Charlotte Thomas: Das Erbe der Braumeisterin

  • Kurzbeschreibung bei amazon


    Köln, 1260. Die eigensinnige junge Madlen betreibt mit großer
    Begeisterung die vom Vater geerbte Brauerei. Seit früher Jugend hat sie
    alles gelernt, was es über das Bierbrauen zu wissen gibt. Nach dem
    unerwarteten Tod ihres Mannes steht jedoch ihre Zukunft auf dem Spiel:
    Als Witwe darf Madlen nach den Regeln der Zunft die Brauerei nur für ein
    Jahr allein weiterführen, danach droht ihr der Verlust des Braurechts
    und damit ihres ganzen Lebensinhalts - es sei denn, sie verheiratet
    sich wieder. Der ehemalige Kreuzritter Johann scheint kein allzu
    passender Kandidat zu sein, denn er hat eine dunkle Vergangenheit und
    hasst Bier. Aber Madlen kann nicht wählerisch sein ...


    Eigene Beurteilung


    Im Mittelalter waren Frauen tatsächlich in der Brauereibranche tätig, die Zünfte, die sich damals noch nicht "Zünfte", sondern "Bruderschaften" nannten, ließen jedoch ungern Frauen als eigenständige Braumeisterinnen walten. So muss auch die junge Madlen nach dem Tod ihres Mannes Konrad innerhalb eines Jahres einen Braumeister heiraten, um ihren Betrieb weiterführen zu können. Die beiden zur Auswahl stehenden Brauer, von denen einer sogar in sie verliebt ist, sagen ihr nicht zu, so heiratet sie Johann, einen ehemaligen Kreuzritter, den es auf der Suche nach seiner vor Jahren verschollenen Schwester in ihre Schänke verschlagen hat. Johann mag kein Bier, aber er versteht etwas vom Brauen, da er mit seinem schwer verletzten Freund und Kriegsgefährten Veit für einige Zeit in einem Kloster untergekommen war.
    Das Zusammenleben der "unwilligen" Eheleute gestaltet sich nicht einfach, was nicht nur an ihrer anfangs mangelnden Vertrautheit liegt, sondern vor allem daran, dass beide einflussreiche Feinde haben, die Madlen um ihren Besitz und Johann um sein Leben bringen wollen. So erleben Madlen, Johann und ihre Hausgenossen, der Brauereiknecht Caspar, die Lehrjungen Willi und Berni, die Magd Irmla und Madlens betagter Großvater Cuntz allerlei gefährliche Abenteuer. Eine Bedrohung stellen auch die finsteren Spitzbuben dar, die 15 Jahre zuvor Johanns Mutter emordet und seine Schwester vergewaltigt und beinahe getötet haben.


    Die Charakterisierung einiger Romanfiguren tendierte mir ein bisschen zu sehr in Richtung Schwarz-Weiß-Malerei: Johann ist zu heldenhaft geraten, die "Bösen" sind abgrundtief schlecht und Jacop, der Sohn eines weiteren Brauereibesitzers, ist geradezu unglaublich dumm und naiv. Besser gelungen ist die Ausarbeitung der Charaktere der Protagonistin Madlen und des Scharfrichters Hermann, deren Wesen gute und schlechte Eigenschaften zeigt. Madlen ist äußerst tüchtig und fleißig, aber sie ist auch eine eifersüchtige, oft keifende Schreckschraube...


    Sehr interessant sind die Fakten, die der Leser über die mittelalterliche Bierbrauerei erfährt. Lange vor der Einführung des Reinheitsgebots wurden dem Bier allerlei Kräuter, teilweise sogar Bilsenkraut, beigefügt und nicht selten gab es aus Aberglauben heraus auch wenig appetitliche Zusätze wie den Finger eines Toten oder Pisse. Die Autorin hat hier offenbar sehr gründlich recherchiert und dem Roman neben einem Glossar mittelalterlicher Begriffe auch noch ein Nachwort mit "Details zur Kölner Biergeschichte" beigefügt.


    Der Erzählstil von Charlotte Thomas hat mir sehr gefallen. In den relativ kurzen Kapiteln, die sich auf vier große Teile verteilen, erzählt sie ansprechend, flüssig und oft auch spannend, sodass man das Buch zügig lesen kann. Wäre es kein Roman, sondern ein Wein, könnte man ihn als "süffig" bezeichnen. :wink:


    Für Freunde historischer Romane, die im Anspruch über die gängigen "Die ...in"- Titel hinausgehen, die aber gleichzeitig nicht so schwierig sind, dass sie zusätzliche Recherchen des Lesers erfordern, sondern vor allem der guten Unterhaltung dienen, vergebe ich eine Leseempfehlung.
    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Wäre es kein Roman, sondern ein Wein, könnte man ihn als "süffig" bezeichnen. :wink:

    Was für eine schöne Beschreibung :anstossen: Auch ein Bier kann übrigens süffig sein :wink: Auf jeden Fall wandert dieses Buch nach deiner Empfehlung direkt auf die Wunschliste - schließlich darf es auch gern mal einfach "nur" Unterhaltung sein.

