Neal Shusterman - Die Flucht / Unwind

  • Wieviel medizinischer Fortschritt ist ethisch und moralisch vertretbar?


    Dank Amazon Vine wurde ich auf das dystopische Jugendbuch "Vollendet" von Neil Shusterman aufmerksam. Aus den Restenewsletter konnte ich mir eins der letzten Rezensionsexemplare bestellen. Nun habe ich das Buch innerhalb kürzester Zeit ausgelesen und sitze hier, mit einem dicken Kloß im Hals und ganz vielen, teils auch strittigen, Gefühlen in mir.


    In einer düsteren Zukunft...


    ... gibt es keine Abtreibungen mehr, dafür aber überfüllte Waisenhäuser und ein Gesetz, welches es erlaubt, Jugendliche zwischen 13 und 18 umwandeln zu lassen. Die Umwandlung heißt konkret, dass jedes Teil des betreffenden "Wandlers" zu 100% als Organspende verwertet wird und dieser daher streng genommen weiterlebt, nur eben nicht als er selbst, sondern in Einzelteilen in vielen verschiedenen Menschen.


    Connor, Risa und Lev kommen aus grundverschiedenen Gesellschaftsschichten. Alle drei sind für die Umwandlung vorgesehen. Dass sie aufeinander treffen ist Zufall, doch was sich aus diesem Zufall entwickelt, ist interessant und unheimlich spannend zu lesen.

    Eine Welt voller Humanersatzteile und ausgesetzter Babys


    Am Anfang des Buches ist in Kurzform die "Charta des Lebens" dargestellt, also die Ist-Situation und wie es dazu kam. Es ist schon ein wenig fragwürdig, dass tatsächlich nur Abtreibungsgegner und Abtreibungsbefürworter einen solchen Konflikt heraufbeschworen haben sollen und dann zu diesem Ergebnis gekommen sind.


    Aber das Szenario an sich, dass ein solches Gesetz irgendwann beschlossen werden könnte, ist für mich anhand der aktuellen Verknüpfungen von Politik, Wirtschaft und Kirche(n), der steigenden Nachfrage nach Spenderorganen und dem real dafür existierenden "Markt" durchaus vorstellbar. Gerade in den letzten Wochen ging ja das Thema Organspenden auch oft durch die Medien. Jedes Jahr sterben in Deutschland ca. Tausend Menschen, weil sie nicht rechtzeitig ein Spenderorgan bekommen. Zukünftig sollen alle Bürger über 16 Jahre immer wieder zu ihrer Organspende-Bereitschaft befragt werden.


    Die Hauptcharaktere führt der Autor einzeln und damit in verschiedenen Handlungssträngen, die erst einmal gar nichts miteinander zu tun haben, ein. Unter dem Hintergrund der grausigen Charta sind mir alle drei sofort sympathisch. Eigenartigerweise konnte ich mir die Szenarien bei Risa und Lev sofort vorstellen, bei Connor allerdings wollte ich aufschreien. Dazu muss ich sagen, dass das Umfeld von Connor meinen eigenen Lebensumständen am nächsten kommt und ich mir einfach nicht vorstellen könnte, einen meiner beiden Söhne nicht genauso wie sie sind haben zu wollen.


    Beide sind der Pubertät zwar mittlerweile entwachsen, das aber noch nicht lange genug, um mich nicht mehr an die kleinen und großen Probleme dieser Zeit zu erinnern. Aber egal was sie alles angestellt haben, welche Konflikte es zwischen uns gab und wie viele graue Haare ich in dieser Zeit bekommen habe, nichts davon war so schlimm, dass ich sie nicht mehr geliebt oder sie anderswo hin gewünscht hätte. Für mich persönlich wäre es also absolut unvorstellbar, eins meiner Kinder freiwillig umwandeln zu lassen.


    Aber ist das für den Pubertierenden selbst, der nicht weiß wohin mit seinen Hormonen und sich von Erwachsenen, den eigenen Eltern erst recht, sowieso nur unverstanden fühlt, genauso unvorstellbar? Ich persönlich denke zwar ja, kann mir aber durchaus vorstellen, dass die Motivation der Eltern, den Umwandlungsvertrag zu unterschreiben, von dem in Südkalifornien lebenden Autor, der selbst Vater von vier Kindern ist, bewusst nicht konkret ausgesprochen wurde. So kann das nämlich, falls sowohl Pubertierende als auch Eltern dieses Buch lesen, beiden Seiten Anregung sein, über ihr Miteinander in dieser schwierigen Zeit nachzudenken und vielleicht sogar Motivation daran zu arbeiten. Denn in der Realität ist es ja doch so, dass nicht nur Jugendliche in dieser Zeit Fehler machen.


    Ich jedenfalls klebte von Anfang bis Ende an dieser flüssig zu lesenden, in der dritten Person erzählten Geschichte und die kleinen bislang von mir erwähnten Unklarheiten regten mich eher zum Nachdenken an, als dass sie mich ärgerten. Schon allein mit den grundverschiedenen Protagonisten schaffte der Autor es, mein Interesse am Kommenden wach zu halten. Ihre Erlebnisse, Reaktionen und Entwicklungen weiteren Verlauf der Handlung fand ich dann richtig spannend und auch lehrreich. Im Laufe der Zeit gesellten sich natürlich weitere Charaktere mit verschiedensten Charaktereigenschaften hinzu. Ich erlebte bis zum packenden Finale große Hilfsbereitschaft, aber auch Egoismus, Machtgier und völlige Abgedrehtheit. Das Ende erinnerte mich ein bisschen an die Zeit kurz vor der von mir selbst vor mittlerweile 23 Jahren erlebten friedlichen Revolution.


    Ein Szenario wie in dieser fiktiven Geschichte wünsche ich mir niemals. Für Menschen, die zum Überleben ein Spenderorgan benötigen wünsche ich mir persönlich zwar, dass mehr Menschen als bisher nach ihrem Tod ihre Organe zur Verfügung stellen. Trotzdem drängt sich in mir auch die Frage auf, wie viel medizinischer Fortschritt ist ethisch und moralisch vertretbar?


    Noch mal kurz zur Abtreibungsproblematik. Im Nachgang meiner Gedanken zu diesem Buch finde ich diese als Aufhänger für die Charta und das ganze Szenario im Rahmen eines Jugendbuches vom Autor doch nicht ganz so falsch gewählt. Wenn es nämlich die Zielgruppe dazu anregt auch über das Thema nachzudenken, ist es eigentlich sogar ein genialer Schachzug. Denn dann denkt die Zielgruppe vielleicht auch gleichzeitig über das Thema Verhütung nach und dass im Grunde genommen heutzutage ungewollte Schwangerschaften bei aufgeklärten Jugendlichen gar nicht mehr passieren müssten.


