink:
    Bei Henning Mankell picke ich gerne raus was ich lese, und ich glaube das ist wieder etwas für mich! :D


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Bei Henning Mankell picke ich gerne raus was ich lese


    Ja, ich weiß, dass Krimis nicht zu deinen Lieblingsbüchern zählen. :wink:


    Aber dieses Buch passt in dein Beutescheme: Eine historische Figur, konfrontiert mit den Problemen ihrer Zeit in ihrer Umgebung.


    Ich möchte noch eine zusätzliche Meinung "hören", die sicher bei einem Mankell-Roman nicht lange auf sich warten lässt, ehe ich Brigitte um eine Verschiebung ins Forum der historischen Romane bitte, wo das Buch meiner Ansicht nach hingehört.

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  • @ Marie


    Es gelingt mir nicht, mich für Deine tolle Rezi zu bedanken, da kommt bei mir immer "ajax request error 404" :-k .
    Ich kenne von Mankell nur die ganzen Wallanderkrimis und die "Daisy Sisters". Nach Deiner Rezi würde ich sagen, dass es sowohl Argumente für die Einsortierung bei den historischen Romanan als auch für die Einsortierung bei Belletristik gibt.

    und einer historischen Protagonistin.

    Wenn diese Frau wirklich gelebt hat und ihr Leben weitgehend korrekt wiedergegeben ist, könnte man das Buch sogar als biographischen Roman bezeichnen.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Es gelingt mir nicht, mich für Deine tolle Rezi zu bedanken,

    Jetzt hat es geklappt, was ist heute mit meinem PC los? :roll:

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  • Wenn diese Frau wirklich gelebt hat und ihr Leben weitgehend korrekt wiedergegeben ist, könnte man das Buch sogar als biographischen Roman bezeichnen.


    Der Name der Protagonistin ist nicht verbürgt.
    Wie Mankell im Nachwort sagt, gab es zu Anfang des 20. Jahrhunderts in Maputo eine Frau, eine schwedische Bodellbesitzerin, die eine "imposante Summe an Steuern gezahlt hat", viel mehr ist nicht bekannt. Sie tauchte aus dem Nichts auf und verschwand im Nichts. Aus seinem Wissen über die Zustände zur damaligen Zeit in Ostafrika, dem wenigen, was er Archiven entnahm und viel Phantasie mixte der Autor das Buch.
    Die historischen Hintergründe sind, wenn ich die richtigen Seiten gegoogelte habe, gut recherchiert. Die Behandlung der Bevölkerung durch die Kolonialherren wurde schon von Mario Vargas Llosa in "Der Traum des Kelten" ähnlich beschrieben.

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  • Vielen Dank für die Rezis. Habe das Buch gerade selbst gelesen und mich mehr schlecht als recht hindurch gekämpft. Es bleibt einfach dabei, die Art, wie Mankell schreibt, ist nichts für mich. Weder als Krimiautor noch als Schreiber historischer Geschichten kann ich ihm etwas abgewinnen. Ich hatte das Buch geschenkt bekommen und habe gedacht, ok, diesmal was anderes, keinen Krimi. Probieren wir es aus. Doch auch diesmal bin ich enttäuscht, ich mag den Schreibstil von ihm nicht, Punkt. War mein letzter Versuch mit Mankell.
    Von mir aus müsste es dieses Buch nicht geben, werde auch keine Empfehlung aussprechen. Anderen gefällt es, und das soll auch so sein. Deshalb von mir auch ansonsten keine Bewertung.

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
    _____________________________________________


    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Hanna lebt in Nordschweden in tiefster Armut, 1903, in einem
    besonders schlimmen Winter schickt ihre Mutter sie in den Süden, zu Verwandten,
    da nicht mehr genug für die ganze Familie da ist und Hanna so die Chance auf
    ein besseres Leben erhält. Doch von der Familie ist niemand mehr da. Hanna
    erhält eine Anstellung als Magd und heuert später auf einem Schiff Richtung
    Australien als Köchin an. Sie verliebt sich in einen der Steuermänner, heiratet
    ihn und wird schnell wieder Witwe. Sie verlässt das Schiff in Mosambique und
    wird schließlich Besitzerin eines Bordells.