    Gelesen in 2024: 7 - Gehört in 2024: 5 - SUB: 598


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Danke, für deine Rezi, war schon sehr gespannt darauf. Ich hatte das Buch schon auf der Wunschliste, da mir aber "Die Liebenden von San Marco" von der Autorin nicht so gut gefallen hat, war ich mir nicht ganz schlüssig, ob das Buch was für mich ist. Habe von der Autorin bisher 2 Bücher gelesen, von denen mir eins eben sehr gut gefallen hat, das andere hingegen fand ich nicht so toll.
    Aber das Thema des Bierbrauens interessiert mich, auch finde ich es schön, dass von der Autorin mal ein Roman nicht in Italien/Venedig spielt, sondern in Deutschland.
    Nach deiner Rezi bleibt das Buch zumindest auf der Wuli, ich werde aber wohl noch auf die Taschenbuchausgabe warten.


    Liebe Grüße
    Rapunzel

    Wir brauchen Geschichten.
    Wer möchte denn nur ein Leben führen, wenn er das von vielen besuchen kann?
    Sabrina Qunaj - Das Blut der Rebellin

  • Ich hatte das Buch in diese "...-in"-Katergorie gepackt.

    Es dient zwar eher der leichteren Unterhaltung und ist sicher nicht so anspruchsvoll wie z.B. die Romane der Shardlake-Serie von C.J. Sansom oder die Bücher von Tilman Röhrig, aber es ist meinem Empfinden nach von höherem Niveau als die sonst auf dem Markt gegenwärtigen Wanderhuren, Hebammen etc. und die Protagonistin zieht nicht ein einziges mal Männerkleider an! :mrgreen:
    Ich habe mich jedenfalls wirklich gut unterhalten gefühlt.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
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  • ... sehr schön. Wieder was für meinen Geschmack ! Und ab auf die Wunschliste
    Danke €nigma für die tolle Rezi. :thumleft:

    Liebe Grüße Hedi :love:

    “Wenn du einen Garten und dazu noch eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen.”
    Cicero

  • ... sehr schön. Wieder was für meinen Geschmack ! Und ab auf die Wunschliste<BR>Danke €nigma für die tolle Rezi.&nbsp;&nbsp;<IMG title="Daumen Hoch" alt=:thumleft: src="http://www.buechertreff.de/wcf/images/smilies/smile52.gif" wcf_src="http://www.buechertreff.de/wcf/images/smilies/smile52.gif">&nbsp;

    Liebe Grüße Hedi :love:

    “Wenn du einen Garten und dazu noch eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen.”
    Cicero


  • Es dient zwar eher der leichteren Unterhaltung und ist sicher nicht so anspruchsvoll wie z.B. die Romane der Shardlake-Serie von C.J. Sansom oder die Bücher von Tilman Röhrig, aber es ist meinem Empfinden nach von höherem Niveau als die sonst auf dem Markt gegenwärtigen Wanderhuren, Hebammen etc. und die Protagonistin zieht nicht ein einziges mal Männerkleider an! :mrgreen:
    Ich habe mich jedenfalls wirklich gut unterhalten gefühlt.

    Das ist schon mal sehr gut! :loool:


    Ich habe es mal auf dem Sucher. Auf jeden Fall finde ich die richtigen Charlotte Thomas Romane eindeutig besser als die anderen Genres, die sie unter anderen Pseudonymen bedient.

    Ich schlief und träumte, das Leben sei Freude. Ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht. Ich handelte und siehe, die Pflicht ist Freude!
    Rabindranath Tagore (1861-1941)


    Lha gyal lo - Free Tibet!

    Wir sind grüüüüüün!!!!

  • als die anderen Genres, die sie unter anderen Pseudonymen bedient.


    Ich wusste gar nicht, dass sie noch etwas anderes schreibt als historische Romane. Was schreibt sie denn noch?
    Mein ältester Sohn hat mir letzte Woche "Das Mädchen aus Mantua" geschenkt, das dem Klappentext nach sehr interessant klingt, zumal es auch medizingeschichtliche Themen beinhalten soll.

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  • Der richtige Name von Charlotte Thomas ist Eva Völler, unter diesem Namen schreibt sie Frauenromane und Jugendbücher.
    Als Elena Santiago hat sie kürzlich einen Karibik-Auswanderer-Roman geschrieben, weitere Pseudonyme von ihr sind Francesca Santini, Sybille Keller, Anne Sievers und Paula Renzi.


    Ich habe von ihr bisher Die Madonna von Murano gelesen und habe mich gut unterhalten gefühlt, der Anspruch war jetzt nicht soo hoch, aber es hat mir ganz gut gefallen. Zwei weitere Bücher von ihr liegen schon im SUB.