    Alles in Allem hat mir dieses Buch richtig gut gefallen und ich kann sowohl für die Zielgruppe, Jugendliche zwischen 14 und 17, als auch für Erwachsene eine Leseempfehlung abgeben. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Vielen Dank für die Rezension!
    Ich hätte das Buch auf Grund des Covers für einen Krimi oder Thriller gehalten, aber die Geschichte klingt schon extrem.
    Eine seltsame Definition von Leben... :scratch:


    Das englische Original heißt übrigens "Unwind".

    "All we have to decide is what to do with the time that is given to us."

  • Der tollen Rezension von antjemue ist eigentlich fast nichts mehr hinzuzufügen :thumleft: . Das Tolle an diesem Buch ist, dass man anfangs regelrecht geschockt wird und gezwungen wird, nachzudenken. Als man von der Umwandlung erfährt will man es nicht so wirklich wahrhaben, was das nun genau ist obwohl man es schon ahnt. Über 99% des Körpers werden für andere Menschen genutzt und der arme Wandler wird vollkommen zerstückelt. Und dafür sollen Eltern freiwillig ihre Kinder hergeben, nur weil sie ein paar Probleme mit ihnen haben? Und dann wird den Betroffenen auch noch eingeredet, dass sie ja weiterleben, nur eben in anderer Form? Dem Staat unterstellte Kinder werden umgewandelt weil sie keinen so großen Nutzen für die Gesellschaft haben und z.B. nicht so gut Klavier spielen wie andere Kinder? Und manche Eltern geben aus religiösen Gründen ein sogenanntes "Zehntopfer"? Puh, ich musste wirklich ganz tief durchatmen. Das war ein sehr deftiger Beginn, den es erst einmal zu verdauen galt.


    Dann ging das Buch zunächst in ein typisches "Auf-der-Flucht"-Szenario über, was zwar teilweise schon spannend war, mich aber nicht wirklich vom Hocker gerissen hat. Man lernt zwar nach und nach die drei Protagonisten besser kennen, aber noch hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Als die Jugendlichen an einem bestimmten Ort ankommen und erst einmal sesshaft werden (wo und wie will ich nicht sagen um nicht zuviel Spannung vorwegzunehmen) wird es allerdings viel, viel besser und "Vollendet" wird zu einer absolut starken Dystopie für Jugendliche. Ich finde ebenfalls, dass das Buch auch sehr gut für Erwachsenen geeignet ist, die nichts gegen ein gutes Jugendbuch haben, denn die Charaktere wirken ziemlich erwachsen und auch das Thema an sich ist, wie schon beschrieben, ziemlich deftig.


    Eine weitere Stärke sind die tollen Charaktere. Nicht nur die Hauptakteuere Connor, Risa und Lev, sondern vor allem die Nebencharaktere sind hervorragend geworden, allen voran der gewalttätige Roland, bei dem man nie so richtig weiß, woran man bei ihm ist.
    Ich war ziemlich verwundert, da ich ja von einer Fortsetzung gewusst habe und das Buch eigentlich schon ein Ende hat, das man auch so bezeichnen konnte. Der Nachfolger "Unwholly" erscheint übrigens in den nächsten Tagen und ein kurzer Blick in den Inhalt zeigt, dass dieser von anderen Personen handelt.

    Fazit:
    Auch wenn der Handlungsverlauf leichte Schwächen zeigt, ist Neal Shusterman mit "Vollendet" eine spannende und auf Grund seines krassen Themas auch ziemlich verstörende Dystopie gelungen. Zu empfehlen! :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Vielen Dank für eure Rezis, antjemue und Kapo! :thumleft: Das Buch klingt einfach nur krass! Natürlich habe ich es auf die Wunschliste gesetzt. :wink:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • Zitat:


    Meine Meinung:
    Das Buch ließ sich trotz des sehr schweren Themas sehr flüssig lesen.Die Vorstellung hatte jedoch immer abwechselnd etwas ekelerregendes und etwas grausames. Jugendliche, die ihren Eltern nicht mehr genehm sind, sie Ärger machen, die keine Eltern haben, werden zur "Umwandlung" freigegeben und müssen sich auf den Weg ins Ernte-Camp machen. Jugendliche, die im Sorgerechtsstreit zwischen die Fronten geraten werden lieber zur Umwandlung geschickt, als dass einer der beiden Elternteile nachgibt. Im Ernte-Camp wird 99,4 % ihres Körpers in seine Einzelteile zerlegt und für andere Menschen weiterverwendet. Allein schon dieser Ausdruck "Ernte-Camp", wie ein Ferienlager, als Name für ein Lager in dem Jugendliche ermordet werden. Furchtbar!


    Ansatzweise verstehen konnte ich Lev und seine Familie. Auch wenn der Gedanke sein Kind als zehnten Teil zu geben sehr befremdlich auf mich wirkte, so wurde dieses Thema gut herausgearbeitet. Die Gesellschaft der Zukunft gibt nicht mehr nur den zehnten Teil des Einkommens, sondern auch das zehnte Kind. Lev ist von Kleinkind auf in dem Glauben erzogen worden und so erscheint es nur natürlich, dass er sich zunächst würdevoll auf den Weg ins Ernte-Camp macht.


    Connor und Risa wuchsen mir sofort ans Herz. Zwei starke Teenager, die jeder für sich und doch auch gemeinsam für ihr Leben kämpfen. Die sich nicht aufgeben und bereit sind sich auch für andere einzusetzen. Ich habe mit ihnen gefiebert, mit ihnen gehofft und auch mit ihnen geweint. Ja, dies war mal wieder ein Buch an dem an einigen Stellen Tränen flossen.


    Dies war allerdings auch ein Buch bei dem der Ekel an einer Stelle (als eine Umwandlung geschildert wird) so groß wurde, dass ich fast nicht mehr weiterlesen konnte. Spannend geschrieben und für die Geschichte notwendig. Allerdings auch sehr abstoßend.


