Juliette hat etwas Unverzeihliches getan - vor ein paar Jahren tötete sie einen kleinen Jungen. Dafür reichte es bereits aus ihn nur anzufassen, denn sie ist ein Monster und ihre Berührungen enden tödlich. Dabei wünscht sich Juliette nichts sehnlicher, als einmal liebevoll berührt zu werden - Alltag für jeden Menschen, aber ein Ding der Unmöglichkeit für Juliette. Sie wurde weggesperrt, bis die Machthaber einer fast zerstörten Welt ihren Nutzen erkennen und sie als Geheimwaffe missbrauchen wollen. Da erwacht Juliettes Lebenswille und sie will alles dafür geben, dass sie nicht als Marionette der grausamen Machthaber enden wird.
Auf Tahereh H. Mafis Debütroman "Ich fürchte mich nicht" war ich sehr gespannt, da es der Auftakt zu einer Dystopie-Trilogie darstellt und ich diesem Genre immer noch verfallen bin. Zunächst konnte mich der Roman jedoch gar nicht begeistern. Zum einen fehlten mir Informationen über das Setting. Die Welt, in der Juliette lebt, wird kaum beschrieben, es gibt nur dürftige Angaben dazu. Ich hätte mir gewünscht, dass diesem Bereich mehr Beachtung geschenkt worden wäre und dass die Beschreibungen detaillierter gewesen wären. Außerdem fiel es mir unglaublich schwer eine Bindung zur Protagonistin aufzubauen. Gegen Ende wurde es etwas besser, aber so wirklich nahe ist sie mir leider nicht gekommen.
Zitat"Die Erde ist eine Scheibe. Das weiß ich, weil ich vom Rand gestoßen wurde, und seit 17 Jahren versuche mich daran festzuhalten. Seit 17 Jahren versuche ich wieder auf die Scheibe zu klettern, aber man kann die Schwerkraft nicht bezwingen, wenn niemand einem die Hand reicht. Wenn niemand es wagt, einen zu berühren." (Seite 31)
Hinzu kommt auch noch der ungewöhnliche Schreibstil, der dazu geführt hat, dass ich wirklich mit mir kämpfen musste, um das Buch nicht abzubrechen. Zwei Sachen haben mich (um ehrlich zu sein) wirklich genervt. Zum einen werden Adjektive oder auch ganze Satzteile ständig wiederholt (z.B. "Diese blauen blauen blauen Augen aus meinem Kopf zu verbannen, aber ich kenne ihn ich kenne ihn ich kenne ihn, vor 3 Jahren habe ich ihn zuletzt gesehen." [Seite 46]). Dieses zu lesen hat mich sehr angestrengt und ich bin der Meinung, dass es genügend andere stilistische und sprachliche Mittel gibt, um dem Leser zu zeigen, was wichtig ist, als dieses durch ständige Wiederholungen zu machen. Dieser -für mich schwache- Stil wird dann immer wieder abgelöst mit sprachgewaltigen, nahezu poetischen Sätzen (wie z.B. "Meine Welt ist ein Gewebe aus Wörtern, die meine Glieder, meine Knochen und Sehnen, meine Gedanken und Visionen verknüpfen. Ich bin ein Wesen aus Buchstaben, eine Figur aus Sätzen, eine Ausgeburt der Fantasie." [Seite 72]). Die Diskrepanz zwischen diesen Schreibweisen war für mich einfach zu groß, als dass es mir hätte zusagen können.
Das zweite Problem hatte ich damit, dass die Autorin sich dazu entschieden hat, Juliettes Gedanken oft "durchgestrichen" darzustellen, als würde sie sich selbst korrigieren, sich manche Gedanken verbieten oder andere erhoffen. Das hört sich vielleicht interessant an, empfand ich auf Dauer aber leider auch anstrengend (Beispiel: "Ich bin verflucht. Ich habe eine Gabe. Ich bin tödlich. Ich bin das Leben. Niemand darf mich berühren. Berühr mich." [Klappentext]).
Trotz dieser doch recht zahlreichen Barrieren beim Lesen habe ich durchgehalten und wurde dafür belohnt. Die letzten 100 Seiten werden spürbar besser. Diese Wiederholungen und gestrichenen Gedanken tauchen nur noch selten auf und die Geschichte entwickelt sich schneller und interessanter. Aufgrund der Ausgestaltung der Handlung gegen Ende sind zwei weitere Teile, um die Trilogie zu beenden, durchaus gerechtfertigt. Inhaltlich hat es mich am Ende tatsächlich noch packen können und die Autorin ging in eine Richtung, die ich nicht erwartet hatte, aber die mir durchaus zugesagt hat und eine interessante Fortsetzung verspricht. Ich denke, dass ich aufgrund dessen die nächsten beiden Bände, die bereits in Vorbereitung sind, ebenfalls lesen möchte oder mir zumindest vorher eine Leseprobe anschauen werde, um zu prüfen, ob der Stil der ersten Buchhälfte oder eher der letzten 100 Seiten gleicht.
Fazit: Obwohl ich den Roman am Ende doch noch interessant fand, kann ich nur drei Sterne geben, da mich der Schreistil der Autorin in der ersten Buchhälfte extrem abgeschreckt und dadurch mein Lesevergnügen sehr verringert hat. Interessant wird es trotzdem, man muss nur durchhalten und irgendwie mit diesem ungewöhnlichen Sprachstil klar kommen. Ich hoffe, dass dieser in der Fortsetzung nicht zu sehr ausgelebt wird. 3/5 Sterne.
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[*]Gebundene Ausgabe: 320 Seiten[*]Originaltitel: Shatter me[*]