    Henning Mankell hat hier eine fiktive Geschichte um einen
    wahren Kern geschrieben. Anfang des 20. Jhdt. war eine schwedische
    Bordellbesitzerin der größte Steuerzahler in der Hafenstadt, in der Hanna
    strandet. Da man über diese Frau sonst nichts weiß, konnte Mankell seiner
    Fantasie freien Lauf lassen.


    Die Geschichte wird in einer sehr distanzierten Sprache
    erzählt und zwar aus Hannas Sicht. Durch die sprachliche Distanz zum Geschehen
    wird eine Objektivität ermöglicht, die sonst hätte erreicht werden können.
    Mankell, der selbst auch in Mosambique lebt, kennt das Land und hat sich auch
    mit seiner Geschichte beschäftigt. Die Rassentrennung, der Rassismus, die
    unterschiedlichen Lebens- und Denkweisen der schwarzen und der weißen
    Bevölkerung des Landes kommen hier zum Tragen und werden durch Hanna kritisch
    gebrochen. Es gelingt ihr nicht immer, sich davon zu distanzieren, doch sie
    bemerkt durchaus, dass da manches im Argen liegt.


    Leider lässt die distanzierte Sprache aber auch nicht zu,
    mit Hanna (oder auch mit anderen Charakteren) wirklich warm zu werden. Einige
    Handlungsweisen bleiben nicht nachvollziehbar, einige Handlungsstränge unverständlich.
    Letztendlich ist es aber ein Buch, das sehr zum Nachdenken anregt und einiges
    an Diskussionsstoff bietet. Mich hat kurioserweise besonders das offene Ende mit
    einigen Schwachstellen des Buches versöhnt, sonst mag ich so etwas eigentlich
    nicht so gerne, hier aber lässt es mir selbst die Möglichkeit, Hannas Leben
    weiter zu denken.


    Von mir 8 von 10 Punkten

  • So bewerten wir im BücherTreff nicht, sondern so: :wink:


    ... wobei man auch halbe Sterne geben kann, sodass man letztendlich das 10 Punkte-Schema auf die Sternwertung umrechnen kann. :wink:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
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    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Dies war mein drittes Afrika-Buch dieses Autors, das vorwiegend in Moçambique spielt, der zweiten Heimat des Autors. Genau wie die zwei anderen Bücher ist der Inhalt eher traurig, deprimierend und frustrierend. Wie auch schon in einigen anderen seiner Bücher (ausserhalb der Wallander-Reihe) war mir die Protagonistin nicht sehr sympathisch. Jedoch versteht es Mankell sehr gut, ihren Charakter intensiv zu beschreiben und sich in ihn hineinzuversetzen. Der Schreibstil ist wie gewohnt stoisch und ruhig, aber absolut nicht langweilig oder langatmig. Man bekommt Gänsehaut und wird wütend, wenn man liest, wie die Schwarzen behandelt wurden und man stellt sich die Frage, mit welchem Recht sie von den Weissen dermassen misshandelt, gedemütigt und ausgebeutet wurden. Mir persönlich stellen sich da die Haare zu Berge.


    Eine Passage, die mir sehr gut gefallen hat, ich zitiere : "Mitten in der unbegreiflichen Armut sehe ich Inseln von Reichtum. Wie kommt es, dass es diese Freude gibt ? Diese Wärme, die längst erkaltet sein müsste ? Wenn ich es umkehre, sehe ich bei den Weissen, die hier leben, viel grössere Armut mitten in ihrem Wohlstand."