    Insgesamt fehlte mir allerdings die Auseinandersetzung der Gesellschaft mit dem Thema der "Umwandlung". Welche Auswirkungen hat es auf die Eltern wenn sie ihr Kind zur Umwandlung angemeldet haben? Wie gehen die Jugendlichen damit um zur Umwandlung freigegeben zu sein? Wie können sie sich überhaupt dazu herablassen ihre Kinder nachdem diese sie 13 oder mehr Jahre aufgezogen haben einfach zum sterben freigeben? Alles in allem wurde mir das Thema etwas zu oberflächlich behandelt. Aus diesem Grund schrammt das Buch an 5 Federn vorbei und erhält gute 4 Federn.


    Ich würde das Buch Lesern erst ab 17 oder 18 Jahren empfehlen. Alles andere ist meiner Ansicht nach viel zu früh um mit diesem doch sehr schwierigen Thema fertig zu werden. 14 Jahre, wie bei Amazon angegeben finde ich viel zu früh.

    Gruß
    Yvonne

    Nicht die haben die Bücher recht lieb, welche sie unberührt in den Schränken aufheben, sondern, die sie Tag und Nacht in den Händen haben, und daher beschmutzet sind, welche Eselsohren darein machen, sie abnutzen und mit Anmerkungen bedecken.
    (Erasmus von Rotterdam)

  • Dieses Buch ist eine wirklich mitreißende Dystopie! Ich war vom Anfang bis zum Ende total gefesselt! Thema sind die grausamen Methoden einer utopisch-futuristischen Gesellschaft, in der unerwünschte oder unpassende Kinder ab dem 13. bis zu ihrem 18. Lebensjahr noch "abgetrieben" werden können. Ihre sämtlichen Organe und Körperteile werden anderen Menschen, die sie brauchen (und bezahlen können), transplantiert. Das nennt man dann "Umwandlung", was aber nichts an der Tatsache ändert, daß diese Kinder dafür getötet, ja regelrecht ausgeschlachtet werden. Beschönigend spricht man auch von "Veränderung", da ja Teile von ihnen, wenn auch in anderen Menschen, weiterleben...
    Beschrieben werden drei Einzelschicksale von Jugendlichen, die für eine Umwandlung vorgesehen sind und vorher fliehen können.


    Die Handlung ist an einigen Stellen actionreich und mit überraschenden Wendungen, an anderen wieder sehr nachdenklich stimmend und sogar philosophisch. Wie ich finde, genau in der richtigen Mischung.
    Der Schreibstil ist sehr mitreißend und flüssig, so daß man sofort mit den Hauptpersonen mitfühlen kann. Besonders gefällt mir, daß genau erzählt wird, wie es in einem Ernte-Camp (Umwandlungsklinik) zugeht und man sozusagen "live" bei einer Umwandlungsoperation dabei ist - Gänsehautstelle!!!
    Auch wenn die Handlung eine Utopie ist, bekommt man beklemmende Gefühle beim Lesen, da das Thema Organnspende ja gerade wieder negativ in die Schlagzeilen geraten ist.


    Ein hochaktuelles und brisantes Thema in einen fesselnden Roman verpackt - besser geht's nicht!

    Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht.


    Abraham Lincoln


    :study: 2014 gelesene Bücher: 162


    :study: aktueller Lesestoff: Die Thronerbin / Karen Miller

  • Ich habe das Buch in den letzten Tagen gelesen und fand es ebenfalls sehr gut, auch wenn ich einige Kritikpunkte habe.

    Dass sie aufeinander treffen ist Zufall, doch was sich aus diesem Zufall entwickelt, ist interessant und unheimlich spannend zu lesen.

    Diese vielen kleinen Zufälle in diesem Buch fand ich wirklich toll. Die Geschichte ist sehr einfallsreich konstruiert und der Autor hat sie sehr abwechslungsreich und überraschend gestaltet. Das fängt damit an, wie die drei Hauptcharaktere zueinander finden, aber auch später gibt es immer wieder diese besonderen Zufälle, das hat mir wirklich gut gefallen. :thumleft:

    Als die Jugendlichen an einem bestimmten Ort ankommen und erst einmal sesshaft werden (wo und wie will ich nicht sagen um nicht zuviel Spannung vorwegzunehmen) wird es allerdings viel, viel besser und "Vollendet" wird zu einer absolut starken Dystopie für Jugendliche.

    Da ging es mir genau andersrum, Kapo. :wink: Bis zu dem Punkt, den du hier meinst, fand ich das Buch wirklich total klasse und hatte nichts daran auszusetzen. Aber ab diesem Punkt wurde es für mich dann zu zäh. Klar, es war immer noch interessant und es hat mich auch weiterhin interessiert, was aus den Kids wird. Aber irgendwie hat mir das Besondere gefehlt, denn solche Szenen, wie sie sich ab diesem Punkt entwickeln, mit diesen Machtspielchen und Intrigen - das war mir irgendwie zu öde.


    Ich musste bei einigen Szenen schon wirklich schlucken, das Buch ist teilweise ziemlich harter Tobak. Vor allem die detailliert beschriebene

    oder die Idee des

    fand ich echt heftig und das ist mir sehr an die Nieren gegangen. Auch der Hintergrund des ganzen Buches, Abtreibungen zu verhindern, und was schließlich daraus wurde, ist echt krass. Aber wie gesagt: Ab der zweiten Hälfte ungefähr wurde mir das Buch zu gewöhnlich und irgendwie auch zu ruhig. Es passiert zwar immer noch in jedem Kapitel etwas, aber auf einer anderen Ebene, was mir dann doch wieder zu unspektakulär war.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • Ich muss auch sagen, dieses Buch ist nur "nur" ein Jugendbuch das man eben mal liest. Es handelt um einige schreckliche Themen um die wir uns im heutigen Zeitalter (Gott sei Dank) keine Sorgen machen müssen. Aber ist das alles evtl. sogar eine Zukunftsvision, hat man irgendwann wirklich die Möglichkeit dazu und kann somit „Problemkinder“ aus der Welt schaffen?


    In diesem Buch können Eltern, die mit Ihren Kindern unzufrieden sind umwandeln lassen. Etwas was sich erst mal nicht weiter tragisch anhört, immerhin leben die Kinder weiter. Doch es ist mehr als das, den Kindern werden alle Körperteile entnommen und anderen Menschen eingepflanzt.
    Auch das Thema „storchen“, auf das ich hier nicht näher darauf eingehen werde, so was muss man selbst lesen, kommt darin vor und regt einem zum nachdenken an.