    Von Das Erbe der Braumeisterin war ich bisher immer ein wenig zurückgeschreckt, da es irgendwie so gar nicht in das Bild passen will, dass ich bisher von den Thomas-Romanen habe, die ja bis zu diesem Roman alle in "Italien" spielen. Auch ich habe diesen Roman immer in die "Die . ..in"-Schublade gesteckt... Ich werde mir diesen Roman jetzt doch einmal genauer anschauen und ihn mir dann wohl besorgen, wenn er günstiger zu haben ist. Vielen Dank für die Rezi!

  • Der richtige Name von Charlotte Thomas ist Eva Völler, unter diesem Namen schreibt sie Frauenromane und Jugendbücher.
    Als Elena Santiago hat sie kürzlich einen Karibik-Auswanderer-Roman geschrieben, weitere Pseudonyme von ihr sind Francesca Santini, Sybille Keller, Anne Sievers und Paula Renzi.

    ...und als Ina Hansen soll es sie auch noch geben. Mannohmann, mit so vielen Identitäten würde ich nicht klar kommen.

  • @ Rissa
    danke für die Infos. Wieso hast Du keinen "Bedanken" Button, aber trotzdem Danksagungen? :-k


    Die Bücher, die Charlotte Thomas unter anderen Pseudonymen geschrieben hat, fallen nicht in mein Beuteschema, insofern brauche ich mich um diese ganzen Namen nicht mehr zu kümmern. :wink:

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    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Gern geschehen!
    Mir geht es genauso, ihre historischen Romane als Charlotte Thomas interessieren mich schon sehr, vielleicht noch am Rande das von Elena Santiago, doch alle anderen sprechen mich überhaupt nicht an. Trotzdem ist es interessant zu wissen, was die Frau denn so alles schreibt, denn dieses Jahr sind von ihr schon drei Bücher erschienen. Da frage ich mich, wo sie die Zeit her nimmt, dann auch noch ordentlich zu recherchieren. Doch wenn du sagst, dass dies kein 08/15-Roman ist glaube ich dir sofort!


    Der Button war übrigens einfach irgendwann weg, und ich finde in meinen Einstellungen keine Möglichkeit, das wieder einzustellen. Da muss ich vielleicht mal Mario fragen...

  • Ich möchte mich auch bei dir für die Infos bedanken.


    Mann, sind das viele Indentitäten! Da fragt man sich echt, wo sie die Zeit zum Schreiben hernimmt. Hoffentlich trifftet die Qualität mal nicht so ab, wie beim Ehepaar Lorentz, die ja auch massig Bücher auf den Markt werfen.


    Liebe Grüße
    Rapunzel

    Wir brauchen Geschichten.
    Wer möchte denn nur ein Leben führen, wenn er das von vielen besuchen kann?
    Sabrina Qunaj - Das Blut der Rebellin

  • Danke für diese tolle und spannende Rezension.
    Da ich schon lange keinen historischen Roman mehr gelesen habe, ist dieses sofort auf meine Wunschliste gelandet.

    3 gel. Bücher
    1084
    gel. Seiten
    Ich lese gerade Der Traum der Hebamme (Sabine Ebert),Blutrote Schwestern (Jackson Pearce)

  • Ich habe den Roman gerade beendet und er hat mir ausgezeichnet gefallen.


    Ich liebe historische Romane, die in Köln spielen. Ich gehe gern durch die Kölner Alt- bzw. Innenstadt und wandle auf den Spuren der mittelalterlichen Protagonisten. Wenn ich das nächste Mal in der Hauptstelle der Stadtbibliothek am Neumarkt bin, werde ich mal die Schildergasse ganz durchschlendern und schauen, wo Madlen's Braustube gestanden haben könnte...


    Allerdings hat mich etwas in der Mitte des Buches (Seite 182-83) aber sehr irritiert und ich konnte mich eine ganze Weile nicht auf den Fortgang der Geschichte konzentrieren:
    Madlen ist mit Veit im Badehaus und sitzt da einem Pilger gegenüber, der ihr seine duftende Seife aus Venedig zur Nutzung überläßt. Dieser Pilger "...hatte in Santiago de Compostela am Grab des Apostels gebetet, IN FATIMA ZUR MUTTERGOTTES, in Venedig zu den Gebeinen des heiligen Markus ...". Wie kann so etwas angehen?? Die Marienerscheinung von Fatima gehört ins 20. Jahrhundert und nicht ins Mittelalter!! Ich verstehe nicht, wie so ein Anachronismus einem ordentlichen Lektorat entgehen kann!


    Ich weiß nicht, wie Ihr darüber denkt; aber mich stören solche Anachronismen doch sehr!


    Trotz dieses Fauxpas vergebe ich für die kurzweilige Beschreibung der Kölner Brautradition :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb: Sterne!

    Die Erfindung des Buchdruckes ist das größte Ereignis der Weltgeschichte (Victor Hugo).