Seitenzahl : 135
Inhalt (Klappentext):
Ein junger Mann verlässt sein Zimmer, in dem er offenbar lange Zeit eingeschlossen war, tastet sich durch eine fremde Welt. Eine Bank im Park wird ihm Zuflucht und Behausung, dort beginnt er zu sprechen und teilt mit einem wildfremden Menschen seine Erinnerungen. Der andere ist viele Jahre älter, ein im Büro angestellter "Salaryman" wie Tausende. Er erzählt seinerseits, über Tage und Wochen hinweg, Szenen seines Lebens voller Furcht und Ohnmacht, Hoffnung und Glück. Beide sind Außenseiter, die dem Leistungsdruck nicht standhalten, die allein in der Verweigerung aktiv werden.
Aus der Erfahrung, dass Zuneigung in Nahrung verpackt, Trauer im Lachen verborgen werden kann und Freundschaften möglich sind, stärken sie sich für einen endgültigen Abschied und einen Anfang.
Allgemeines:
114 kurze Kapitel
Worterklärungen im Anhang
Autorin:
Milena Michiko Flasar, geboren 1980 in St. Pölten, hat in Wien und Berlin Komparatistik, Germanistik und Romanistik studiert. Sie ist die Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters, lebt als Schriftstellerin in Wien und unterrichtet nebenbei Deutsch als Fremdsprache.
Meine Meinung u. Bewertung:
Ein junger Mann, Taguchi Hiro, verlässt nur noch sein Zimmer, wenn er ganz sicher ist, dass sich niemand im Haus befindet. So begegnet er nicht einmal seinen Eltern, die täglich sein Essen bereitstellen. Doch eines Tages drängt es ihn hinaus. Er schafft es auf eine Bank in einem Park und begegnet dort einem älteren Mann. Ohne Worte bieten sich beide einen vertrauten Anblick, es folgen kleine Gesten, dann begrüßen sie sich und ganz allmählich beginnen sie Gespräche über ihr tägliches Leben ohne Hektik,ohne Anspruch, Tag für Tag. Immer zur gleichen Zeit erwartet man den anderen, gibt dem Tag dadurch eine neue Struktur. Auch teilen sie das Bento (Mahlzeit zum Mitnehmen) von Kyoko, der Frau des Älteren.
Der Roman kommt auf ganz leisen Sohlen daher, aber die Gedanken haben ihre eigene Lautstärke, ihr eigenes Gewicht. Manche Aussage ist verblüffend, so einfach und doch so eindringlich. Die Geschichte spielt in Japan, doch von den Eigennamen abgesehen, könnte sich diese Begegnung zweier aus der Bahn geworfener Menschen überall abspielen. Schuldzuweisung, Verzweiflung, Verlust bedrängen den Jungen, Versagen, Scham den Älteren. Beide fallen aus der gängigen Norm und geben sich gegenseitig neuen Halt und das zaghafte Gefühl für eine ungewöhnliche Freundschaft. Milena Michiko Flasar erzählt sehr einfühlsam, und auch sehr liebevoll. Sie verurteilt nicht, sondern wirbt um Verständnis. Was mir besonders gefallen hat, ist das Miteinbeziehen der Eltern in ihre gemeinsame Einsamkeit, die kleinen Schritte zueinander und die Erkenntnis, dass Leben in keine starre Form zu pressen ist, aber ein Neuanfang immer möglich.
Fazit: Ein ruhiger, ungewöhnlicher Roman mit dem Finger auf dem Nerv der Zeit.
Liebe Grüsse
Wirbelwind
Herman Koch, Sommerhaus mit Swimmingpool