    Das Buch begeistert einen auf eine Art und Weise, schockiert aber auch. Eine Mischung die einen ab und an sprachlos zurück lässt. Wer also Lust darauf hat, sich in eine völlig andere Jugenddystopie einzulesen, wird mit diesem Buch genau richtig sein, auf jeden Fall empfehlenswert und beschert den Leser einige gute Lesestunden.


    Die Charaktere haben mich alle ziemlich schnell überzeugt, die Handlung fand ich durchweg spannend und den Schreibstil sehr angenehmen, so das man flüssig und schnell durch das Buch kam.

    Es geht uns mit Büchern wie mit den Menschen. Wir machen zwar viele Bekanntschaften, aber nur wenige erwählen wir zu unseren Freunden.

  • Um den Krieg in den USA in einer nicht allzu fernen Zukunft zu beenden, würde die "Charta des Lebens" verabschiedet. Diese besagt, dass das menschliche Leben von der Zeugung bis zum dreizehnten Lebensjahr unantastbar ist. Im Alter von dreizehn bis achtzehn Jahren können diese Jugendlichen jedoch rückwirkend abgetrieben werden. Dabei werden sie nicht umgebracht, sondern als "Wandler" recycelt. Ihre Körperteile werden also wie Einzelteile bei einem Fahrzeug an viele verschiedene Menschen weitergegeben. Die Gründe für diese Umwandlung sind zahlreich.


    Es trifft zum Beispiel rebellische Jugendliche wie den 16-jährigen Connor, der ständig Ärger mit seiner Familie hat und sich in der Schule prügelt. Genauso kann es aber angepasste Jugendliche treffen wie Risa, die sich eigentlich gut macht, aber Sparmaßnahmen eines Waisenhauses zum Opfer fällt, da sie nicht so viel Potential zu haben scheint, wie andere Waisen. Auch Lev trifft es. Er ist das zehnte Kind seiner Eltern und somit war von seiner Geburt an klar, dass er mit dem 13. Geburtstag als Zehntopfer zur Umwandlung gebracht werden wird. So erwartet es die Religion seiner Familie.


    "Vollendet" ist der erste Band der "Unwind"-Reihe des amerikanisches Autors Neal Shusterman. Mit dieser Dystopie konnte mich der Autor sofort in seinen Bann ziehen. Die Protagonisten Connor, Risa und Lev werden in den ersten drei Kapiteln eingeführt und auch wenn sich deren Wege sehr schnell kreuzen, bleiben alle drei Figuren unabhängig von einander interessant und Shusterman berichtet hauptsächlich abwechselnd aus allen drei Perspektiven. Ab und an greift er jedoch auch auf die Sicht von Nebenfiguren zurück, um das Gesamtbild abzurunden und dem Leser einen besseren Einblick in die Lebenssituation der Menschen zu geben. Es ist mir sehr leicht gefallen in diese Geschichte einzutauchen und ich war sofort von der Grundidee gefesselt. Sie ist als fiktive Romanidee unglaublich interessant und spannend. Trotzdem schwebt die ganze Zeit der Gedanke im Hintergrund, dass die Story gar nicht so abwegig ist, wenn man an die Zukunft denkt, und dann wirkt die Handlung einfach nur erschreckend. Ich konnte mich diesem Bann, dieser Faszination jedenfalls nicht entziehen und dank des rasanten Buches ging eine mehrstündige Bahnfahrt sehr schnell vorbei.


    Der einfache, aber nicht niveaulose Schreibstil hat mir sehr gefallen. Shusterman ist es bestens gelungen mir Umgebungen und Personen bildlich zu beschreiben, ohne dass er sich dabei in zu ausführlichem Geplänkel verliert. Genauso erging es mir mit den Protagonisten. Alle drei sind unterschiedlich, auch wenn sie Gemeinsamkeiten teilen, und wirken für ihre jeweilige Lebenserfahrung authentisch. Begeistert hat mich auch, dass Shusterman sich nicht nur auf die geniale Idee des Umwandelns verlassen hat, sondern seiner fiktiven Zukunftswelt noch weitere Facetten verliehen hat, wie z.B. das Storchen. Außerdem fand ich die letzten Anmerkungen sehr interessant, auf denen man erfährt, dass einiges aus seinem Roman gar keine Zukunftsmusik ist, sondern auf Tatsachen basiert. Ich habe mich die ganzen 432 Seiten mehr als unterhalten gefühlt und freue mich nun schon auf die Fortsetzung "Der Aufstand", die bereits erschienen ist.


    Fazit: "Vollendet" ist wie ein unglaubliches Buch. Es überzeugt mit tollen Charakteren und einer Geschichte, die fesselt und schockiert, aber auf alle Fälle zu unterhalten weiß. Daher gibt es eine absolute Leseempfehlung an Dystopiefans, die nichts dagegen haben, wenn die Story nicht weichgespült ist und die ihr Kopfkino durch Bücher anregen lassen. 5/5 Sterne.


    • Gebundene Ausgabe: 432 Seiten
    • Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 14 Jahren
    • :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:
  • Ein tolles Buch, das mich von der ersten bis zur letzten Seite fesseln konnte. Die Charaktere konnten mich weitgehend überzeugen und ich findes es gut, dass Shusterman auch jeweils eine Hintergrundgeschichte liefern konnte. Dadurch fällt es einem leichter, sich in die Gedankenwelt der Protagonisten hinein zu versetzen.


    Die Handlung des Buches beschreibt eine Gesellschaft, wie sie in (vielleicht in allzu ferner) Zukunft sein könnte. Dabei bedient sie sich extremer Bilder, die den Leser auch nach der Lektüre noch beschäftigen können. Zumindest geht es mir so. Der illegale Handel mit menschlichen Organen/Körperteile ist in Teilen der Welt leider Gottes keine Fiktion. Es werden Menschen getöten, um ihnen Organe zu entnehmen und diese zu verkaufen. :thumbdown: Shusterman geht in seinem Buch auch darauf ein.
    Erschreckend war für mich in diesem Zusammenhang nicht allein die Tatsache, dass Shusterman in seinem Buch diesen Handel ohne Zustimmung der betroffenen "Spender" in höchstem Maße kommerzialisiert und auch gesellschaftlich legitimiert hat. Was mich am meisten ins Grübeln bringt sind die Rechtfertigungsgründe für die "Umwandlungen" und wie sie den betroffenen Jugendlichen gegenüber immer wieder als durchweg positiv "verkauft" werden. Könnte eine Gesellschaft in der Zukunft wirklich so denken und handeln? :-k