    Der Anfang und das Ende des Buches beruhen auf reellen bemerkenswerten Dokumenten, denen entnommen wurde, dass Ende des 19. Jahrhunderts bzw Anfang des 20. tatsächlich eine Schwedin nach Moçambique kam, dort Besitzerin eines der grössten Bordelle war und dann spurlos verschwand. Mankell erklärt, dass sich seine Geschichte auf das Wenige, was wir wissen und all das, was wir nicht wissen, gründet. Ich fand das Buch gut :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    ☆¸.•*¨*•☆ ☆¸.•*¨*•☆ La vie est belle ☆¸.•*¨*•☆☆¸.•*¨*•☆

  • Dies war mein drittes Afrika-Buch dieses Autors

    Das war auch mein drittes Afrika-Buch von Mankell und ich muss sagen, dass mir die Bücher genau so gut gefallen wie seine Krimis. Obwohl ich dieses nicht so traurig fand wie „Die rote Antilope“ oder „Der Chronist der Winde“. Wahrscheinlich liegt es daran, dass in diesen beiden Büchern die Protagonisten Kinder sind und mich das dadurch noch mehr berührt hat. Aber „Erinnerung an einen schmutzigen Engel“ ist auch keine leichte Kost. Ganz und gar nicht. Und man möchte manchmal einfach nur schreien bei so viel Ungerechtigkeit und Grausamkeit.


    „Erinnerung an einen schmutzigen Engel“ erzählt die Geschichte von Hanna, einer weißen jungen Frau, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts gezwungen wird, ihre schwedische Heimat zu verlassen, um ein besseres Leben zu suchen. Ihre Reise führt sie in die damalige portugiesische Kolonie Mosambik. Dort wird sie und der Leser mit Rassismus, Gier, Grausamkeit, Armut, Unterdrückung und Ausbeutung konfrontiert.


    Ein schmutziger Engel...so hat Hannas Vater sie beschrieben und ich finde, dass es eine passende Beschreibung ist. Während sie sich anfangs von den lokalen Gebräuchen bei der Behandlung von Schwarzen noch leiten lässt, beginnt sich ihre Einstellung und ihre Sicht zu ändern und sie möchte wirklich helfen und tut es dann auch, soweit es in ihrer Macht steht. In ihrer Figur zeigt sich auch das Problem der komplizierten Beziehung zwischen dem Selbst und der Gemeinschaft, zu der man scheinbar gehört. Man wird beeinflusst, so wie Hanna, obwohl man im Inneren weiß, dass es falsch ist. Eine Szene im Buch macht das deutlich.

    Obwohl es einige grausame Stellen gibt und das Gelesene nicht leicht zu ertragen ist, ist die Geschichte nicht ohne Schönheit und Tiefe. „Erinnerung an einen schmutzigen Engel“ ist eine stimmungsvolle, ergreifende und fesselnde Geschichte. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:


    Eine Passage, die mir sehr gut gefallen hat, ich zitiere : "Mitten in der unbegreiflichen Armut sehe ich Inseln von Reichtum. Wie kommt es, dass es diese Freude gibt ? Diese Wärme, die längst erkaltet sein müsste ? Wenn ich es umkehre, sehe ich bei den Weissen, die hier leben, viel grössere Armut mitten in ihrem Wohlstand."

    Diese Stelle habe ich mir auch markiert. :thumleft: Es ist auch irgendwie kein Wunder, dass die Weißen so wenig Freude empfinden. Auch wenn sie die schwarze Bevölkerung unterdrücken, verachten und erniedrigen, haben sie Angst vor ihnen. Eine Angst, die man nicht direkt sieht, aber die unter der Oberfläche immer vorhanden ist. Das erklärt auch den Erfolg von Pedros "Wachhunden. (Ein schrecklicher Charakter, übrigens). Einerseits haben sie Angst vor Aufständen. Anderseits macht es ihnen ihre begrenzte Sicht und ihre angebliche Überlegenheit unmöglich die Gebräuche/Kultur der schwarzen Bevölkerung zu verstehen. Das Fremde und Unbegreifliche macht ihnen Angst. Das hat Mankell an einigen Stellen sehr schön aufgezeigt.