    Ich habe das Buch in englischer Sprache gelesen und würde die Originalausgabe vorbehaltlos empfehlen. Das Englisch ist gut und leicht verständlich, da es sich um ein Jugendbuch handelt. Potential hat es jedoch auch für Erwachsene.
    Einen halben Stern ziehe ich ab, weil mir das Ende des Buches allzu schnell ging und es mir auch etwas zu positiv war, v. a. bezogen auf das heiße Thema und die Tragik davor. Hier hatte ich einfach etwas mehr (oder vielleicht auch etwas anderes) erwartet, als der Autor liefern konnte. Das ändert jedoch nichts an der sonst uneingeschränkten Empfehlung, die ich für das Buch aussprechen kann. :thumleft:


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:


    Danke an dieser Stelle nochmal an meine Wichtelmama, Hypocritia, die das Buch anlässlich des Weihnachtswichtelns 2013 für mich ausgesucht hat. :kiss:

  • Nachdem mir der erste Teil dieser Dystologie vorgeschlagen wurde und ich hier die positiven Rezensionen gelesen habe, musste ich mir als Dystopie Liebhaber dieses Buch besorgen.


    Im ersten Moment kam mir die Geschichte ein wenig weit hergeholt vor und nicht vollkommen realistisch. Als ich jedoch weiter las und länger darüber nachdachte, hat sich meine Meinung sehr verändert. Die im Buch vorkommenden Themen sind nicht nur realistisch sondern auch allgegenwärtig.


    1. Ausgesetzte Kinder ("Storchen"):
    Bevor es möglich war abzutreiben, gab es ein sehr großes Problem mit ausgesetzten Kindern. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden in manchen europäischen Städten bis zu 30 % der geborenen Kinder in Findelhäusern abgegeben . Damals konnten sich manche Menschen keine Kinder leisten und haben sie abgegeben um das eigene Leben und vielleicht auch das Leben anderer Kinder zu gewährleisten. Die in der Dystopie geschilderte Situation ist nicht viel anders.
    Die Lage in Lateinamerika war Anfang des 20. Jahrhunderts noch prekärer. Damals wurden nicht nur Neugeborene sondern auch viele Kinder ausgesetzt. Und das nicht vor Findelhäusern sonder auf Straßen.


    2. Organspende ("Ernte-Camps")
    Auch diese Theorie ist nicht vollkommen neu. In China dienten zum Tode Verurteilte als Organspender, ob sie wollten oder nicht. Mehr als die hälfte aller gespendeter Organe stammten von ehemaligen Häftlingen. Voriges Jahr wurde diskutiert ob dies nun verboten werden soll.


    3. Waisen als Organspender: (Risa)
    "In Mosambik wird ein südafrikanisches Paar verdächtigt, Waisenkinder gekidnappt und ihnen Organe wie Augen, Leber und Herz entnommen zu haben."²
    Das sagt wohl alles.



    Vielleicht weicht unsere Welt gar nicht so weit ab von dieser Dystopie. Auch der medizinische Fortschritt in Transplantationen und Organspende scheint realistisch. Neal Shusterman selbst meinte er wäre auf die Idee dieses Buches gekommen nachdem er einen Artikel eines Mediziners gelesen hatte, welcher meinte dass in Zukunft 100% des Mensche "wiederverwendbar" seien.



    Zitat:
    2: taz.de

    "And in that moment, I swear we were infinite"


    "Sogar die guten (Täume) sind schlecht, denn sie machen einem bewusst, wie mies die Wirklichkeit dagegen abschneidet."

  • :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:


    Handlung:


    In einer nicht allzu weit entfernten Zukunft kommt es zu einem Glaubenskrieg zwischen Abtreibungsgegnern und -befürwortern. Nach neun Jahren wird der blutige Konflikt mit einem Kompromiss beigelegt: der Charta des Lebens.


    Hinter diesem positiv klingenden Namen verbirgt sich eine Gesetzesänderung, die alles Leben für unantastbar erklärt - jedenfalls bis zum 13. Lebensjahr. Abtreibungen sind ohne Ausnahme illegal, aus welchen Gründen auch immer, dafür können Eltern unerwünschte oder problematische Kinder zwischen deren 13. und 18. Lebensjahr ohne Angabe von Gründen "umwandeln" lassen - sozusagen rückwirkend abtreiben, indem das Kind schmerzfrei getötet und zerlegt wird.


    Das wird offiziell nicht als Tod betrachtet, da durch modernste Transplantationstechnologien 99,44% des Körpers wiederverwendet werden können, und das laut Gesetz auch müssen. Nicht nur Kranke greifen gerne auf so gewonnene "Ersatzteile" zurück, auch aus kosmetischen Gründen kaufen wohlhabende Menschen zum Beispiel Augen einer bestimmten Farbe, schlankere Finger oder eine edlere Nase.


    Jeder Teil eines "Wandlers" lebt also weiter - aber heißt das wirklich, das er als Mensch noch lebt?


    Meine Meinung:
    Organspende, Abtreibung, Definition und Wert des Lebens - brisante Themen, die Neal Shusterman in seiner verstörenden Dystopie nicht nur hochspannend verarbeitet, sondern dabei auch zum Nachdenken anregt. Ich habe mich immer wieder gefragt: wenn ich in so einer Gesellschaft leben würde, würde ich die Umwandlung dann wirklich als normal betrachten? Würde ich, ohne mit der Wimper zu zucken, zusehen, wenn Nachbarskinder abgeholt werden, um in ein "Ernte-Camp" gebracht zu werden - oder noch schlimmer, vielleicht sogar ein eigenes Kind abgeben, wenn es zu anstrengend wird?


    Ich muss zugeben, ich habe mich anfangs schwer mit dem Gedanken getan, dass so eine Zukunft jemals Wirklichkeit werden könnte. Immer wieder dachte ich mir: nein, wenn es um Kinder geht, würden sich Menschen doch nicht einfach mit der Charta des Lebens abspeisen lassen! Aber andererseits... Wer weiß? Wenn es wirklich möglich wäre, jeden Teil eines menschlichen Körpers weiterzuverwenden, vielleicht könnte man die Allgemeinheit mit geschickter PR dann tatsächlich davon überzeugen, dass es kein Mord ist, da das Kind ja weiterlebt... Nur anders. Das kann man noch schön damit verpacken, dass das Kind mit seinen Spenderorganen sogar Menschenleben rettet.


    Auf jeden Fall fand ich die Grundidee nicht nur unglaublich originell, sondern auch sehr gut umgesetzt.


    Die Geschichte folgt drei Jugendlichen, die aus unterschiedlichen Gründen umgewandelt werden sollen. Connor, weil er sich zu oft prügelt, schlechte Noten schreibt und sich gegen seine Eltern auflehnt. Risa, weil sie in einem überfüllten Waisenhaus lebt und ein paar der über 13-Jährigen schlichtweg umgewandelt werden müssen, um Platz für jüngere Kinder zu schaffen. Lev, weil er das zehnte Kind einer religiösen Familie ist, für die es ganz normal ist, Gott von allem, was sie haben, den zehnten Teil zurückzugeben...


    Gerade dadurch, dass sie völlig verschieden sind, macht der Autor überdeutlich: dieses System ist falsch und unmoralisch, aus welchem Grund auch immer. Nichts kann so etwas rechtfertigen. Alle drei treffen manchmal falsche Entscheidungen, haben ihre Fehler und Charakterschwächen... Dennoch habe ich immer mit ihnen mitgefiebert, mitgefühlt, mitgelitten, und es bestand für mich nie der geringste Zweifel, dass sie das Recht haben, zu leben. Ich fand sie sehr überzeugend und glaubhaft geschrieben.


    Die Geschichte beginnt spannend, und die Spannung flaut kaum einmal ab - es geht hier immerhin nicht nur um drei Jugendliche, die gejagt werden, sondern um Hunderte von Jugendlichen, die in Ernte-Camps sitzen und auf den Tod warten, wenn sich nicht ändert. Besonders packend, verstörend und eindringlich waren für mich die Passagen, die dem Leser einen Einblick in ein Ernte-Camp gewähren und ihm zeigen, wie "Wandler" ihre letzten Tage verbringen. Obwohl die Kinder dort nicht hungern müssen oder misshandelt werden, baut der Autor ein paar Dinge ein, die deutlich an Konzentrationslager erinnern. (So wie zum Beispiel musikalisch begabte Juden sich durch Auftritte Lebenszeit erkaufen konnten, können hier auch musikalisch begabte Kinder ihren Tod hinauszögern.) Schließlich erlebt der Leser sogar eine "Wandlung" direkt mit, und danach musste ich das Buch erstmal zuklappen, durchatmen und ein bisschen Abstand gewinnen. Schlicht und einfach grauenhaft. Und das, obwohl in dieser Szene nie von Blut die Rede ist, sondern von lächelnden Augen und ruhigen Stimmen...


    Die Geschichte wird in eher einfachen Worten in der Gegenwartsform erzählt, und damit musste ich mich erst anfreunden! Nach ein paar Kapiteln war ich dann aber "drin", und danach fand ich es auch passend, denn so ist der Leser immer nah dran am Geschehen.


    Fazit:


    Kurz und knapp: Nach einem Glaubenskrieg zwischen Abtreibungsgegnern und -befürwortern wird die Abtreibung verboten (egal aus welchem Grund), dafür können Eltern ihr Kind nach dem 13. Lebensjahr "umwandeln" lassen - was nichts anderes heißt als: in seine Einzelteile zerlegen und diese spenden, so dass 99,44% eines Kindes in anderen Menschen weiterleben.


    Die Geschichte hat mich schnell gepackt und dann gar nicht mehr losgelassen. Für mich sind die besten Dystopien die, die nicht nur spannend sind, sondern auch zum Nachdenken anregen, und das hat Neal Shusterman mit "Vollendet" auf jeden Fall geschafft! Die Charaktere fand ich allesamt sehr gut gelungen, komplex und glaubhaft. Der Schreibstil ist zwar sehr einfach und direkt, bringt aber gerade dadurch die Dringlichkeit der Geschehnisse gut rüber.

  • Klappentext:

    Deine Umwandlung ist garantiert schmerzfrei. Jeder Teil deines Körpers lebt weiter. Sagen sie. Aber wenn jeder Teil von dir am Leben ist, nur eben im Körper eines anderen … Lebst du dann? Oder bist du tot…

    Der 16-jährige Connor hat ständig Ärger. Risa lebt in einem überfüllten Waisenhaus. Lev ist das wohlbehütete Kind strenggläubiger Eltern. So unterschiedlich die drei auch sind, eines haben sie gemeinsam: Sie sind auf der Flucht. Vor einem Staat, in dem Eltern ihre Kinder im Alter von 13 bis 18 Jahren »umwandeln« lassen können …


    Autor:

    Neal Shusterman, geboren 1962 in Brooklyn, USA, studierte in Kalifornien Psychologie und Theaterwissenschaften. Alle seine Romane sind internationale Bestseller und wurden vielfach ausgezeichnet. In Deutschland liegt bisher seine »Vollendet«-Serie vor. Mit »Scythe – Die Hüter des Todes« startet Shusterman eine neue Trilogie über den Preis der scheinbar perfekten Welt.


    Allgemeines:

    Erscheinungsdatum: 21. August 2014

    Seitenanzahl: 432

    Verlag: Fischer Kinder- & Jugendtaschenbuch

    Originaltitel: Unwind


    Eigene Meinung:

    Seit seinen „Scythe“ Büchern gehört Neil Shusterman zu meinen favorisierten Autoren. Umso mehr habe ich mich über die Neuauflage dieser schon etwas älteren Reihe gefreut.

    Shusterman beschreibt hier eine Welt, in der das Leben der Kinder bis zum 13. Geburtstag unantastbar ist. Dafür können Sie in den Jahren danach bis zum 18. Lebensjahr nachträglich abgetrieben werden.

    Connor, Risa und Lev ereilt dieses Schicksal, jedem von ihnen aus einem anderen Grund. Ich selber musste beim Lesen dieses Buches einige Male schwer schlucken. Allein die Gründe, die hinter einer solchen nachträglichen Abtreibung stecken können und trotzdem so durchgezogen werden, sind erschreckend, aber man erlebt ja auch jetzt schon im Alltag Dinge, die man selber einfach nicht nachvollziehen kann, die aber so geschehen. Die betroffenen Kinder werden umgewandelt. Das heißt also jeder (!) Körperteil wird als Organspende ge/entnommen und im Grunde kommt es ja dann der Gesellschaft zu Gute, da ja sonst niemals genug Spendeorgane vorhanden sind… oder ?

    Die Handlung selber ist nichts großartig Neues, es geht um Angst, Flucht und Rebellion. Aber dies alles ist so dicht und intensiv beschrieben, dass ich gar nicht anders konnte als weiterzulesen und zu sehen, ob Connor, Risa und Lev es schaffen werden. Jeder von Ihnen macht übrigens eine interessante Entwicklung durch.


    Fazit: Shusterman hat es geschafft, die Themen Organspende, Abtreibung, Kindeswunsch oder- nichtwunsch in einen spannenden, teilweise sehr emotionalen, erschreckenden Roman zu fassen.

    Mich hat er sehr gut unterhalten, auch wenn es mir gerade bei einer Szene einfach richtig nahe ging.

    Doch ich persönlich finde immer, dass mich ein Buch in irgendeiner Art und Weise berühren muss. Ob ich am Ende vor Freude springe oder eben zum Nachdenken angeregt werde, nachdem mein Herz zersprungen ist… DAS sind für mich gute Bücher. Und dieses hier ist eines davon. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Eine Frage. Habe das Buch noch nicht gelesen. Kann es sein, dass es schon mal verfilmt wurde? Ich meine nämlich, mal von einem Film mit derartiger Handlung gehört zu haben?

    Ob genau dieser Film verfilmt worden ist, kann ich dir leider nicht sagen, es gibt aber einen Film, der nennt sich "Die Insel" und ist mit Ewan McGregor verfilmt worden. Das sind Klone, die auf einer Insel leben ohne zu wissen, dass sie als Ersatzteillager für ihr Alter Ego dienen. Vielleicht meinst du den? :-k

  • Ich meine nämlich, mal von einem Film mit derartiger Handlung gehört zu haben?


    Ob genau dieser Film verfilmt worden ist, kann ich dir leider nicht sagen

    Es war vor Jahren schon geplant, das Buch zu verfilmen. Dann hat man nichts mehr davon gehört, dann war mal von einer TV-Serie die Rede. Was der aktuelle Stand ist, kann ich nicht sagen. Ich schätze allerdings, dass es in der momentanen Lage (Jugendfantasy floppt an der Kinokasse; Netflix- und Streaming-Boom) eher irgendwann eine Serie werden wird.

  • Nach dem Heartland-Krieg haben sich die Abtreibungsgegner mit den –befürwortern auf die „Charta des Lebens“ geeinigt.


    Ausschnitt aus der Charta:


    „Das menschliche Leben ist von der Empfängnis bis zum Zeitpunkt des 13. Lebensjahres unantastbar. ...


    Im Alter zwischen 13 und 18 Jahren können Eltern ein Kind rückwirkend „abtreiben“ unter der Bedingung, dass das Leben des Kindes „streng genommen“ nicht endet, sondern sein Körper und seine Organe durch „Umwandlung“ in anderen Menschen weiterleben.“



    Connor ist 16 Jahre alt, seine Eltern kommen mit seiner rebellischen Art nicht klar und unterschreiben eine Umwandlungsverfügung.

    Das Mädchen Risa ist 15 Jahre alt, lebt in einem der unzähligen Waisenhäuser und ist ein Mündel des Staates. Da das Budget gekürzt wurde, muss sie für andere Platz machen.


    Lev ist gerade 13 geworden und wurde sein ganzes Leben von seinen religiösen Eltern darauf vorbereitet, als 10. Sohn durch die Wandlung zum Zehntopfer Gottes zu werden.


    Der Zufall führt die drei zusammen, als Connor und Risa sich zur Flucht entschließen. Lev begleitet sie, anfangs gegen seinen Willen, auf ihrem Weg und schließlich verbindet die drei mehr, als der Wille zu (über)leben.


    Meine Meinung


    Schon die erste Seite des Buches, die „Charta des Lebens“, zeigt auf eine wahrhaft gruselige Art, welch perfide Idee hinter dieser Geschichte steckt. Neal Shusterman kreiert ein Szenario, das hoffentlich niemals eintrifft und das sehr brisante Themen beinhaltet: Abtreibung und die Organspende. Das macht er sehr gekonnt, weil er dem Leser dabei keine konkrete Meinung aufdrängt und auch selbst keine direkte Stellung einnimmt, sondern Fragen aufwirft und Gewissenskonflikte in den Raum stellt, die gerade jugendliche Leser (und sicher auch Erwachsene) bei diesen Themen immer wieder beschäftigen.

    Das ganze verstrickt er in eine spannende Handlung, die aus der Sicht der drei Protagonisten beschrieben wird, aber auch andere Figuren zu Wort kommen lässt. Ein sehr dynamischer Aufbau, der zwischen spannenden Szenen und ruhigeren Momenten abwechselt und den Weg und die große Entwicklung der Charaktere beschreibt.


    Jeder von ihnen hatte eine sehr prägende Vergangenheit und wird durch die aktuellen Ereignisse komplett aus der Bahn geworfen. Das führt zu rasanten Entwicklungen, die aber logisch aufgebaut und nachvollziehbar sind.

    Dabei treffen zwar auch viele Zufälle aufeinander - was mich aber nicht gestört hat, denn alles fügt sich so perfekt ineinander, dass ich darüber kaum nachgedacht habe. Ich hab das Buch ja jetzt zum zweiten Mal gelesen und bin wieder nur so durch die Seiten geflogen, denn die flüssige Schreibweise und der beständige Spannungsaufbau haben mich durchweg fesseln können.


    Dazu kommt natürlich die bewegende Thematik, die mich als Mutter kaum glauben lässt, dass diese Konsequenz der "Umwandlung" tatsächlich Realität sein könnte.

    Denn was geschieht, wenn jemand nicht in das vorgegebene Raster der Gesellschaft passt? Wird Hilfe angeboten oder werden sie herausgedrängt aus der Gemeinschaft, die sie so dringend nötig hätten, um ihren Weg zu finden? Besonders dramatisch finde ich auch, dass man tatsächlich den Eindruck gewinnt, dass die Akzeptanz dieser Umwandlung sich wirklich in den Köpfen der Menschen festsetzen könnte. Wie oft schon haben Politik und Gesetze die Gesellschaft verändert und geprägt, eben nur weil es so beschlossen und gerechtfertigt wurde.


    Durch die Perspektivenwechsel erhält man einen guten Eindruck über die Denk- und Handelsweise jedes einzelnen. Connor, Risa und Lev sind auf verschiedenen Wegen zu "Wandlern" geworden, was sie schließlich zusammenführt und auf eine Zukunft zusteuern lässt, die alles verändern könnte. Aber auch die Gedanken und Gefühle einiger Nebenfiguren kommen kurz zu Wort, so dass alle Seiten sehr gut widergespiegelt werden.


    Die Stimmung ist meist beklemmend, man weiß nie, was als nächstes passiert und hofft die ganze Zeit, dass die drei es irgendwie schaffen werden. Die vielen, verschiedenen Fragen, die hier aufgeworfen werden und wie unterschiedlich die einzelnen Charaktere damit umgehen, lassen einen sehr nachdenklich zurück. Ab wann besitzt ein Mensch eine Seele? Wie weit kann man bei der Organspende gehen? Ist ein Mensch mehr wert als der andere?

    Ein schwieriges Thema, in einer rasanten, düsteren Geschichte verpackt, die das moralische Gewissen aufrütteln soll.


    --- Ich hab das Buch jetzt zum zweiten Mal gelesen und bin wieder so begeistert! Ende März kommt ja endlich der finale vierte Band in deutsch raus! ---


    Mein Fazit: 5 Sterne


    © Aleshanee

    Weltenwanderer

  • Connor ist ein aufmüpfiger 16-jähriger, der seine Wut nicht immer gut zu kontrollieren weiß. Risa ist im Waisenhaus groß geworden, ohne je einer richtigen Familie angehört zu haben. Lev dagegen glaubt als Zehntopfer etwas besonderes zu sein. So unterschiedlich sie auch sind, so stehen die 3 doch vor dem gleichen Schicksal. Sie alle sollen "umgewandelt" werden, um anderen Menschen das Leben zu retten. Und mit ihnen noch so viele mehr ...


    Man lernt eine Welt kennen, in der es Familien nachträglich noch erlaubt ist, ihr Kind "abzutreiben". Doch dies soll zu einem guten Zwecke geschehen. Die Kinder können im Alter von 13 bis 17 Jahren zur Umwandlung geschickt werden. Dort werden sie quasi in Einzelteile zerlegt, die anschließend weiter verwendet werden. DIe Medizin ist also nicht mehr die, die wir kennen. Ist ein Arm gebrochen, kann man ihn leicht durch einen neuen ersetzen. Doch natürlich muss auch das Geld stimmen. So scheint das Problem, dass es zu wenige Organspender gibt für alle gelöst. Ein Thema, dass ich immer wieder interessant finde und auch deswegen zu diesem Buch gegriffen habe. Leider war es mir nicht ausführlich genug durchdacht. Ich habe es so verstanden, dass man sich auch ohne medizinische Notwendigkeit beispielweise neue Augen kaufen kann, sollten einem seine eigene nicht gefallen. Nun hatte das Mädchen, das Connor zu Anfang des Buches noch kannte allerdings lilafarbene Augen, oder habe ich mich da verlesen? :scratch: Wo hat sie die denn hergekriegt, wenn ganz normale Menschen die Spender sind? :-s Ich dachte also die ganze Zeit, es wären noch andere Modifizierungen möglich wie Tatoowierungen z.B., was ja an sich aber nichts neues ist.

    Die Charaktere dagegen waren ziemlich gut beschrieben und haben auch einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Keiner erschien farblos oder ungenau, obwohl einige nur einen sehr kurzen Auftritt haben.

    Etwas zu viel des Guten war für mich das "Storchen", also die Möglichkeit einfach ein Baby nach der Geburt irgendwo abzulegen. Hier fehlte mir irgendwie die Information, ob denn Abtreibungen, wie sie bei uns legal sind, nun gar nicht mehr möglich sind, oder vielleicht doch. Das war mir etwas zu schwammig und wenn es dann schon eine derartige Möglichkeit gibt, hätte ich mir gewünscht, dass es besser ausgeführt wird.

    Eine Verfilmung kann ich mir sehr gut vorstellen und glaube sogar, sie könnte mir besser gefallen, als das Buch selbst. Mir hat nämlich die Atmosphäre ein wenig gefehlt. Ich habe darüber gelesen, dass jemand Angst hatte oder wütend war, aber es kam leider nicht richtig bei mir an.


    Insgesamt muss ich sagen wurde hier ein wichtiges und für mich immer interessantes Thema aufgegriffen, dass meiner Meinung nach aber etwas mehr Ausarbeitung erfordert hätte. Die Charaktere sind hier für mich ein großes Plus und es wurde eine gute Basis dafür geschaffen, ihre Geschichte weiter zu erzählen und zu verfolgen.

    Von mir gibt es: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    So many things become beautiful when you really look.


    Lauren Oliver

  • Dieses Buch fand ich richtig spanned. Es ist sehr intensiv. Wenn man die Möglichkeit hätte, Menschen umzuwandeln, das heißt wortwörtlich in ihre Einzelteile zu zerlegen, um sie dann anderen Menschen einzufügen, die sich daran gewöhnt haben, nur noch auf diese Weise, Organe oder Körperteile zu ersetzen. Ich finde, die Umwandlung ist nicht anderes als jemanden zu töten, auch wenn die Einzelteile ein Eigenleben entwickeln können. Somit wirkt das Ganze noch widerlicher. Lev konnte ich am Anfang überhaupt nicht ausstehen. Ich meine, er behauptet, dass er 80 Freunde habe, hat angeblich nur Einsen und ist der Star des Schulteams. Aber er ist auch ein Zehntopfer, es wurde von Anfang an so manipuliert, dass er die Umwandlung nur großartig finden kann, weil er auserwählt wurde, um sich Gott zu opfern. Dann will er auch noch Connor und Risa verraten. Klar, später macht er eine Entwicklung durch und freundet sich mit Cyrus an. Aber er auch härter und kälter, wodurch er irgendwie noch unsympathischer rüberkommt. Connor mag ein Problem-teenager sein wie er im Buche steht, aber er ist entschlossen, der Umwandlung zu entkommen und macht einen Tollen Reifeprozess durch. Risa ist es gewöhnt, sich im Waisenhaus durchzusetzen, sie ist eine talentierte Musikerin und unproblematisch, aber die Gelder reichen nicht mehr. Leider hat sie somit Pech. Auch sie soll umgewandelt werden. Zu Roland möchte ich noch sagen, dass er einen tollen Slytherin abgeben würde, denn er er ist gerissen und nicht auf dem Kopf gefallen, obwohl er grobschlächtig wirkt.

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Neal Shusterman - Vollendet / Unwind“ zu „Neal Shusterman - Die Flucht / Unwind“ geändert.